Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

die rothgeweinten Augen sahen und bebten in dem
düstern Zwischenraum zwischen dem Anblick und dem
ersten Wort wie in der schrecklichen Zeit zwischen
dem Feuer eines großen Geschosses und zwischen der
Ankunft der Kugel und da endlich Klotilde leise
fragte: "es ist alles wahr?" und er sagte: alles!
-- so legte sie ihr schönes Haupt langsam um gegen
die Wand und wiederholte in einem fort, aber leise¬
klagend, mit den sanften gedämpften Trauertönen
des ermüdeten Jammers die Worte: "ach! mein
"guter Lehrer! mein unvergeßlicher Freund! -- Ach
"du großer Geist! du schöne Himmelsseele, warum
"zogest du so bald meiner Giulia nach! -- -- O,
"theuerster Freund, zürnen Sie nicht, ich wünschte
"jetzt blos zu seyn, wo mein Vater ist, im stillen
"Grabe." -- -- Viktor fing bebend die Frage an:
"hat ihn Flamin. . . . ." -- aber er konnte nicht
dazu setzen: "umgebracht": denn sie richtete das
Haupt empor und blickte ihn an mit einem schwel¬
lenden, mit einem arbeitenden unsäglichen Schmerz
und dieser Schmerz war ihr Ja. -- --

Sie wollte, von der Thränenverblutung erschlafft
und zuckend unter den Erinnerungen, die wie Ge¬
hirnbohrer die Seele betasteten, endlich an der
Wand zusammensinken; aber ihr Geliebter faßte sie
mit unaussprechlichem Mitleid auf und erhielt sie

die rothgeweinten Augen ſahen und bebten in dem
duͤſtern Zwiſchenraum zwiſchen dem Anblick und dem
erſten Wort wie in der ſchrecklichen Zeit zwiſchen
dem Feuer eines großen Geſchoſſes und zwiſchen der
Ankunft der Kugel und da endlich Klotilde leiſe
fragte: »es iſt alles wahr?» und er ſagte: alles!
— ſo legte ſie ihr ſchoͤnes Haupt langſam um gegen
die Wand und wiederholte in einem fort, aber leiſe¬
klagend, mit den ſanften gedaͤmpften Trauertoͤnen
des ermuͤdeten Jammers die Worte: »ach! mein
»guter Lehrer! mein unvergeßlicher Freund! — Ach
»du großer Geiſt! du ſchoͤne Himmelsſeele, warum
»zogeſt du ſo bald meiner Giulia nach! — — O,
»theuerſter Freund, zuͤrnen Sie nicht, ich wuͤnſchte
»jetzt blos zu ſeyn, wo mein Vater iſt, im ſtillen
»Grabe.» — — Viktor fing bebend die Frage an:
»hat ihn Flamin. . . . .» — aber er konnte nicht
dazu ſetzen: »umgebracht»: denn ſie richtete das
Haupt empor und blickte ihn an mit einem ſchwel¬
lenden, mit einem arbeitenden unſaͤglichen Schmerz
und dieſer Schmerz war ihr Ja. — —

