Bruder täuscht und ihren Freund entfernt -- Vik¬ tor weicht an ihrem Geburtstage aus dem Garten, ohne sie anzureden, besucht darauf ihre Eltern wie¬ der und ist ganz erkaltet. -- Nun hört sie nichts mehr von ihm als höchstens Berichte seiner höfischen Freuden und seiner Besuche bei Joachimen -- -- -- Ja, du Gute, da mußten ja im Kampfe mit Wün¬ schen und mit Sorgen, im kranken Lechzen nach der geliebten Seele, da mußten ja alle deine Freuden ein¬ schlafen und deine Hoffnungen aussterben und deine unschuldigen Wangen erblassen. -- -- Da nun Vik¬ tor so diese trübe Vergangenheit durchdachte und sich erinnerte, wie ihr im Schauspielhause, wo er ihr seine Wissenschaft um ihre Verschwisterung zeig¬ te, die letzte Blüte der Wange, der letzte Zweig der Hoffnung wegbrach, weil sie sein bisheriges Schweigen für ein von seinem Vater befohlnes hal¬ ten konnte. -- Und da alle diese Züge in eine Him¬ melskönigin zusammenliefen, vor welcher das Nie¬ derknien leichter als das Umarmen ist. -- Und da er weiter bedachte, daß dieses edle von einem Emanuel verschönerte, und eines Emanuels würdige Herz sich doch mit allen seinen Himmeln dem wankelmüthigen Herzen des Schülers ergab -- und daß der Guten nicht einmal dieser bescheidene Wunsch gelang -- daß das Schicksal die Blüte ihrer Liebe wie die ei¬ ner Rosenstaude aufschob durch Verpflanzung, durch
Bruder taͤuſcht und ihren Freund entfernt — Vik¬ tor weicht an ihrem Geburtstage aus dem Garten, ohne ſie anzureden, beſucht darauf ihre Eltern wie¬ der und iſt ganz erkaltet. — Nun hoͤrt ſie nichts mehr von ihm als hoͤchſtens Berichte ſeiner hoͤfiſchen Freuden und ſeiner Beſuche bei Joachimen — — — Ja, du Gute, da mußten ja im Kampfe mit Wuͤn¬ ſchen und mit Sorgen, im kranken Lechzen nach der geliebten Seele, da mußten ja alle deine Freuden ein¬ ſchlafen und deine Hoffnungen ausſterben und deine unſchuldigen Wangen erblaſſen. — — Da nun Vik¬ tor ſo dieſe truͤbe Vergangenheit durchdachte und ſich erinnerte, wie ihr im Schauſpielhauſe, wo er ihr ſeine Wiſſenſchaft um ihre Verſchwiſterung zeig¬ te, die letzte Bluͤte der Wange, der letzte Zweig der Hoffnung wegbrach, weil ſie ſein bisheriges Schweigen fuͤr ein von ſeinem Vater befohlnes hal¬ ten konnte. — Und da alle dieſe Zuͤge in eine Him¬ melskoͤnigin zuſammenliefen, vor welcher das Nie¬ derknien leichter als das Umarmen iſt. — Und da er weiter bedachte, daß dieſes edle von einem Emanuel verſchoͤnerte, und eines Emanuels wuͤrdige Herz ſich doch mit allen ſeinen Himmeln dem wankelmuͤthigen Herzen des Schuͤlers ergab — und daß der Guten nicht einmal dieſer beſcheidene Wunſch gelang — daß das Schickſal die Bluͤte ihrer Liebe wie die ei¬ ner Roſenſtaude aufſchob durch Verpflanzung, durch
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Bruder taͤuſcht und ihren Freund entfernt — Vik¬
tor weicht an ihrem Geburtstage aus dem Garten,
ohne ſie anzureden, beſucht darauf ihre Eltern wie¬
der und iſt ganz erkaltet. — Nun hoͤrt ſie nichts
mehr von ihm als hoͤchſtens Berichte ſeiner hoͤfiſchen
Freuden und ſeiner Beſuche bei Joachimen — — —
Ja, du Gute, da mußten ja im Kampfe mit Wuͤn¬
ſchen und mit Sorgen, im kranken Lechzen nach der
geliebten Seele, da mußten ja alle deine Freuden ein¬
ſchlafen und deine Hoffnungen ausſterben und deine
unſchuldigen Wangen erblaſſen. — — Da nun Vik¬
tor ſo dieſe truͤbe Vergangenheit durchdachte und
ſich erinnerte, wie ihr im Schauſpielhauſe, wo er
ihr ſeine Wiſſenſchaft um ihre Verſchwiſterung zeig¬
te, die letzte Bluͤte der Wange, der letzte Zweig
der Hoffnung wegbrach, weil ſie ſein bisheriges
Schweigen fuͤr ein von ſeinem Vater befohlnes hal¬
ten konnte. — Und da alle dieſe Zuͤge in eine Him¬
melskoͤnigin zuſammenliefen, vor welcher das Nie¬
derknien leichter als das Umarmen iſt. — Und da er
weiter bedachte, daß dieſes edle von einem Emanuel
verſchoͤnerte, und eines Emanuels wuͤrdige Herz ſich
doch mit allen ſeinen Himmeln dem wankelmuͤthigen
Herzen des Schuͤlers ergab — und daß der Guten
nicht einmal dieſer beſcheidene Wunſch gelang —
daß das Schickſal die Bluͤte ihrer Liebe wie die ei¬
ner Roſenſtaude aufſchob durch Verpflanzung, durch
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/24>, abgerufen am 21.11.2024.
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