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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

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Die zwei Seelen sanken, verschlungen, hin in ei¬
ne einzige Thräne und die Stille der Trauer heiligte
den Augenblick -- und mehr lasset mich mit meinem
beklommenen Athem nicht davon sagen.

-- Wie erwachend zog sie ihr Haupt von seinem
Herzen und nahm mit einem entkräfteten Lächeln
seine Hand -- denn sie liebte ihn aller Unglücks-
Zufälle ungeachtet unaussprechlich und war eben auf
dem Wege nach Maienthal, um ihn noch einmal
zu erblicken -- und sagte: "ich gehe nach England
"zu meiner Mutter, um den Lord auszufinden und
"zu erbitten, daß er früher komme und sich ins
"Mittel schlage, und fremde Schmerzen und meine
"endige. --" Ihr Stocken, das ihr Blick ausfüll¬
te, entdeckte ihm soviel als es der unglücklichen
Pfarrfrau verschwieg, die im Nebenzimmer vieles
hören konnte -- was sie verdeckte, war, daß sie bei
dem Lord die Beschleunigung der Entdeckung, daß
Flamin der Sohn des Fürsten sey, betreiben wollte.
Ausserdem rückte dieser Weg ihre Augen von so vie¬
len Bildern des Grams, so wie ihre Ohren von so
vielen Kakophonien des Gespöttes hinweg. Freilich
war die Absicht, auf dem Kutschkissen und auf dem
Schiffe die Mozion wie eine Eisentinktur einzuneh¬
men, nur ihr Vorwand bei Hofe gewesen, wo man

Die zwei Seelen ſanken, verſchlungen, hin in ei¬
ne einzige Thraͤne und die Stille der Trauer heiligte
den Augenblick — und mehr laſſet mich mit meinem
beklommenen Athem nicht davon ſagen.

— Wie erwachend zog ſie ihr Haupt von ſeinem
Herzen und nahm mit einem entkraͤfteten Laͤcheln
ſeine Hand — denn ſie liebte ihn aller Ungluͤcks-
Zufaͤlle ungeachtet unausſprechlich und war eben auf
dem Wege nach Maienthal, um ihn noch einmal
zu erblicken — und ſagte: »ich gehe nach England
»zu meiner Mutter, um den Lord auszufinden und
»zu erbitten, daß er fruͤher komme und ſich ins
»Mittel ſchlage, und fremde Schmerzen und meine
»endige. —» Ihr Stocken, das ihr Blick ausfuͤll¬
te, entdeckte ihm ſoviel als es der ungluͤcklichen
Pfarrfrau verſchwieg, die im Nebenzimmer vieles
hoͤren konnte — was ſie verdeckte, war, daß ſie bei
dem Lord die Beſchleunigung der Entdeckung, daß
Flamin der Sohn des Fuͤrſten ſey, betreiben wollte.
Auſſerdem ruͤckte dieſer Weg ihre Augen von ſo vie¬
len Bildern des Grams, ſo wie ihre Ohren von ſo
vielen Kakophonien des Geſpoͤttes hinweg. Freilich
war die Abſicht, auf dem Kutſchkiſſen und auf dem
Schiffe die Mozion wie eine Eiſentinktur einzuneh¬
men, nur ihr Vorwand bei Hofe geweſen, wo man

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[313/0323] Die zwei Seelen ſanken, verſchlungen, hin in ei¬ ne einzige Thraͤne und die Stille der Trauer heiligte den Augenblick — und mehr laſſet mich mit meinem beklommenen Athem nicht davon ſagen. — Wie erwachend zog ſie ihr Haupt von ſeinem Herzen und nahm mit einem entkraͤfteten Laͤcheln ſeine Hand — denn ſie liebte ihn aller Ungluͤcks- Zufaͤlle ungeachtet unausſprechlich und war eben auf dem Wege nach Maienthal, um ihn noch einmal zu erblicken — und ſagte: »ich gehe nach England »zu meiner Mutter, um den Lord auszufinden und »zu erbitten, daß er fruͤher komme und ſich ins »Mittel ſchlage, und fremde Schmerzen und meine »endige. —» Ihr Stocken, das ihr Blick ausfuͤll¬ te, entdeckte ihm ſoviel als es der ungluͤcklichen Pfarrfrau verſchwieg, die im Nebenzimmer vieles hoͤren konnte — was ſie verdeckte, war, daß ſie bei dem Lord die Beſchleunigung der Entdeckung, daß Flamin der Sohn des Fuͤrſten ſey, betreiben wollte. Auſſerdem ruͤckte dieſer Weg ihre Augen von ſo vie¬ len Bildern des Grams, ſo wie ihre Ohren von ſo vielen Kakophonien des Geſpoͤttes hinweg. Freilich war die Abſicht, auf dem Kutſchkiſſen und auf dem Schiffe die Mozion wie eine Eiſentinktur einzuneh¬ men, nur ihr Vorwand bei Hofe geweſen, wo man

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/323>, abgerufen am 23.11.2024.