Herz zu bekommen, zum erstenmal unter Musik nahe an ihn und die Hofnung ließ die Harmonikatöne wie verrinnende Echos weit über die ganze Zukunft sei¬ nes Lebens fließen. . . .
"Viktor!" sagte jemand in langsam gedehnten Ton. Er sprang auf und kehrte seine veredelte Züge gegen den -- Bruder seiner Klotilde und umarmte ihn gern. Flamin, in den alle Musik Kriegsfeuer und freiere Aufrichtigkeit warf, sah ihn staunend, fragend und unmerklich schüttelnd und mit jener Freundlichkeit an, die wie Hohn aussah, die aber allezeit bloßes Schmerzen empfangener Beleidigungen war. "Warum nahmst du mich heute nicht mit?" sagte freundlich Flamin. Viktor drückte seine Hand und schwieg.
"Nein! rede!" sagte jener." -- Lass' es heute mein Flamin, ich sage dirs noch."
"Ich will dirs selber sagen (begann jener schnel¬ ler und wärmer) -- Du denkst vielleicht, "ich werde "eifersüchtig. Und siehe, kennt' ich dich nicht, so "würd' ichs auch; warlich ein anderer würd' es, "wenn er dich hier so angetroffen hätte und alles "zusammen rechnete deine neuliche Entfernung aus "unserem Gartenhaus in die Laube -- Dein Schrei¬ "ben ohne Licht und dein Singen von Liebe. --
"An Emanuel" sagte Viktor sanft --
"Dein Abgeben dieses Blattes an sie" --
Herz zu bekommen, zum erſtenmal unter Muſik nahe an ihn und die Hofnung ließ die Harmonikatoͤne wie verrinnende Echos weit uͤber die ganze Zukunft ſei¬ nes Lebens fließen. . . .
»Viktor!« ſagte jemand in langſam gedehnten Ton. Er ſprang auf und kehrte ſeine veredelte Zuͤge gegen den — Bruder ſeiner Klotilde und umarmte ihn gern. Flamin, in den alle Muſik Kriegsfeuer und freiere Aufrichtigkeit warf, ſah ihn ſtaunend, fragend und unmerklich ſchuͤttelnd und mit jener Freundlichkeit an, die wie Hohn ausſah, die aber allezeit bloßes Schmerzen empfangener Beleidigungen war. »Warum nahmſt du mich heute nicht mit?« ſagte freundlich Flamin. Viktor druͤckte ſeine Hand und ſchwieg.
»Nein! rede!« ſagte jener.« — Laſſ' es heute mein Flamin, ich ſage dirs noch.«
»Ich will dirs ſelber ſagen (begann jener ſchnel¬ ler und waͤrmer) — Du denkſt vielleicht, »ich werde »eiferſuͤchtig. Und ſiehe, kennt' ich dich nicht, ſo »wuͤrd' ichs auch; warlich ein anderer wuͤrd' es, »wenn er dich hier ſo angetroffen haͤtte und alles »zuſammen rechnete deine neuliche Entfernung aus »unſerem Gartenhaus in die Laube — Dein Schrei¬ »ben ohne Licht und dein Singen von Liebe. —
»An Emanuel« ſagte Viktor ſanft —
»Dein Abgeben dieſes Blattes an ſie« —
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verrinnende Echos weit uͤber die ganze Zukunft ſei¬
nes Lebens fließen. . . .
»Viktor!« ſagte jemand in langſam gedehnten
Ton. Er ſprang auf und kehrte ſeine veredelte Zuͤge
gegen den — Bruder ſeiner Klotilde und umarmte
ihn gern. Flamin, in den alle Muſik Kriegsfeuer
und freiere Aufrichtigkeit warf, ſah ihn ſtaunend,
fragend und unmerklich ſchuͤttelnd und mit jener
Freundlichkeit an, die wie Hohn ausſah, die aber
allezeit bloßes Schmerzen empfangener Beleidigungen
war. »Warum nahmſt du mich heute nicht mit?«
ſagte freundlich Flamin. Viktor druͤckte ſeine Hand
und ſchwieg.
»Nein! rede!« ſagte jener.« — Laſſ' es heute
mein Flamin, ich ſage dirs noch.«
»Ich will dirs ſelber ſagen (begann jener ſchnel¬
ler und waͤrmer) — Du denkſt vielleicht, »ich werde
»eiferſuͤchtig. Und ſiehe, kennt' ich dich nicht, ſo
»wuͤrd' ichs auch; warlich ein anderer wuͤrd' es,
»wenn er dich hier ſo angetroffen haͤtte und alles
»zuſammen rechnete deine neuliche Entfernung aus
»unſerem Gartenhaus in die Laube — Dein Schrei¬
»ben ohne Licht und dein Singen von Liebe. —
»An Emanuel« ſagte Viktor ſanft —
»Dein Abgeben dieſes Blattes an ſie« —
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/99>, abgerufen am 21.11.2024.
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