Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

niemals die Gründe, die er hatte und die ich im
nächsten Schalttage anzeigen will, dem unschuldigen
Wahn entgegen: "aus dem Traume und aus der
"Unabhängigkeit des Ichs vom Körper könne man
"auf die [ - 1 Zeichen fehlt]ünftige nach dem Tode schließen -- im
"Traume stäube sich der innere Demant ab und sau¬
"ge Licht aus einer schönern Sonne ein." -- Vik¬
tor erschrack darüber, aber aus andern Gründen:
Julius nahm beide an den Ort der Unterredung mit,
der in der verfinsterten Allee neben der Blütenhöle
war. Niemand war da, nichts erschien, Blätter li¬
spelten, aber keine Geister, es war der Ort der
Seeligkeit, aber der irdischen. --

Viktor ging in den andern, in die Abtei. Klo¬
tilde war nicht droben, sondern im verschlungnen
Labyrinth des Parks, wahrscheinlich um dem Inha¬
ber vom Engels-Briefe, Julius, die Gelegenheit
des Vorlesens zu erleichtern. Er nahm, als die
Sonne gerade den Fensterscheiben gegenüber brannte,
von der guten Aebtissin mit jener feinen gerührten
Höflichkeit Abschied, auf die sich in ihrem Stande
der höchste Enthusiasmus einschränkte. Die feine
Aebtissin sagte ihm: "sein Besuch sey so kurz, daß
"er unverzeihlich wäre, wenn nicht Viktor es da¬
"durch gutmachte, daß er ihren zweiten Frühlings¬
"Gast (Klotilden) überredete, den ihrigen zu verlän¬

niemals die Gruͤnde, die er hatte und die ich im
naͤchſten Schalttage anzeigen will, dem unſchuldigen
Wahn entgegen: »aus dem Traume und aus der
»Unabhaͤngigkeit des Ichs vom Koͤrper koͤnne man
»auf die [ – 1 Zeichen fehlt]uͤnftige nach dem Tode ſchließen — im
»Traume ſtaͤube ſich der innere Demant ab und ſau¬
»ge Licht aus einer ſchoͤnern Sonne ein.» — Vik¬
tor erſchrack daruͤber, aber aus andern Gruͤnden:
Julius nahm beide an den Ort der Unterredung mit,
der in der verfinſterten Allee neben der Bluͤtenhoͤle
war. Niemand war da, nichts erſchien, Blaͤtter li¬
ſpelten, aber keine Geiſter, es war der Ort der
Seeligkeit, aber der irdiſchen. —

