des weiblichen Scharfsinns, dem wir leider keine an¬ dern Gelegenheiten der Aufmerksamkeit verschaffen als die der Schwur auf jene Bücher giebt. . . .
Aber zurück oder weiter! Viktor tadelte und be¬ folgte zugleich, wie ein gutes Mädgen, die weibli¬ chen Ordensregeln: der Hof hatte ihn beherzter, aber auch feiner gemacht und unter den Weibern wurd' er wie jeder mit dem Linienblatt des Zeremoniels versöhnt. Daher wollt' er erst am zweiten Pfingst¬ tage eine ordentliche Ambassaden-Audiens bei der Aebtissin abthun, da heute alles zu spät war und er überdies in die schönen frommen Bewegungen drü¬ ben nicht wie ein Haarstern fahren wollte. Und seine Zufriedenheit sagte ihm ja auch, wie wenig die Nachbarschaft eines geliebten Herzens verschieden ist von der Gegenwart desselben, die ohnehin nichts ist als eine nähere Nachbarschaft.
Inzwischen überwand er sich doch so weit, daß er mit seinen Zwillingsbrüdern des Herzens -- hin¬ ausging in's Kolosseum der Natur, ob er gleich sich nicht verbarg, draussen werd' er den Schrecken ha¬ ben, Klotilden zu begegnen. Und Emanuel verrin¬ gerte diese Sorge schlecht, da er ihm gestand, sie wäre bisher alle Tage mit ihrem verwundeten Leben um die Teiche wie um baquets und durch die Flur wie durch Feldapotheken gegangen -- Eilet end¬ lich hinaus, ihr drei guten Menschen, in's Jubi¬
des weiblichen Scharfſinns, dem wir leider keine an¬ dern Gelegenheiten der Aufmerkſamkeit verſchaffen als die der Schwur auf jene Buͤcher giebt. . . .
Aber zuruͤck oder weiter! Viktor tadelte und be¬ folgte zugleich, wie ein gutes Maͤdgen, die weibli¬ chen Ordensregeln: der Hof hatte ihn beherzter, aber auch feiner gemacht und unter den Weibern wurd' er wie jeder mit dem Linienblatt des Zeremoniels verſoͤhnt. Daher wollt' er erſt am zweiten Pfingſt¬ tage eine ordentliche Ambaſſaden–Audiens bei der Aebtiſſin abthun, da heute alles zu ſpaͤt war und er uͤberdies in die ſchoͤnen frommen Bewegungen druͤ¬ ben nicht wie ein Haarſtern fahren wollte. Und ſeine Zufriedenheit ſagte ihm ja auch, wie wenig die Nachbarſchaft eines geliebten Herzens verſchieden iſt von der Gegenwart deſſelben, die ohnehin nichts iſt als eine naͤhere Nachbarſchaft.
Inzwiſchen uͤberwand er ſich doch ſo weit, daß er mit ſeinen Zwillingsbruͤdern des Herzens — hin¬ ausging in's Koloſſeum der Natur, ob er gleich ſich nicht verbarg, drauſſen werd' er den Schrecken ha¬ ben, Klotilden zu begegnen. Und Emanuel verrin¬ gerte dieſe Sorge ſchlecht, da er ihm geſtand, ſie waͤre bisher alle Tage mit ihrem verwundeten Leben um die Teiche wie um baquets und durch die Flur wie durch Feldapotheken gegangen — Eilet end¬ lich hinaus, ihr drei guten Menſchen, in's Jubi¬
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des weiblichen Scharfſinns, dem wir leider keine an¬
dern Gelegenheiten der Aufmerkſamkeit verſchaffen
als die der Schwur auf jene Buͤcher giebt. . . .
Aber zuruͤck oder weiter! Viktor tadelte und be¬
folgte zugleich, wie ein gutes Maͤdgen, die weibli¬
chen Ordensregeln: der Hof hatte ihn beherzter, aber
auch feiner gemacht und unter den Weibern wurd'
er wie jeder mit dem Linienblatt des Zeremoniels
verſoͤhnt. Daher wollt' er erſt am zweiten Pfingſt¬
tage eine ordentliche Ambaſſaden–Audiens bei der
Aebtiſſin abthun, da heute alles zu ſpaͤt war und er
uͤberdies in die ſchoͤnen frommen Bewegungen druͤ¬
ben nicht wie ein Haarſtern fahren wollte. Und
ſeine Zufriedenheit ſagte ihm ja auch, wie wenig die
Nachbarſchaft eines geliebten Herzens verſchieden
iſt von der Gegenwart deſſelben, die ohnehin
nichts iſt als eine naͤhere Nachbarſchaft.
Inzwiſchen uͤberwand er ſich doch ſo weit, daß
er mit ſeinen Zwillingsbruͤdern des Herzens — hin¬
ausging in's Koloſſeum der Natur, ob er gleich ſich
nicht verbarg, drauſſen werd' er den Schrecken ha¬
ben, Klotilden zu begegnen. Und Emanuel verrin¬
gerte dieſe Sorge ſchlecht, da er ihm geſtand, ſie
waͤre bisher alle Tage mit ihrem verwundeten Leben
um die Teiche wie um baquets und durch die Flur
wie durch Feldapotheken gegangen — Eilet end¬
lich hinaus, ihr drei guten Menſchen, in's Jubi¬
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/143>, abgerufen am 21.11.2024.
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