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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.

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daß die zweite Harmonika, die Viole d'Amour, ihre
Sphären-Akorde an das nackte, entzündete, zuckende
Herz absandte? -- Ach er dankte dem Schöpfer die¬
ses melodischen Edens, daß er mit den höchsten
Tönen seiner Harmonika, die das Herz des Men¬
schen mit unbekannten Kräften in Thränen zersplit¬
tern wie hohe Töne Gläser zersprengen, endlich sei¬
nen Busen, seine Seufzer und seine Thränen er¬
schöpfte: unter diesen Tönen, nach diesen Tönen gab
es keine Worte mehr; die volle Seele wurde von
Laub, und Nacht und Thränen zugehüllt -- das
sprachlose Herz sog schwellend die Töne in sich und
hielt die äußern für innere -- endlich spielten die
Töne nur leise wie Zephyre um den Wonneschlaf-
Trunknen und bloß im sterbenden Innern stammelte
noch der überseelige Wunsch: "ach Klotilde, könnt'
"ich dir heute dieses stumme, glühende Herz hingeben
"-- ach könnt' ich an diesem unvergänglichen Him¬
"melsabend, mit dieser zitternden Seele sterbend
"vor deine Füße sinken und die Worte sagen: ich
"liebe dich!" -- --

Und als er an ihren Geburtstag dachte und an
ihren Brief nach Maienthal, der ihm das große Lob
gegeben, ein Schüler Emanuels zu seyn, und an
kleine Zeichen ihrer Achtung für ihn und an die
schöne Verschwisterung seines Herzens mit ihrem --
ja da trat die himmlische Hofnung, dieses geadelte

daß die zweite Harmonika, die Viole d'Amour, ihre
Sphaͤren-Akorde an das nackte, entzuͤndete, zuckende
Herz abſandte? — Ach er dankte dem Schoͤpfer die¬
ſes melodiſchen Edens, daß er mit den hoͤchſten
Toͤnen ſeiner Harmonika, die das Herz des Men¬
ſchen mit unbekannten Kraͤften in Thraͤnen zerſplit¬
tern wie hohe Toͤne Glaͤſer zerſprengen, endlich ſei¬
nen Buſen, ſeine Seufzer und ſeine Thraͤnen er¬
ſchoͤpfte: unter dieſen Toͤnen, nach dieſen Toͤnen gab
es keine Worte mehr; die volle Seele wurde von
Laub, und Nacht und Thraͤnen zugehuͤllt — das
ſprachloſe Herz ſog ſchwellend die Toͤne in ſich und
hielt die aͤußern fuͤr innere — endlich ſpielten die
Toͤne nur leiſe wie Zephyre um den Wonneſchlaf-
Trunknen und bloß im ſterbenden Innern ſtammelte
noch der uͤberſeelige Wunſch: »ach Klotilde, koͤnnt'
»ich dir heute dieſes ſtumme, gluͤhende Herz hingeben
»— ach koͤnnt' ich an dieſem unvergaͤnglichen Him¬
»melsabend, mit dieſer zitternden Seele ſterbend
»vor deine Fuͤße ſinken und die Worte ſagen: ich
»liebe dich!« — —

Und als er an ihren Geburtstag dachte und an
ihren Brief nach Maienthal, der ihm das große Lob
gegeben, ein Schuͤler Emanuels zu ſeyn, und an
kleine Zeichen ihrer Achtung fuͤr ihn und an die
ſchoͤne Verſchwiſterung ſeines Herzens mit ihrem —
ja da trat die himmliſche Hofnung, dieſes geadelte

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[88/0098] daß die zweite Harmonika, die Viole d'Amour, ihre Sphaͤren-Akorde an das nackte, entzuͤndete, zuckende Herz abſandte? — Ach er dankte dem Schoͤpfer die¬ ſes melodiſchen Edens, daß er mit den hoͤchſten Toͤnen ſeiner Harmonika, die das Herz des Men¬ ſchen mit unbekannten Kraͤften in Thraͤnen zerſplit¬ tern wie hohe Toͤne Glaͤſer zerſprengen, endlich ſei¬ nen Buſen, ſeine Seufzer und ſeine Thraͤnen er¬ ſchoͤpfte: unter dieſen Toͤnen, nach dieſen Toͤnen gab es keine Worte mehr; die volle Seele wurde von Laub, und Nacht und Thraͤnen zugehuͤllt — das ſprachloſe Herz ſog ſchwellend die Toͤne in ſich und hielt die aͤußern fuͤr innere — endlich ſpielten die Toͤne nur leiſe wie Zephyre um den Wonneſchlaf- Trunknen und bloß im ſterbenden Innern ſtammelte noch der uͤberſeelige Wunſch: »ach Klotilde, koͤnnt' »ich dir heute dieſes ſtumme, gluͤhende Herz hingeben »— ach koͤnnt' ich an dieſem unvergaͤnglichen Him¬ »melsabend, mit dieſer zitternden Seele ſterbend »vor deine Fuͤße ſinken und die Worte ſagen: ich »liebe dich!« — — Und als er an ihren Geburtstag dachte und an ihren Brief nach Maienthal, der ihm das große Lob gegeben, ein Schuͤler Emanuels zu ſeyn, und an kleine Zeichen ihrer Achtung fuͤr ihn und an die ſchoͤne Verſchwiſterung ſeines Herzens mit ihrem — ja da trat die himmliſche Hofnung, dieſes geadelte

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/98>, abgerufen am 02.05.2024.