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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

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der Träume war der Polster aus hohem Grase ge¬
macht und die Arme des Sitzes aus Blütenzweigen
und die Rücken-Lehne aus gedrängten Blumen und
die Luft aus dem Hauche von stäubendem Zwergobst
-- Dieses Blumen-Allerheiligste wurde nur von Bie¬
nen und Träumen bewohnt, nur von weissen Blüten
erhellt, es hatte statt des Abendroths nur den Pur¬
pur der Nachtviole, statt des Himmelblaues nur den
Azur der Hollunderblüte, und der Seelige darin
wurde nur von Bienenflügeln und von den um ihn
versammelten fünf Mündungen der Bäche in den
Schlummer eingesungen, in welchem die ferne Nach¬
tigal die Harmonika- und Abendglocken des
Traumes anschlug. . . .

-- Und da heute Viktor die fünf Stufen betrat
und die aus Blüten gewobene Tapetenthür des Him¬
mels auseinander that: siehe! da -- o du Seeliger
disseits des Todes! -- ruhte darin eine Heilige mit
weinenden Augen, in Philomelens verklungne Klagen
untergesunken . . . Du, Klotilde warst es, und dach¬
test an Ihn mit weicherer Seele, und mit größerer
Liebe -- und er an dich jetzt mit der erwiederten!
-- Ach wenn zwei liebende Menschen einander in
der nämlichen Rührung begegnen: dann erst ach¬
ten sie das menschliche Herz und seine Liebe und
sein Glück! -- Decke, Klotide, mit keiner Blüte die
Thränen zu, unter denen deine Wangen erröthen,

der Traͤume war der Polſter aus hohem Graſe ge¬
macht und die Arme des Sitzes aus Bluͤtenzweigen
und die Ruͤcken-Lehne aus gedraͤngten Blumen und
die Luft aus dem Hauche von ſtaͤubendem Zwergobſt
— Dieſes Blumen-Allerheiligſte wurde nur von Bie¬
nen und Traͤumen bewohnt, nur von weiſſen Bluͤten
erhellt, es hatte ſtatt des Abendroths nur den Pur¬
pur der Nachtviole, ſtatt des Himmelblaues nur den
Azur der Hollunderbluͤte, und der Seelige darin
wurde nur von Bienenfluͤgeln und von den um ihn
verſammelten fuͤnf Muͤndungen der Baͤche in den
Schlummer eingeſungen, in welchem die ferne Nach¬
tigal die Harmonika- und Abendglocken des
Traumes anſchlug. . . .

— Und da heute Viktor die fuͤnf Stufen betrat
und die aus Bluͤten gewobene Tapetenthuͤr des Him¬
mels auseinander that: ſiehe! da — o du Seeliger
diſſeits des Todes! — ruhte darin eine Heilige mit
weinenden Augen, in Philomelens verklungne Klagen
untergeſunken . . . Du, Klotilde warſt es, und dach¬
teſt an Ihn mit weicherer Seele, und mit groͤßerer
Liebe — und er an dich jetzt mit der erwiederten!
— Ach wenn zwei liebende Menſchen einander in
der naͤmlichen Ruͤhrung begegnen: dann erſt ach¬
ten ſie das menſchliche Herz und ſeine Liebe und
ſein Gluͤck! — Decke, Klotide, mit keiner Bluͤte die
Thraͤnen zu, unter denen deine Wangen erroͤthen,

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[139/0149] der Traͤume war der Polſter aus hohem Graſe ge¬ macht und die Arme des Sitzes aus Bluͤtenzweigen und die Ruͤcken-Lehne aus gedraͤngten Blumen und die Luft aus dem Hauche von ſtaͤubendem Zwergobſt — Dieſes Blumen-Allerheiligſte wurde nur von Bie¬ nen und Traͤumen bewohnt, nur von weiſſen Bluͤten erhellt, es hatte ſtatt des Abendroths nur den Pur¬ pur der Nachtviole, ſtatt des Himmelblaues nur den Azur der Hollunderbluͤte, und der Seelige darin wurde nur von Bienenfluͤgeln und von den um ihn verſammelten fuͤnf Muͤndungen der Baͤche in den Schlummer eingeſungen, in welchem die ferne Nach¬ tigal die Harmonika- und Abendglocken des Traumes anſchlug. . . . — Und da heute Viktor die fuͤnf Stufen betrat und die aus Bluͤten gewobene Tapetenthuͤr des Him¬ mels auseinander that: ſiehe! da — o du Seeliger diſſeits des Todes! — ruhte darin eine Heilige mit weinenden Augen, in Philomelens verklungne Klagen untergeſunken . . . Du, Klotilde warſt es, und dach¬ teſt an Ihn mit weicherer Seele, und mit groͤßerer Liebe — und er an dich jetzt mit der erwiederten! — Ach wenn zwei liebende Menſchen einander in der naͤmlichen Ruͤhrung begegnen: dann erſt ach¬ ten ſie das menſchliche Herz und ſeine Liebe und ſein Gluͤck! — Decke, Klotide, mit keiner Bluͤte die Thraͤnen zu, unter denen deine Wangen erroͤthen,

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/149>, abgerufen am 04.05.2024.