kenden Brust: "ach ist es denn wahr? halt' ich dich "wirklich, mein Vaterland? -- ach in solchen Ge¬ "filden der Ruhe werden die Wunden geheilt, die "Thränen gestillt, keine Seufzer gefodert, keine "Sünden begangen, ach da zerfließet ja das kleine "Menschenherz vor zu voller Wonne und erschaft sich "wieder, um wieder zu zerfließen. . . .. So hab ich "dich längst gedacht, seeliges, magisches, blendendes "Land, das an meine Erde gränzt. . . . O! liebe "Erde, wo bist du wohl?"
Er hob das trunkne Auge in den mit Sternen bethaueten Himmel und sah den erniedrigten Mond gelb und matt in Süden hängen: diesen sah er für die Erde an, aus der ihn der Tod in dieses Elysium getragen habe. Hier zerging seine Stimme in Rüh¬ rung über den geliebten ersten Garten seines Lebens und er redete die oben über die Sterne fliehende Erde an:
"Kugel der Thränen! Wohnung der Träume! "Land voll Schatten und Flecken! -- Ach auf dei¬ "nen breiten Schattenflecken *) werden jetzt die gu¬ "ten Menschen beben und untersinken! ... Ein "Ring aus Nebeln **) umkreiset dich und sie sehen
*) Unsere Erdmeere sehen in der Ferne wie die Flecken des Mondes aus.
**) Der Mondhof.
kenden Bruſt: »ach iſt es denn wahr? halt' ich dich »wirklich, mein Vaterland? — ach in ſolchen Ge¬ »filden der Ruhe werden die Wunden geheilt, die »Thraͤnen geſtillt, keine Seufzer gefodert, keine »Suͤnden begangen, ach da zerfließet ja das kleine »Menſchenherz vor zu voller Wonne und erſchaft ſich »wieder, um wieder zu zerfließen. . . .. So hab ich »dich laͤngſt gedacht, ſeeliges, magiſches, blendendes »Land, das an meine Erde graͤnzt. . . . O! liebe »Erde, wo biſt du wohl?«
Er hob das trunkne Auge in den mit Sternen bethaueten Himmel und ſah den erniedrigten Mond gelb und matt in Suͤden haͤngen: dieſen ſah er fuͤr die Erde an, aus der ihn der Tod in dieſes Elyſium getragen habe. Hier zerging ſeine Stimme in Ruͤh¬ rung uͤber den geliebten erſten Garten ſeines Lebens und er redete die oben uͤber die Sterne fliehende Erde an:
»Kugel der Thraͤnen! Wohnung der Traͤume! »Land voll Schatten und Flecken! — Ach auf dei¬ »nen breiten Schattenflecken *) werden jetzt die gu¬ »ten Menſchen beben und unterſinken! ... Ein »Ring aus Nebeln **) umkreiſet dich und ſie ſehen
*) Unſere Erdmeere ſehen in der Ferne wie die Flecken des Mondes aus.
**) Der Mondhof.
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kenden Bruſt: »ach iſt es denn wahr? halt' ich dich
»wirklich, mein Vaterland? — ach in ſolchen Ge¬
»filden der Ruhe werden die Wunden geheilt, die
»Thraͤnen geſtillt, keine Seufzer gefodert, keine
»Suͤnden begangen, ach da zerfließet ja das kleine
»Menſchenherz vor zu voller Wonne und erſchaft ſich
»wieder, um wieder zu zerfließen. . . .. So hab ich
»dich laͤngſt gedacht, ſeeliges, magiſches, blendendes
»Land, das an meine Erde graͤnzt. . . . O! liebe
»Erde, wo biſt du wohl?«
Er hob das trunkne Auge in den mit Sternen
bethaueten Himmel und ſah den erniedrigten Mond
gelb und matt in Suͤden haͤngen: dieſen ſah er fuͤr
die Erde an, aus der ihn der Tod in dieſes Elyſium
getragen habe. Hier zerging ſeine Stimme in Ruͤh¬
rung uͤber den geliebten erſten Garten ſeines Lebens
und er redete die oben uͤber die Sterne fliehende
Erde an:
»Kugel der Thraͤnen! Wohnung der Traͤume!
»Land voll Schatten und Flecken! — Ach auf dei¬
»nen breiten Schattenflecken *) werden jetzt die gu¬
»ten Menſchen beben und unterſinken! ... Ein
»Ring aus Nebeln **) umkreiſet dich und ſie ſehen
*) Unſere Erdmeere ſehen in der Ferne wie die Flecken des
Mondes aus.
**) Der Mondhof.
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/290>, abgerufen am 22.11.2024.
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