Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

Amtsverweserin Klotildens, hatte noch ausser der
kalten zürnenden Freundlichkeit eine Juwelenreiche
montre a regulateur. -- An einem öffentlichen Orte
kostet es weniger als in einem Kabinet, den äussern
Menschen wie eine Karaktermaske über den innern
zu decken. Viktor, auf den ohnehin jeder Schmerz
die witzige Wirkung des Trunkes machte, verrieth
den erstern höchstens durch das Uebermaas seiner
Lebhaftigkeit.

Eine Frau verräth sich durch das Gegentheil --
Klotilde durch nichts. Z. B. Er sagte in der son¬
derbaren Uebertäubung, die äusseren Freudentöne und
inneren Phantasien erwecken, wenn sie wie zwei Strö¬
me mit einander zusammenkommen, folgende Ideen:
"Wär' ich die Göttin der Wonne (wenn's eine giebt)
"so ließ' ich drei Uhr schlagen -- um die Wand¬
"leuchter machte ich Farbenprismen oder hinge sie
"gar in die Kabinette und zöge über den Tanzsaal
"durch Weihrauch eine Zauberdämmerung -- dann
"müßt' ich die Töne des Orchesters, in so viele
"Zimmer zurückstellen, daß davon nichts hereinkäme
"als ein weiches Echo -- und wenn dann in den
"dämmernden von Melodien durchwehten Wirrwar
"nicht die Leute nach einigen stillen Bewegungen
"vor Entzücken vergehen wollten: so wüßt' ich
"nicht" -- "Setzen Sie noch dazu (sagte sie) damit

Amtsverweſerin Klotildens, hatte noch auſſer der
kalten zuͤrnenden Freundlichkeit eine Juwelenreiche
montre à regulateur. — An einem oͤffentlichen Orte
koſtet es weniger als in einem Kabinet, den aͤuſſern
Menſchen wie eine Karaktermaske uͤber den innern
zu decken. Viktor, auf den ohnehin jeder Schmerz
die witzige Wirkung des Trunkes machte, verrieth
den erſtern hoͤchſtens durch das Uebermaas ſeiner
Lebhaftigkeit.

