Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

dem er sie einigemale gleichsam magnetisch-streichend
über Swobadas Finger führte; aber ich würde den
Stab weder wie einige, ein Hörrohr für Zeuseln
nennen, weil Taube oft einen zum besseren Hören an
ihren Leichnam anstiessen, noch auch einen Thürklo¬
pfer, den er der Wahrheit vorstreckte, damit sie
leichter in den Apotheker einkonnte: sondern er woll¬
te blos seine Finger nöthigen, das Schnupftuch fal¬
len zu lassen, damit er ihm ins Gesicht beim Ab¬
schied schauen könnte, den er in die Tournure klei¬
dete: "Sag' Ers Seinem Doktor, er und Er da,
"Ihr seid die zwei grösten Stocknarren in der
"Stadt."

Vor den letzten Worten verhielten sich beide Pro¬
visores ruhig genug, nicht mit der Zunge -- denn
der lange Provisor sang als zweites Chor mit dem¬
selben Kriegsliede den kurzen an und war ächter An¬
ti Podagrist -- sondern sonst. Wer überlegt, daß
der lange meinen Helden wegen seiner Höflichkeit
liebte und den kurzen nicht leiden konnte, weil Kuhl¬
pepper alles bei diesem verschrieb, der würde von
dem Paare nichts geringers erwarten als den Re¬
frain des Billardzimmers; aber der lange Provisor
war gesetzt und breitete erhebliche Wahrheiten nie
wie Portugal mit Blute aus, sondern er nahm --
sobald bei Kasernenmedikus den Hofmedikus einen
Stocknarren genannt hatte -- still den Hut des kur¬

dem er ſie einigemale gleichſam magnetiſch-ſtreichend
uͤber Swobadas Finger fuͤhrte; aber ich wuͤrde den
Stab weder wie einige‚ ein Hoͤrrohr fuͤr Zeuſeln
nennen‚ weil Taube oft einen zum beſſeren Hoͤren an
ihren Leichnam anſtieſſen‚ noch auch einen Thuͤrklo¬
pfer‚ den er der Wahrheit vorſtreckte‚ damit ſie
leichter in den Apotheker einkonnte: ſondern er woll¬
te blos ſeine Finger noͤthigen‚ das Schnupftuch fal¬
len zu laſſen‚ damit er ihm ins Geſicht beim Ab¬
ſchied ſchauen koͤnnte‚ den er in die Tournure klei¬
dete: »Sag' Ers Seinem Doktor‚ er und Er da‚
»Ihr ſeid die zwei groͤſten Stocknarren in der
»Stadt.»

