Natur ordnete stumm ihr Chaos im Gewitter. Kein Blitz schimmerte durch das Trauergerüste am Him¬ mel. Blos das Todtengeläute der Gewitterstürmer sprach noch fort und der Lichtpunkt rückte noch fort.
Unter der weiten Stille lag der Schlaf, die Träu¬ me und eines Freundes trostloses Herz.
In dieser Ewigkeits-Stille trat Emanuel ohne eine fremde Hand an die hohe Pforte, die schwarz hinaufsteigt über die Zeit. -- --
Die Stille ist die Sprache der Geisterwelt, der Sternenhimmel ihr Sprachgitter -- aber hinter dem Sternengitter erschien jetzt kein Geist, und Gott nicht.
Es kam die Minute wo der Mensch seinen Kör¬ per ansieht und dann sein Ich und dann schaudert. -- Das Ich steht allein neben seinem Schatten -- ein Schaumglobus von Wesen zittert, knistert und wird niedriger und man hört die Bläsgen verschwin¬ den und ist eines. --
Emanuel schauete hinein in die Ewigkeit, sie sah wie eine lange Nacht aus.
Er sah um sich, ob er keinen Schatten werfe, -- ein Schatten wirft keinen Schatten. --
Ach ein Stummer legt den Menschen in die Wiege, ein Stummer drückt ihn in's Grab -- Wenn er eine Freude hat, sieht es aus als lachte ein Schlafender -- wenn er jammert und weint, sieht
Hesperus. III. Th. S
Natur ordnete ſtumm ihr Chaos im Gewitter. Kein Blitz ſchimmerte durch das Trauergeruͤſte am Him¬ mel. Blos das Todtengelaͤute der Gewitterſtuͤrmer ſprach noch fort und der Lichtpunkt ruͤckte noch fort.
Unter der weiten Stille lag der Schlaf, die Traͤu¬ me und eines Freundes troſtloſes Herz.
In dieſer Ewigkeits-Stille trat Emanuel ohne eine fremde Hand an die hohe Pforte, die ſchwarz hinaufſteigt uͤber die Zeit. — —
Die Stille iſt die Sprache der Geiſterwelt, der Sternenhimmel ihr Sprachgitter — aber hinter dem Sternengitter erſchien jetzt kein Geiſt, und Gott nicht.
Es kam die Minute wo der Menſch ſeinen Koͤr¬ per anſieht und dann ſein Ich und dann ſchaudert. — Das Ich ſteht allein neben ſeinem Schatten — ein Schaumglobus von Weſen zittert, kniſtert und wird niedriger und man hoͤrt die Blaͤsgen verſchwin¬ den und iſt eines. —
Emanuel ſchauete hinein in die Ewigkeit, ſie ſah wie eine lange Nacht aus.
Er ſah um ſich, ob er keinen Schatten werfe, — ein Schatten wirft keinen Schatten. —
Ach ein Stummer legt den Menſchen in die Wiege, ein Stummer druͤckt ihn in's Grab — Wenn er eine Freude hat, ſieht es aus als lachte ein Schlafender — wenn er jammert und weint, ſieht
Heſperus. III. Th. S
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Natur ordnete ſtumm ihr Chaos im Gewitter. Kein
Blitz ſchimmerte durch das Trauergeruͤſte am Him¬
mel. Blos das Todtengelaͤute der Gewitterſtuͤrmer
ſprach noch fort und der Lichtpunkt ruͤckte noch fort.
Unter der weiten Stille lag der Schlaf, die Traͤu¬
me und eines Freundes troſtloſes Herz.
In dieſer Ewigkeits-Stille trat Emanuel ohne
eine fremde Hand an die hohe Pforte, die ſchwarz
hinaufſteigt uͤber die Zeit. — —
Die Stille iſt die Sprache der Geiſterwelt, der
Sternenhimmel ihr Sprachgitter — aber hinter
dem Sternengitter erſchien jetzt kein Geiſt, und Gott
nicht.
Es kam die Minute wo der Menſch ſeinen Koͤr¬
per anſieht und dann ſein Ich und dann ſchaudert.
— Das Ich ſteht allein neben ſeinem Schatten —
ein Schaumglobus von Weſen zittert, kniſtert und
wird niedriger und man hoͤrt die Blaͤsgen verſchwin¬
den und iſt eines. —
Emanuel ſchauete hinein in die Ewigkeit, ſie ſah
wie eine lange Nacht aus.
Er ſah um ſich, ob er keinen Schatten werfe,
— ein Schatten wirft keinen Schatten. —
Ach ein Stummer legt den Menſchen in die
Wiege, ein Stummer druͤckt ihn in's Grab — Wenn
er eine Freude hat, ſieht es aus als lachte ein
Schlafender — wenn er jammert und weint, ſieht
Heſperus. III. Th. S
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/283>, abgerufen am 22.11.2024.
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