Eine Frau verraͤth ſich durch das Gegentheil —
Klotilde durch nichts. Z. B. Er ſagte in der ſon¬
derbaren Uebertaͤubung, die aͤuſſeren Freudentoͤne und
inneren Phantaſien erwecken, wenn ſie wie zwei Stroͤ¬
me mit einander zuſammenkommen, folgende Ideen:
»Waͤr' ich die Goͤttin der Wonne (wenn's eine giebt)
»ſo ließ' ich drei Uhr ſchlagen — um die Wand¬
»leuchter machte ich Farbenprismen oder hinge ſie
»gar in die Kabinette und zoͤge uͤber den Tanzſaal
»durch Weihrauch eine Zauberdaͤmmerung — dann
»muͤßt' ich die Toͤne des Orcheſters, in ſo viele
»Zimmer zuruͤckſtellen, daß davon nichts hereinkaͤme
»als ein weiches Echo — und wenn dann in den
»daͤmmernden von Melodien durchwehten Wirrwar
»nicht die Leute nach einigen ſtillen Bewegungen
»vor Entzuͤcken vergehen wollten: ſo wuͤßt' ich
»nicht« — »Setzen Sie noch dazu (ſagte ſie) damit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0386" n="376"/>
Amtsverwe&#x017F;erin Klotildens, hatte noch au&#x017F;&#x017F;er der<lb/>
kalten zu&#x0364;rnenden Freundlichkeit eine Juwelenreiche<lb/><hi rendition="#aq">montre à regulateur</hi>. &#x2014; An einem o&#x0364;ffentlichen Orte<lb/>
ko&#x017F;tet es weniger als in einem Kabinet, den a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;ern<lb/>
Men&#x017F;chen wie eine Karaktermaske u&#x0364;ber den innern<lb/>
zu decken. Viktor, auf den ohnehin jeder <hi rendition="#g">Schmerz</hi><lb/>
die witzige Wirkung des <hi rendition="#g">Trunkes</hi> machte, verrieth<lb/>
den er&#x017F;tern ho&#x0364;ch&#x017F;tens durch das Uebermaas &#x017F;einer<lb/>
Lebhaftigkeit.</p><lb/>
            <p>Eine Frau verra&#x0364;th &#x017F;ich durch das Gegentheil &#x2014;<lb/>
Klotilde durch nichts. Z. B. Er &#x017F;agte in der &#x017F;on¬<lb/>
derbaren Ueberta&#x0364;ubung, die a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;eren Freudento&#x0364;ne und<lb/>
inneren Phanta&#x017F;ien erwecken, wenn &#x017F;ie wie zwei Stro&#x0364;¬<lb/>
me mit einander zu&#x017F;ammenkommen, folgende Ideen:<lb/>
»Wa&#x0364;r' ich die Go&#x0364;ttin der Wonne (wenn's eine giebt)<lb/>
»&#x017F;o ließ' ich drei Uhr &#x017F;chlagen &#x2014; um die Wand¬<lb/>
»leuchter machte ich Farbenprismen oder hinge &#x017F;ie<lb/>
»gar in die Kabinette und zo&#x0364;ge u&#x0364;ber den Tanz&#x017F;aal<lb/>
»durch Weihrauch eine Zauberda&#x0364;mmerung &#x2014; dann<lb/>
»mu&#x0364;ßt' ich die To&#x0364;ne des Orche&#x017F;ters, in &#x017F;o viele<lb/>
»Zimmer zuru&#x0364;ck&#x017F;tellen, daß davon nichts hereinka&#x0364;me<lb/>
»als ein weiches Echo &#x2014; und wenn dann in den<lb/>
»da&#x0364;mmernden von Melodien durchwehten Wirrwar<lb/>
»nicht die Leute nach einigen &#x017F;tillen Bewegungen<lb/>
»vor Entzu&#x0364;cken vergehen wollten: &#x017F;o wu&#x0364;ßt' ich<lb/>
»nicht« &#x2014; »Setzen Sie noch dazu (&#x017F;agte &#x017F;ie) damit<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[376/0386] Amtsverweſerin Klotildens, hatte noch auſſer der kalten zuͤrnenden Freundlichkeit eine Juwelenreiche montre à regulateur. — An einem oͤffentlichen Orte koſtet es weniger als in einem Kabinet, den aͤuſſern Menſchen wie eine Karaktermaske uͤber den innern zu decken. Viktor, auf den ohnehin jeder Schmerz die witzige Wirkung des Trunkes machte, verrieth den erſtern hoͤchſtens durch das Uebermaas ſeiner Lebhaftigkeit. Eine Frau verraͤth ſich durch das Gegentheil — Klotilde durch nichts. Z. B. Er ſagte in der ſon¬ derbaren Uebertaͤubung, die aͤuſſeren Freudentoͤne und inneren Phantaſien erwecken, wenn ſie wie zwei Stroͤ¬ me mit einander zuſammenkommen, folgende Ideen: »Waͤr' ich die Goͤttin der Wonne (wenn's eine giebt) »ſo ließ' ich drei Uhr ſchlagen — um die Wand¬ »leuchter machte ich Farbenprismen oder hinge ſie »gar in die Kabinette und zoͤge uͤber den Tanzſaal »durch Weihrauch eine Zauberdaͤmmerung — dann »muͤßt' ich die Toͤne des Orcheſters, in ſo viele »Zimmer zuruͤckſtellen, daß davon nichts hereinkaͤme »als ein weiches Echo — und wenn dann in den »daͤmmernden von Melodien durchwehten Wirrwar »nicht die Leute nach einigen ſtillen Bewegungen »vor Entzuͤcken vergehen wollten: ſo wuͤßt' ich »nicht« — »Setzen Sie noch dazu (ſagte ſie) damit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/386
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/386>, abgerufen am 27.05.2024.