Vor den letzten Worten verhielten ſich beide Pro¬
viſores ruhig genug, nicht mit der Zunge — denn
der lange Proviſor ſang als zweites Chor mit dem¬
ſelben Kriegsliede den kurzen an und war aͤchter An¬
ti Podagriſt — ſondern ſonſt. Wer uͤberlegt‚ daß
der lange meinen Helden wegen ſeiner Hoͤflichkeit
liebte und den kurzen nicht leiden konnte‚ weil Kuhl¬
pepper alles bei dieſem verſchrieb‚ der wuͤrde von
dem Paare nichts geringers erwarten als den Re¬
frain des Billardzimmers; aber der lange Proviſor
war geſetzt und breitete erhebliche Wahrheiten nie
wie Portugal mit Blute aus‚ ſondern er nahm —
ſobald bei Kaſernenmedikus den Hofmedikus einen
Stocknarren genannt hatte — ſtill den Hut des kur¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0046" n="36"/>
dem er &#x017F;ie einigemale gleich&#x017F;am magneti&#x017F;ch-&#x017F;treichend<lb/>
u&#x0364;ber Swobadas Finger fu&#x0364;hrte; aber ich wu&#x0364;rde den<lb/>
Stab weder wie einige&#x201A; ein Ho&#x0364;rrohr fu&#x0364;r Zeu&#x017F;eln<lb/>
nennen&#x201A; weil Taube oft einen zum be&#x017F;&#x017F;eren Ho&#x0364;ren an<lb/>
ihren Leichnam an&#x017F;tie&#x017F;&#x017F;en&#x201A; noch auch einen Thu&#x0364;rklo¬<lb/>
pfer&#x201A; den er der Wahrheit vor&#x017F;treckte&#x201A; damit &#x017F;ie<lb/>
leichter in den Apotheker einkonnte: &#x017F;ondern er woll¬<lb/>
te blos &#x017F;eine Finger no&#x0364;thigen&#x201A; das Schnupftuch fal¬<lb/>
len zu la&#x017F;&#x017F;en&#x201A; damit er ihm ins Ge&#x017F;icht beim Ab¬<lb/>
&#x017F;chied &#x017F;chauen ko&#x0364;nnte&#x201A; den er in die Tournure klei¬<lb/>
dete: »Sag' Ers Seinem Doktor&#x201A; er und Er da&#x201A;<lb/>
»Ihr &#x017F;eid die zwei gro&#x0364;&#x017F;ten Stocknarren in der<lb/>
»Stadt.»</p><lb/>
          <p>Vor den letzten Worten verhielten &#x017F;ich beide Pro¬<lb/>
vi&#x017F;ores ruhig genug, nicht mit der Zunge &#x2014; denn<lb/>
der lange Provi&#x017F;or &#x017F;ang als zweites Chor mit dem¬<lb/>
&#x017F;elben Kriegsliede den kurzen an und war a&#x0364;chter An¬<lb/>
ti Podagri&#x017F;t &#x2014; &#x017F;ondern &#x017F;on&#x017F;t. Wer u&#x0364;berlegt&#x201A; daß<lb/>
der lange meinen Helden wegen &#x017F;einer Ho&#x0364;flichkeit<lb/>
liebte und den kurzen nicht leiden konnte&#x201A; weil Kuhl¬<lb/>
pepper alles bei die&#x017F;em ver&#x017F;chrieb&#x201A; der wu&#x0364;rde von<lb/>
dem Paare nichts geringers erwarten als den Re¬<lb/>
frain des Billardzimmers; aber der lange Provi&#x017F;or<lb/>
war ge&#x017F;etzt und breitete erhebliche Wahrheiten nie<lb/>
wie Portugal mit Blute aus&#x201A; &#x017F;ondern er nahm &#x2014;<lb/>
&#x017F;obald bei Ka&#x017F;ernenmedikus den Hofmedikus einen<lb/>
Stocknarren genannt hatte &#x2014; &#x017F;till den Hut des kur¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[36/0046] dem er ſie einigemale gleichſam magnetiſch-ſtreichend uͤber Swobadas Finger fuͤhrte; aber ich wuͤrde den Stab weder wie einige‚ ein Hoͤrrohr fuͤr Zeuſeln nennen‚ weil Taube oft einen zum beſſeren Hoͤren an ihren Leichnam anſtieſſen‚ noch auch einen Thuͤrklo¬ pfer‚ den er der Wahrheit vorſtreckte‚ damit ſie leichter in den Apotheker einkonnte: ſondern er woll¬ te blos ſeine Finger noͤthigen‚ das Schnupftuch fal¬ len zu laſſen‚ damit er ihm ins Geſicht beim Ab¬ ſchied ſchauen koͤnnte‚ den er in die Tournure klei¬ dete: »Sag' Ers Seinem Doktor‚ er und Er da‚ »Ihr ſeid die zwei groͤſten Stocknarren in der »Stadt.» Vor den letzten Worten verhielten ſich beide Pro¬ viſores ruhig genug, nicht mit der Zunge — denn der lange Proviſor ſang als zweites Chor mit dem¬ ſelben Kriegsliede den kurzen an und war aͤchter An¬ ti Podagriſt — ſondern ſonſt. Wer uͤberlegt‚ daß der lange meinen Helden wegen ſeiner Hoͤflichkeit liebte und den kurzen nicht leiden konnte‚ weil Kuhl¬ pepper alles bei dieſem verſchrieb‚ der wuͤrde von dem Paare nichts geringers erwarten als den Re¬ frain des Billardzimmers; aber der lange Proviſor war geſetzt und breitete erhebliche Wahrheiten nie wie Portugal mit Blute aus‚ ſondern er nahm — ſobald bei Kaſernenmedikus den Hofmedikus einen Stocknarren genannt hatte — ſtill den Hut des kur¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/46
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/46>, abgerufen am 21.11.2024.