Setzen in Schatten, durch Beschneiden der Knospen im Frühjahr und Herbst. -- Und da er sah, daß gleichwol diese Edle mit dem Finger auf dem Mun¬ de, mit der Hand auf dem trüben Herzen, ohne ei¬ nen Wink ihres Grams geschieden wäre nach Maien¬ thal, und daß die moralische Kälte diese Blume, wie die physische die andern, erhob aber ihr da¬ durch die Wurzeln des Lebens abriß -- und da end¬ lich sein Traum am dritten Osterfeiertag, wo ihm vorkam als säh' er sie auf einem lichten Nebel sin¬ gend aus der Erde steigen, wie eine große Regen¬ wolke vorüberging und da der Traum mit ihrem er¬ blaßten Kolorit vor seiner schmachtenden warmen Seele stille stand, und da eine Stimme aus dem Traum ihn fragte: "wirst du sie lange lieben, da "sich Engel nach ihr sehnen und sie aus dem Kum¬ "mer heben und dir nichts lassen als das Grab des "zu lang verkannten Herzens?" -- -- da alle diese Gedanken glühend und aneinandergereihet wie Hü¬ gelketten von rothen Abendwolken um seine Seele zogen: So wurde sein Herz wie ein Altar durch ein vom Himmel fallendes Opferfeuer bedeckt und alle seine erdigten Lüste, alle seine Fettflecken vergingen in diesem Feuer -- kurz, er beschloß, sich zu bessern, um durch Tugend würdig zu seyn einer Tugend¬ haften.
Setzen in Schatten, durch Beſchneiden der Knoſpen im Fruͤhjahr und Herbſt. — Und da er ſah, daß gleichwol dieſe Edle mit dem Finger auf dem Mun¬ de, mit der Hand auf dem truͤben Herzen, ohne ei¬ nen Wink ihres Grams geſchieden waͤre nach Maien¬ thal, und daß die moraliſche Kaͤlte dieſe Blume, wie die phyſiſche die andern, erhob aber ihr da¬ durch die Wurzeln des Lebens abriß — und da end¬ lich ſein Traum am dritten Oſterfeiertag, wo ihm vorkam als ſaͤh' er ſie auf einem lichten Nebel ſin¬ gend aus der Erde ſteigen, wie eine große Regen¬ wolke voruͤberging und da der Traum mit ihrem er¬ blaßten Kolorit vor ſeiner ſchmachtenden warmen Seele ſtille ſtand, und da eine Stimme aus dem Traum ihn fragte: »wirſt du ſie lange lieben, da »ſich Engel nach ihr ſehnen und ſie aus dem Kum¬ »mer heben und dir nichts laſſen als das Grab des »zu lang verkannten Herzens?» — — da alle dieſe Gedanken gluͤhend und aneinandergereihet wie Huͤ¬ gelketten von rothen Abendwolken um ſeine Seele zogen: So wurde ſein Herz wie ein Altar durch ein vom Himmel fallendes Opferfeuer bedeckt und alle ſeine erdigten Luͤſte, alle ſeine Fettflecken vergingen in dieſem Feuer — kurz, er beſchloß, ſich zu beſſern, um durch Tugend wuͤrdig zu ſeyn einer Tugend¬ haften.
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Setzen in Schatten, durch Beſchneiden der Knoſpen
im Fruͤhjahr und Herbſt. — Und da er ſah, daß
gleichwol dieſe Edle mit dem Finger auf dem Mun¬
de, mit der Hand auf dem truͤben Herzen, ohne ei¬
nen Wink ihres Grams geſchieden waͤre nach Maien¬
thal, und daß die moraliſche Kaͤlte dieſe Blume,
wie die phyſiſche die andern, erhob aber ihr da¬
durch die Wurzeln des Lebens abriß — und da end¬
lich ſein Traum am dritten Oſterfeiertag, wo ihm
vorkam als ſaͤh' er ſie auf einem lichten Nebel ſin¬
gend aus der Erde ſteigen, wie eine große Regen¬
wolke voruͤberging und da der Traum mit ihrem er¬
blaßten Kolorit vor ſeiner ſchmachtenden warmen
Seele ſtille ſtand, und da eine Stimme aus dem
Traum ihn fragte: »wirſt du ſie lange lieben, da
»ſich Engel nach ihr ſehnen und ſie aus dem Kum¬
»mer heben und dir nichts laſſen als das Grab des
»zu lang verkannten Herzens?» — — da alle dieſe
Gedanken gluͤhend und aneinandergereihet wie Huͤ¬
gelketten von rothen Abendwolken um ſeine Seele
zogen: So wurde ſein Herz wie ein Altar durch ein
vom Himmel fallendes Opferfeuer bedeckt und alle
ſeine erdigten Luͤſte, alle ſeine Fettflecken vergingen
in dieſem Feuer — kurz, er beſchloß, ſich zu beſſern,
um durch Tugend wuͤrdig zu ſeyn einer Tugend¬
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/25>, abgerufen am 21.11.2024.
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