ging, floßen ihnen wie Blumendüfte nach. -- -- Aber siehe, als die Erde noch die Vergoldung im Feuer der Sonne trug, als noch die Abendfontaine wie eine Fackel oben brannte, als in einem großen Eichenbaum des Gartens, in dem bunte Glaskugeln statt der Früchte eingeimpfet waren, zwanzig rothe Sonnen aus den Blättern funkelten -- siehe da floß eine erwärmte Wolke auseinander und tropfte ganz in das Abendfeuer und auf die glimmende Wasser¬ säule. . . . .
Die den Bäumen nähern Nonnen flogen unter das Laub; aber Klotilde, die den langsamen Gang schöner und tugendhafter für eine weibliche Seele fand, ging ohne Eile der nachbarlichen "Abendlaube" zu, die, über den Garten erhoben, ihr dichtes Blät¬ terwerk nirgends aufthut als vor der untergehenden Sonne. -- Nein, es war ein Engel, es war Klo¬ tildens Schwester, Giulia, die auf der zarten Wol¬ ke ruhte und durch sie ihre Freudenthränen fallen ließ, um ihre Freundin, deren Arm in des Gelieb¬ ten seinem wie in einem Verbande lag, in die glim¬ mende Laube zu drängen, wo zwei schöne Herzen vor Wonne sterben sollten. Klotilde verweilte noch un¬ ter dem Perlen- und Goldsand-Regen und glich den stillen Tauben um sie her, die auf allen Dächern ihre reinen Flügel wie bunte Regenschirme ausein¬
ging, floßen ihnen wie Blumenduͤfte nach. — — Aber ſiehe, als die Erde noch die Vergoldung im Feuer der Sonne trug, als noch die Abendfontaine wie eine Fackel oben brannte, als in einem großen Eichenbaum des Gartens, in dem bunte Glaskugeln ſtatt der Fruͤchte eingeimpfet waren, zwanzig rothe Sonnen aus den Blaͤttern funkelten — ſiehe da floß eine erwaͤrmte Wolke auseinander und tropfte ganz in das Abendfeuer und auf die glimmende Waſſer¬ ſaͤule. . . . .
Die den Baͤumen naͤhern Nonnen flogen unter das Laub; aber Klotilde, die den langſamen Gang ſchoͤner und tugendhafter fuͤr eine weibliche Seele fand, ging ohne Eile der nachbarlichen »Abendlaube» zu, die, uͤber den Garten erhoben, ihr dichtes Blaͤt¬ terwerk nirgends aufthut als vor der untergehenden Sonne. — Nein, es war ein Engel, es war Klo¬ tildens Schweſter, Giulia, die auf der zarten Wol¬ ke ruhte und durch ſie ihre Freudenthraͤnen fallen ließ, um ihre Freundin, deren Arm in des Gelieb¬ ten ſeinem wie in einem Verbande lag, in die glim¬ mende Laube zu draͤngen, wo zwei ſchoͤne Herzen vor Wonne ſterben ſollten. Klotilde verweilte noch un¬ ter dem Perlen- und Goldſand-Regen und glich den ſtillen Tauben um ſie her, die auf allen Daͤchern ihre reinen Fluͤgel wie bunte Regenſchirme ausein¬
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ging, floßen ihnen wie Blumenduͤfte nach. — —
Aber ſiehe, als die Erde noch die Vergoldung im
Feuer der Sonne trug, als noch die Abendfontaine
wie eine Fackel oben brannte, als in einem großen
Eichenbaum des Gartens, in dem bunte Glaskugeln
ſtatt der Fruͤchte eingeimpfet waren, zwanzig rothe
Sonnen aus den Blaͤttern funkelten — ſiehe da floß
eine erwaͤrmte Wolke auseinander und tropfte ganz
in das Abendfeuer und auf die glimmende Waſſer¬
ſaͤule. . . . .
Die den Baͤumen naͤhern Nonnen flogen unter
das Laub; aber Klotilde, die den langſamen Gang
ſchoͤner und tugendhafter fuͤr eine weibliche Seele
fand, ging ohne Eile der nachbarlichen »Abendlaube»
zu, die, uͤber den Garten erhoben, ihr dichtes Blaͤt¬
terwerk nirgends aufthut als vor der untergehenden
Sonne. — Nein, es war ein Engel, es war Klo¬
tildens Schweſter, Giulia, die auf der zarten Wol¬
ke ruhte und durch ſie ihre Freudenthraͤnen fallen
ließ, um ihre Freundin, deren Arm in des Gelieb¬
ten ſeinem wie in einem Verbande lag, in die glim¬
mende Laube zu draͤngen, wo zwei ſchoͤne Herzen vor
Wonne ſterben ſollten. Klotilde verweilte noch un¬
ter dem Perlen- und Goldſand-Regen und glich den
ſtillen Tauben um ſie her, die auf allen Daͤchern
ihre reinen Fluͤgel wie bunte Regenſchirme ausein¬
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/176>, abgerufen am 21.11.2024.
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