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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

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diesem Schubladenweise herausgezognen Terrassen
und Stockwerken. Diese fünf Ebenen, diese einge¬
hauene grünende Stufen, hielten eben so viel ver¬
schiedene Gärten, Baum-Staudengärten etc. empor
-- daher wurde durch jeden neuen Standpunkt wie
durch einen metamorphotischen Spiegel aus dem al¬
ten Garten ein neuer zusammengerückt. Den ab¬
schüssigen Park faßten auf beiden Seiten zwei
Schlangengänge hoher, wankender, brennender Blumen
wie zwei hinunter wehende Treppengeländer ein und
hinter jeder Blumen-Schlangenlinie ringelte sich
oben vom Berge silbernes Geäder mit hellem dün¬
nem auf- und niederspringenden Gewässer herab*),
das in der Abendsonne eine in aufrechten Windungen
daliegende Goldschlange oder Ichor Schlagader wur¬
de. Auf der obersten letzten Terrasse standen einan¬
der die Abend- und die Morgenlaube als die
Pole des Gartens gegenüber und die Abendfon¬
taine
glimmte über jener und die Morgenson¬
taine
über dieser empor und beide sahen zu eiander
wie Mond und Sonne herüber.

Und gerade an der Abendfontaine hatte Emanuel
seinen Zwischengarten. Denn er liebte als Indier

*) Man hielt den in Bogen auf- und niedergehenden Silber¬
faden für herunterrieselnde Quelle; aber die Bogen
mehrerer schief-springender Fontainen waren in solche Ent¬
fernungen gestellt, daß der eine den andern fortsetze.
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dieſem Schubladenweiſe herausgezognen Terraſſen
und Stockwerken. Dieſe fuͤnf Ebenen, dieſe einge¬
hauene gruͤnende Stufen, hielten eben ſo viel ver¬
ſchiedene Gaͤrten, Baum-Staudengaͤrten ꝛc. empor
— daher wurde durch jeden neuen Standpunkt wie
durch einen metamorphotiſchen Spiegel aus dem al¬
ten Garten ein neuer zuſammengeruͤckt. Den ab¬
ſchuͤſſigen Park faßten auf beiden Seiten zwei
Schlangengaͤnge hoher, wankender, brennender Blumen
wie zwei hinunter wehende Treppengelaͤnder ein und
hinter jeder Blumen-Schlangenlinie ringelte ſich
oben vom Berge ſilbernes Geaͤder mit hellem duͤn¬
nem auf- und niederſpringenden Gewaͤſſer herab*),
das in der Abendſonne eine in aufrechten Windungen
daliegende Goldſchlange oder Ichor Schlagader wur¬
de. Auf der oberſten letzten Terraſſe ſtanden einan¬
der die Abend- und die Morgenlaube als die
Pole des Gartens gegenuͤber und die Abendfon¬
taine
glimmte uͤber jener und die Morgenſon¬
taine
uͤber dieſer empor und beide ſahen zu eiander
wie Mond und Sonne heruͤber.

Und gerade an der Abendfontaine hatte Emanuel
ſeinen Zwiſchengarten. Denn er liebte als Indier

*) Man hielt den in Bogen auf- und niedergehenden Silber¬
faden für herunterrieſelnde Quelle; aber die Bogen
mehrerer ſchief-ſpringender Fontainen waren in ſolche Ent¬
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[179/0189] dieſem Schubladenweiſe herausgezognen Terraſſen und Stockwerken. Dieſe fuͤnf Ebenen, dieſe einge¬ hauene gruͤnende Stufen, hielten eben ſo viel ver¬ ſchiedene Gaͤrten, Baum-Staudengaͤrten ꝛc. empor — daher wurde durch jeden neuen Standpunkt wie durch einen metamorphotiſchen Spiegel aus dem al¬ ten Garten ein neuer zuſammengeruͤckt. Den ab¬ ſchuͤſſigen Park faßten auf beiden Seiten zwei Schlangengaͤnge hoher, wankender, brennender Blumen wie zwei hinunter wehende Treppengelaͤnder ein und hinter jeder Blumen-Schlangenlinie ringelte ſich oben vom Berge ſilbernes Geaͤder mit hellem duͤn¬ nem auf- und niederſpringenden Gewaͤſſer herab *), das in der Abendſonne eine in aufrechten Windungen daliegende Goldſchlange oder Ichor Schlagader wur¬ de. Auf der oberſten letzten Terraſſe ſtanden einan¬ der die Abend- und die Morgenlaube als die Pole des Gartens gegenuͤber und die Abendfon¬ taine glimmte uͤber jener und die Morgenſon¬ taine uͤber dieſer empor und beide ſahen zu eiander wie Mond und Sonne heruͤber. Und gerade an der Abendfontaine hatte Emanuel ſeinen Zwiſchengarten. Denn er liebte als Indier *) Man hielt den in Bogen auf- und niedergehenden Silber¬ faden für herunterrieſelnde Quelle; aber die Bogen mehrerer ſchief-ſpringender Fontainen waren in ſolche Ent¬ fernungen geſtellt, daß der eine den andern fortſetze. M 2

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/189>, abgerufen am 03.05.2024.