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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.

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das ganze Aethermeer der heutigen Töne. Der
überhüllte Himmel gab ihm endlich Emanuels
letztes Schreiben ein, aus dem er Julius Einwei¬
hung in den höchsten Gedanken des Menschen erzähl¬
te. Klotilde hörte ihm freudig zu und sagte endlich:
"niemand ist glücklicher als ein Schüler eines sol¬
"chen Lehrers; aber er muß nie in die Welt treten
"-- da wird er es nicht seyn. Sein Lehrer hat ihm
"ein zu weiches Herz gegeben, und ein weiches hängt
"wie das weiche Obst so tief herab, daß es jeder
"erreichen und verwunden kann: die harten Früchte
"hängen höher." --

Sie kamen jetzt zu den harten Residenzfrüchten.
Ihre Bemerkung war ihre eigne Geschichte. Aber
die neuen Auftritte -- die rauschenden Wagen und
Kleider -- der Lärm um nichts und um wenig --
die Saalleuchter wie Fixsternsysteme -- die doppel¬
ten Mund-Disharmonika's -- die männliche Hof-
Fauna -- die weibliche Hof-Flora -- das ganze
mobil gemachte Lustlager, dieses Meß-Getümmel
überschmetterte jetzt das gedämpfte Echo, das zwi¬
schen zwei harmonischen Seelen hinüber und herüber
ging.

Unser Held wurde von der Fürstin noch freundli¬
cher angelassen als vom Fürsten. Joachime, die

das ganze Aethermeer der heutigen Toͤne. Der
uͤberhuͤllte Himmel gab ihm endlich Emanuels
letztes Schreiben ein, aus dem er Julius Einwei¬
hung in den hoͤchſten Gedanken des Menſchen erzaͤhl¬
te. Klotilde hoͤrte ihm freudig zu und ſagte endlich:
»niemand iſt gluͤcklicher als ein Schuͤler eines ſol¬
»chen Lehrers; aber er muß nie in die Welt treten
»— da wird er es nicht ſeyn. Sein Lehrer hat ihm
»ein zu weiches Herz gegeben, und ein weiches haͤngt
»wie das weiche Obſt ſo tief herab, daß es jeder
»erreichen und verwunden kann: die harten Fruͤchte
»haͤngen hoͤher.« —

Sie kamen jetzt zu den harten Reſidenzfruͤchten.
Ihre Bemerkung war ihre eigne Geſchichte. Aber
die neuen Auftritte — die rauſchenden Wagen und
Kleider — der Laͤrm um nichts und um wenig —
die Saalleuchter wie Fixſternſyſteme — die doppel¬
ten Mund-Disharmonika's — die maͤnnliche Hof-
Fauna — die weibliche Hof-Flora — das ganze
mobil gemachte Luſtlager, dieſes Meß-Getuͤmmel
uͤberſchmetterte jetzt das gedaͤmpfte Echo, das zwi¬
ſchen zwei harmoniſchen Seelen hinuͤber und heruͤber
ging.

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[375/0385] das ganze Aethermeer der heutigen Toͤne. Der uͤberhuͤllte Himmel gab ihm endlich Emanuels letztes Schreiben ein, aus dem er Julius Einwei¬ hung in den hoͤchſten Gedanken des Menſchen erzaͤhl¬ te. Klotilde hoͤrte ihm freudig zu und ſagte endlich: »niemand iſt gluͤcklicher als ein Schuͤler eines ſol¬ »chen Lehrers; aber er muß nie in die Welt treten »— da wird er es nicht ſeyn. Sein Lehrer hat ihm »ein zu weiches Herz gegeben, und ein weiches haͤngt »wie das weiche Obſt ſo tief herab, daß es jeder »erreichen und verwunden kann: die harten Fruͤchte »haͤngen hoͤher.« — Sie kamen jetzt zu den harten Reſidenzfruͤchten. Ihre Bemerkung war ihre eigne Geſchichte. Aber die neuen Auftritte — die rauſchenden Wagen und Kleider — der Laͤrm um nichts und um wenig — die Saalleuchter wie Fixſternſyſteme — die doppel¬ ten Mund-Disharmonika's — die maͤnnliche Hof- Fauna — die weibliche Hof-Flora — das ganze mobil gemachte Luſtlager, dieſes Meß-Getuͤmmel uͤberſchmetterte jetzt das gedaͤmpfte Echo, das zwi¬ ſchen zwei harmoniſchen Seelen hinuͤber und heruͤber ging. Unſer Held wurde von der Fuͤrſtin noch freundli¬ cher angelaſſen als vom Fuͤrſten. Joachime, die

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/385>, abgerufen am 24.11.2024.