"es zwar einem spanischen Mädgen verdenken, wenn "sie mir ihren Fuß, und einem türkischen, wenn sie "ihr Gesicht vorwiese und einem Deutschen, wenn "es allein zum beßten Jüngling ginge; aber eben "weil die tollsten blauen Gesetzte, die doch blauer "Dunst an blauen Montagen werden, zum wahren "Sittengesetze für sie werden; so ärger' ich mich "über die jämmerliche Kleinherzigkeit und wünsche "nichts verboten zu sehen als das -- Walzen und "Fallen.". . . Er hat hier vielleicht Satire in pet¬ to: denn ernsthaft davon zu sprechen, hat diese Heils-Ordnung, daß sich Mädgen bei uns allemal wie Memoriale, in Duplikaten einreichen müssen, offenbar die Absicht, sie alle an einander zu gewöh¬ nen weil sie ihre Freundschaft haben müssen zu Visiten -- zweitens sollen Geschwister einander aus den Haaren kommen weil sie nicht wissen wenn sie einander bedürfen zu Rückbürgen ihrer Tu¬ gend und zu Liebes-Sekundawechseln -- drittens ge¬ ben diese Menschensatzungen der weiblichen Tugend durch den kleinen Sitten-Dienst (weil große Versuchungen zu selten sind) tägliches Religionsexer¬ zizium und höhere Wichtigkeit und verhalten sich wie die Talmudischen Artikel zur Bibel, wiewohl ein rechter Jude lieber gegen die Bibel als den Talmud verstößt -- viertens verdanken wir diesen symboli¬ schen Büchern des Wohlstandes die frühere Bildung
»es zwar einem ſpaniſchen Maͤdgen verdenken, wenn »ſie mir ihren Fuß, und einem tuͤrkiſchen, wenn ſie »ihr Geſicht vorwieſe und einem Deutſchen, wenn »es allein zum beßten Juͤngling ginge; aber eben »weil die tollſten blauen Geſetzte, die doch blauer »Dunſt an blauen Montagen werden, zum wahren »Sittengeſetze fuͤr ſie werden; ſo aͤrger' ich mich »uͤber die jaͤmmerliche Kleinherzigkeit und wuͤnſche »nichts verboten zu ſehen als das — Walzen und »Fallen.«. . . Er hat hier vielleicht Satire in pet¬ to: denn ernſthaft davon zu ſprechen, hat dieſe Heils-Ordnung, daß ſich Maͤdgen bei uns allemal wie Memoriale, in Duplikaten einreichen muͤſſen, offenbar die Abſicht, ſie alle an einander zu gewoͤh¬ nen weil ſie ihre Freundſchaft haben muͤſſen zu Viſiten — zweitens ſollen Geſchwiſter einander aus den Haaren kommen weil ſie nicht wiſſen wenn ſie einander beduͤrfen zu Ruͤckbuͤrgen ihrer Tu¬ gend und zu Liebes-Sekundawechſeln — drittens ge¬ ben dieſe Menſchenſatzungen der weiblichen Tugend durch den kleinen Sitten-Dienſt (weil große Verſuchungen zu ſelten ſind) taͤgliches Religionsexer¬ zizium und hoͤhere Wichtigkeit und verhalten ſich wie die Talmudiſchen Artikel zur Bibel, wiewohl ein rechter Jude lieber gegen die Bibel als den Talmud verſtoͤßt — viertens verdanken wir dieſen ſymboli¬ ſchen Buͤchern des Wohlſtandes die fruͤhere Bildung
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»es zwar einem ſpaniſchen Maͤdgen verdenken, wenn
»ſie mir ihren Fuß, und einem tuͤrkiſchen, wenn ſie
»ihr Geſicht vorwieſe und einem Deutſchen, wenn
»es allein zum beßten Juͤngling ginge; aber eben
»weil die tollſten blauen Geſetzte, die doch blauer
»Dunſt an blauen Montagen werden, zum wahren
»Sittengeſetze fuͤr ſie werden; ſo aͤrger' ich mich
»uͤber die jaͤmmerliche Kleinherzigkeit und wuͤnſche
»nichts verboten zu ſehen als das — Walzen und
»Fallen.«. . . Er hat hier vielleicht Satire in pet¬
to: denn ernſthaft davon zu ſprechen, hat dieſe
Heils-Ordnung, daß ſich Maͤdgen bei uns allemal
wie Memoriale, in Duplikaten einreichen muͤſſen,
offenbar die Abſicht, ſie alle an einander zu gewoͤh¬
nen weil ſie ihre Freundſchaft haben muͤſſen
zu Viſiten — zweitens ſollen Geſchwiſter einander
aus den Haaren kommen weil ſie nicht wiſſen wenn
ſie einander beduͤrfen zu Ruͤckbuͤrgen ihrer Tu¬
gend und zu Liebes-Sekundawechſeln — drittens ge¬
ben dieſe Menſchenſatzungen der weiblichen Tugend
durch den kleinen Sitten-Dienſt (weil große
Verſuchungen zu ſelten ſind) taͤgliches Religionsexer¬
zizium und hoͤhere Wichtigkeit und verhalten ſich wie
die Talmudiſchen Artikel zur Bibel, wiewohl ein
rechter Jude lieber gegen die Bibel als den Talmud
verſtoͤßt — viertens verdanken wir dieſen ſymboli¬
ſchen Buͤchern des Wohlſtandes die fruͤhere Bildung
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/142>, abgerufen am 24.11.2024.
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