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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

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Die Stimme der edeln Sängerin unterlag der
Wehmuth, aber sie sang doch die letzte der Strophen die¬
ses Sphären-Liedes, obwohl leiser in der schmerz¬
haften Ueberwältigung:

Das arme Herz hienieden
Von manchem Sturm bewegt,
Erlangt den wahren Frieden
Nur wo es nicht mehr schlägt.

Ihre Stimme brach, wie ein Auge bricht oder ein
Herz. . . . Ihr Freund hüllte sein Haupt in die
Blätter der Laube -- das ganze Erdenleben zog wie
eine Klage vorüber. -- Klotildens schwere Vergan¬
genheit, Klotildens düstere Zukunft rückten zusam¬
men vor seinem Auge und warfen im dunkeln den
Leichenschleier über diesen Engel und zogen sie ver¬
hüllet in das Grab zur Schwester. . . . Er hatte
sogar den Abschied vergessen . . . er hatte nicht den
Muth, die große Szene um sich anzuschauen und die
Gebeugte neben sich . . .

Er hörte die Kleine gehen und sagen: ich hole
dir ein größeres Kissen unter den Kopf.

Klotilde stand auf und faßte seine Hand -- er
kehrte sich wieder um in die Erde -- und sie schaue¬
te ihn an mit einem verweinten aber zärtlichen Auge,
dessen Tropfen zu rein waren für diese schmutzige

O2

Die Stimme der edeln Saͤngerin unterlag der
Wehmuth, aber ſie ſang doch die letzte der Strophen die¬
ſes Sphaͤren-Liedes, obwohl leiſer in der ſchmerz¬
haften Ueberwaͤltigung:

Das arme Herz hienieden
Von manchem Sturm bewegt,
Erlangt den wahren Frieden
Nur wo es nicht mehr ſchlaͤgt.

Ihre Stimme brach, wie ein Auge bricht oder ein
Herz. . . . Ihr Freund huͤllte ſein Haupt in die
Blaͤtter der Laube — das ganze Erdenleben zog wie
eine Klage voruͤber. — Klotildens ſchwere Vergan¬
genheit, Klotildens duͤſtere Zukunft ruͤckten zuſam¬
men vor ſeinem Auge und warfen im dunkeln den
Leichenſchleier uͤber dieſen Engel und zogen ſie ver¬
huͤllet in das Grab zur Schweſter. . . . Er hatte
ſogar den Abſchied vergeſſen . . . er hatte nicht den
Muth, die große Szene um ſich anzuſchauen und die
Gebeugte neben ſich . . .

Er hoͤrte die Kleine gehen und ſagen: ich hole
dir ein groͤßeres Kiſſen unter den Kopf.

Klotilde ſtand auf und faßte ſeine Hand — er
kehrte ſich wieder um in die Erde — und ſie ſchaue¬
te ihn an mit einem verweinten aber zaͤrtlichen Auge,
deſſen Tropfen zu rein waren fuͤr dieſe ſchmutzige

O2
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[211/0221] Die Stimme der edeln Saͤngerin unterlag der Wehmuth, aber ſie ſang doch die letzte der Strophen die¬ ſes Sphaͤren-Liedes, obwohl leiſer in der ſchmerz¬ haften Ueberwaͤltigung: Das arme Herz hienieden Von manchem Sturm bewegt, Erlangt den wahren Frieden Nur wo es nicht mehr ſchlaͤgt. Ihre Stimme brach, wie ein Auge bricht oder ein Herz. . . . Ihr Freund huͤllte ſein Haupt in die Blaͤtter der Laube — das ganze Erdenleben zog wie eine Klage voruͤber. — Klotildens ſchwere Vergan¬ genheit, Klotildens duͤſtere Zukunft ruͤckten zuſam¬ men vor ſeinem Auge und warfen im dunkeln den Leichenſchleier uͤber dieſen Engel und zogen ſie ver¬ huͤllet in das Grab zur Schweſter. . . . Er hatte ſogar den Abſchied vergeſſen . . . er hatte nicht den Muth, die große Szene um ſich anzuſchauen und die Gebeugte neben ſich . . . Er hoͤrte die Kleine gehen und ſagen: ich hole dir ein groͤßeres Kiſſen unter den Kopf. Klotilde ſtand auf und faßte ſeine Hand — er kehrte ſich wieder um in die Erde — und ſie ſchaue¬ te ihn an mit einem verweinten aber zaͤrtlichen Auge, deſſen Tropfen zu rein waren fuͤr dieſe ſchmutzige O2

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/221>, abgerufen am 24.11.2024.