Sie wollte, von der Thraͤnenverblutung erſchlafft
und zuckend unter den Erinnerungen, die wie Ge¬
hirnbohrer die Seele betaſteten, endlich an der
Wand zuſammenſinken; aber ihr Geliebter faßte ſie
mit unausſprechlichem Mitleid auf und erhielt ſie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0320" n="310"/>
die rothgeweinten Augen &#x017F;ahen und bebten in dem<lb/>
du&#x0364;&#x017F;tern Zwi&#x017F;chenraum zwi&#x017F;chen dem Anblick und dem<lb/>
er&#x017F;ten Wort wie in der &#x017F;chrecklichen Zeit zwi&#x017F;chen<lb/>
dem Feuer eines großen Ge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;es und zwi&#x017F;chen der<lb/>
Ankunft der Kugel und da endlich Klotilde lei&#x017F;e<lb/>
fragte: »es i&#x017F;t alles wahr?» und er &#x017F;agte: alles!<lb/>
&#x2014; &#x017F;o legte &#x017F;ie ihr &#x017F;cho&#x0364;nes Haupt lang&#x017F;am um gegen<lb/>
die Wand und wiederholte in einem fort, aber lei&#x017F;<lb/>
klagend, mit den &#x017F;anften geda&#x0364;mpften Trauerto&#x0364;nen<lb/>
des ermu&#x0364;deten Jammers die Worte: »ach! mein<lb/>
»guter Lehrer! mein unvergeßlicher Freund! &#x2014; Ach<lb/>
»du großer Gei&#x017F;t! du &#x017F;cho&#x0364;ne Himmels&#x017F;eele, warum<lb/>
»zoge&#x017F;t du &#x017F;o bald meiner Giulia nach! &#x2014; &#x2014; O,<lb/>
»theuer&#x017F;ter Freund, zu&#x0364;rnen Sie nicht, ich wu&#x0364;n&#x017F;chte<lb/>
»jetzt blos zu &#x017F;eyn, wo mein Vater i&#x017F;t, im &#x017F;tillen<lb/>
»Grabe.» &#x2014; &#x2014; Viktor fing bebend die Frage an:<lb/>
»hat ihn Flamin. . . . .» &#x2014; aber er konnte nicht<lb/>
dazu &#x017F;etzen: »umgebracht»: denn &#x017F;ie richtete das<lb/>
Haupt empor und blickte ihn an mit einem &#x017F;chwel¬<lb/>
lenden, mit einem arbeitenden un&#x017F;a&#x0364;glichen Schmerz<lb/>
und die&#x017F;er Schmerz war ihr Ja. &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
          <p>Sie wollte, von der Thra&#x0364;nenverblutung er&#x017F;chlafft<lb/>
und zuckend unter den Erinnerungen, die wie Ge¬<lb/>
hirnbohrer die Seele beta&#x017F;teten, endlich an der<lb/>
Wand zu&#x017F;ammen&#x017F;inken; aber ihr Geliebter faßte &#x017F;ie<lb/>
mit unaus&#x017F;prechlichem Mitleid auf und erhielt &#x017F;ie<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[310/0320] die rothgeweinten Augen ſahen und bebten in dem duͤſtern Zwiſchenraum zwiſchen dem Anblick und dem erſten Wort wie in der ſchrecklichen Zeit zwiſchen dem Feuer eines großen Geſchoſſes und zwiſchen der Ankunft der Kugel und da endlich Klotilde leiſe fragte: »es iſt alles wahr?» und er ſagte: alles! — ſo legte ſie ihr ſchoͤnes Haupt langſam um gegen die Wand und wiederholte in einem fort, aber leiſe¬ klagend, mit den ſanften gedaͤmpften Trauertoͤnen des ermuͤdeten Jammers die Worte: »ach! mein »guter Lehrer! mein unvergeßlicher Freund! — Ach »du großer Geiſt! du ſchoͤne Himmelsſeele, warum »zogeſt du ſo bald meiner Giulia nach! — — O, »theuerſter Freund, zuͤrnen Sie nicht, ich wuͤnſchte »jetzt blos zu ſeyn, wo mein Vater iſt, im ſtillen »Grabe.» — — Viktor fing bebend die Frage an: »hat ihn Flamin. . . . .» — aber er konnte nicht dazu ſetzen: »umgebracht»: denn ſie richtete das Haupt empor und blickte ihn an mit einem ſchwel¬ lenden, mit einem arbeitenden unſaͤglichen Schmerz und dieſer Schmerz war ihr Ja. — — Sie wollte, von der Thraͤnenverblutung erſchlafft und zuckend unter den Erinnerungen, die wie Ge¬ hirnbohrer die Seele betaſteten, endlich an der Wand zuſammenſinken; aber ihr Geliebter faßte ſie mit unausſprechlichem Mitleid auf und erhielt ſie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/320
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/320>, abgerufen am 23.11.2024.