ging mit ihm zu Dahore zurück und hier erzählte Julius seinem Lehrer jedes Wort des vorgeblichen Gartengesprächs mit ihm: "z. B. über Viktor, über Klotilde, über seinen heutigen Abschied, über die bisherigen frohen Tage."
Während der Erzählung wurde Emanuels Ange¬ sicht glänzend als wenn Mondsschimmer davon nie¬ derflöße -- und anstatt dem geliebten Kinde die Un¬ möglichkeit seiner Erscheinung im Garten vorzustel¬ len, räumte er sie ihm ein und sagte entzückt: "ich "werde sterben! -- Es war mein abgeschiedener Va¬ "ter -- seine Stimme klingt wie meine -- er ver¬ "hieß mir in seinem Sterben, aus der zweiten Welt "in diese zu kommen eh' ich von hinnen ginge. -- "Ach ihr Geliebten drüben über den Gräbern, ihr "denkt also noch an mich -- o! du guter Vater, "dringe jetzt mit deinem tödlichen Glanze vor mich "heran und löse mich an deinem Munde auf!" --
Er wurde noch mehr darin befestigt, weil Julius dazu erzählte, die Gestalt habe sich von ihm den Brief des Engels reichen lassen, ihn aber nach einem kleinen Lispeln wieder zurückgegeben. Das Siegel war unbeschädigt. Emanuels freudiger Enthusias¬ mus über diese Steganographie des Todes setzte un¬ zufriedene Schlüße aus seiner bisherigen Gesundheit voraus. Viktor lehnte sich nie gegen die erhabnen Irrthümer seines Lehrers auf; so stellte er z. B.
ging mit ihm zu Dahore zuruͤck und hier erzaͤhlte Julius ſeinem Lehrer jedes Wort des vorgeblichen Gartengeſpraͤchs mit ihm: »z. B. uͤber Viktor, uͤber Klotilde, uͤber ſeinen heutigen Abſchied, uͤber die bisherigen frohen Tage.»
Waͤhrend der Erzaͤhlung wurde Emanuels Ange¬ ſicht glaͤnzend als wenn Mondsſchimmer davon nie¬ derfloͤße — und anſtatt dem geliebten Kinde die Un¬ moͤglichkeit ſeiner Erſcheinung im Garten vorzuſtel¬ len, raͤumte er ſie ihm ein und ſagte entzuͤckt: »ich »werde ſterben! — Es war mein abgeſchiedener Va¬ »ter — ſeine Stimme klingt wie meine — er ver¬ »hieß mir in ſeinem Sterben, aus der zweiten Welt »in dieſe zu kommen eh' ich von hinnen ginge. — »Ach ihr Geliebten druͤben uͤber den Graͤbern, ihr »denkt alſo noch an mich — o! du guter Vater, »dringe jetzt mit deinem toͤdlichen Glanze vor mich »heran und loͤſe mich an deinem Munde auf!» —
Er wurde noch mehr darin befeſtigt, weil Julius dazu erzaͤhlte, die Geſtalt habe ſich von ihm den Brief des Engels reichen laſſen, ihn aber nach einem kleinen Liſpeln wieder zuruͤckgegeben. Das Siegel war unbeſchaͤdigt. Emanuels freudiger Enthuſias¬ mus uͤber dieſe Steganographie des Todes ſetzte un¬ zufriedene Schluͤße aus ſeiner bisherigen Geſundheit voraus. Viktor lehnte ſich nie gegen die erhabnen Irrthuͤmer ſeines Lehrers auf; ſo ſtellte er z. B.
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[201/0211]
ging mit ihm zu Dahore zuruͤck und hier erzaͤhlte
Julius ſeinem Lehrer jedes Wort des vorgeblichen
Gartengeſpraͤchs mit ihm: »z. B. uͤber Viktor, uͤber
Klotilde, uͤber ſeinen heutigen Abſchied, uͤber die
bisherigen frohen Tage.»
Waͤhrend der Erzaͤhlung wurde Emanuels Ange¬
ſicht glaͤnzend als wenn Mondsſchimmer davon nie¬
derfloͤße — und anſtatt dem geliebten Kinde die Un¬
moͤglichkeit ſeiner Erſcheinung im Garten vorzuſtel¬
len, raͤumte er ſie ihm ein und ſagte entzuͤckt: »ich
»werde ſterben! — Es war mein abgeſchiedener Va¬
»ter — ſeine Stimme klingt wie meine — er ver¬
»hieß mir in ſeinem Sterben, aus der zweiten Welt
»in dieſe zu kommen eh' ich von hinnen ginge. —
»Ach ihr Geliebten druͤben uͤber den Graͤbern, ihr
»denkt alſo noch an mich — o! du guter Vater,
»dringe jetzt mit deinem toͤdlichen Glanze vor mich
»heran und loͤſe mich an deinem Munde auf!» —
Er wurde noch mehr darin befeſtigt, weil Julius
dazu erzaͤhlte, die Geſtalt habe ſich von ihm den
Brief des Engels reichen laſſen, ihn aber nach einem
kleinen Liſpeln wieder zuruͤckgegeben. Das Siegel
war unbeſchaͤdigt. Emanuels freudiger Enthuſias¬
mus uͤber dieſe Steganographie des Todes ſetzte un¬
zufriedene Schluͤße aus ſeiner bisherigen Geſundheit
voraus. Viktor lehnte ſich nie gegen die erhabnen
Irrthuͤmer ſeines Lehrers auf; ſo ſtellte er z. B.
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/211>, abgerufen am 03.05.2024.
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