Viktor ging in den andern, in die Abtei. Klo¬
tilde war nicht droben, ſondern im verſchlungnen
Labyrinth des Parks, wahrſcheinlich um dem Inha¬
ber vom Engels-Briefe, Julius, die Gelegenheit
des Vorleſens zu erleichtern. Er nahm, als die
Sonne gerade den Fenſterſcheiben gegenuͤber brannte,
von der guten Aebtiſſin mit jener feinen geruͤhrten
Hoͤflichkeit Abſchied, auf die ſich in ihrem Stande
der hoͤchſte Enthuſiasmus einſchraͤnkte. Die feine
Aebtiſſin ſagte ihm: »ſein Beſuch ſey ſo kurz, daß
»er unverzeihlich waͤre, wenn nicht Viktor es da¬
»durch gutmachte, daß er ihren zweiten Fruͤhlings¬
»Gaſt (Klotilden) uͤberredete, den ihrigen zu verlaͤn¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0212" n="202"/>
niemals die Gru&#x0364;nde, die er hatte und die ich im<lb/>
na&#x0364;ch&#x017F;ten Schalttage anzeigen will, dem un&#x017F;chuldigen<lb/>
Wahn entgegen: »aus dem Traume und aus der<lb/>
»Unabha&#x0364;ngigkeit des Ichs vom Ko&#x0364;rper ko&#x0364;nne man<lb/>
»auf die <gap unit="chars" quantity="1"/>u&#x0364;nftige nach dem Tode &#x017F;chließen &#x2014; im<lb/>
»Traume &#x017F;ta&#x0364;ube &#x017F;ich der innere Demant ab und &#x017F;au¬<lb/>
»ge Licht aus einer &#x017F;cho&#x0364;nern Sonne ein.» &#x2014; Vik¬<lb/>
tor er&#x017F;chrack daru&#x0364;ber, aber aus andern Gru&#x0364;nden:<lb/>
Julius nahm beide an den Ort der Unterredung mit,<lb/>
der in der verfin&#x017F;terten Allee neben der Blu&#x0364;tenho&#x0364;le<lb/>
war. Niemand war da, nichts er&#x017F;chien, Bla&#x0364;tter li¬<lb/>
&#x017F;pelten, aber keine Gei&#x017F;ter, es war der Ort der<lb/>
Seeligkeit, aber der irdi&#x017F;chen. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Viktor ging in den andern, in die Abtei. Klo¬<lb/>
tilde war nicht droben, &#x017F;ondern im ver&#x017F;chlungnen<lb/>
Labyrinth des Parks, wahr&#x017F;cheinlich um dem Inha¬<lb/>
ber vom Engels-Briefe, Julius, die Gelegenheit<lb/>
des Vorle&#x017F;ens zu erleichtern. Er nahm, als die<lb/>
Sonne gerade den Fen&#x017F;ter&#x017F;cheiben gegenu&#x0364;ber brannte,<lb/>
von der guten Aebti&#x017F;&#x017F;in mit jener feinen geru&#x0364;hrten<lb/>
Ho&#x0364;flichkeit Ab&#x017F;chied, auf die &#x017F;ich in ihrem Stande<lb/>
der ho&#x0364;ch&#x017F;te Enthu&#x017F;iasmus ein&#x017F;chra&#x0364;nkte. Die feine<lb/>
Aebti&#x017F;&#x017F;in &#x017F;agte ihm: »&#x017F;ein Be&#x017F;uch &#x017F;ey &#x017F;o kurz, daß<lb/>
»er unverzeihlich wa&#x0364;re, wenn nicht Viktor es da¬<lb/>
»durch gutmachte, daß er ihren zweiten Fru&#x0364;hlings¬<lb/>
»Ga&#x017F;t (Klotilden) u&#x0364;berredete, den ihrigen zu verla&#x0364;<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[202/0212] niemals die Gruͤnde, die er hatte und die ich im naͤchſten Schalttage anzeigen will, dem unſchuldigen Wahn entgegen: »aus dem Traume und aus der »Unabhaͤngigkeit des Ichs vom Koͤrper koͤnne man »auf die _uͤnftige nach dem Tode ſchließen — im »Traume ſtaͤube ſich der innere Demant ab und ſau¬ »ge Licht aus einer ſchoͤnern Sonne ein.» — Vik¬ tor erſchrack daruͤber, aber aus andern Gruͤnden: Julius nahm beide an den Ort der Unterredung mit, der in der verfinſterten Allee neben der Bluͤtenhoͤle war. Niemand war da, nichts erſchien, Blaͤtter li¬ ſpelten, aber keine Geiſter, es war der Ort der Seeligkeit, aber der irdiſchen. — Viktor ging in den andern, in die Abtei. Klo¬ tilde war nicht droben, ſondern im verſchlungnen Labyrinth des Parks, wahrſcheinlich um dem Inha¬ ber vom Engels-Briefe, Julius, die Gelegenheit des Vorleſens zu erleichtern. Er nahm, als die Sonne gerade den Fenſterſcheiben gegenuͤber brannte, von der guten Aebtiſſin mit jener feinen geruͤhrten Hoͤflichkeit Abſchied, auf die ſich in ihrem Stande der hoͤchſte Enthuſiasmus einſchraͤnkte. Die feine Aebtiſſin ſagte ihm: »ſein Beſuch ſey ſo kurz, daß »er unverzeihlich waͤre, wenn nicht Viktor es da¬ »durch gutmachte, daß er ihren zweiten Fruͤhlings¬ »Gaſt (Klotilden) uͤberredete, den ihrigen zu verlaͤn¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/212
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/212>, abgerufen am 04.05.2024.