Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

um diesen Arbeitslohn; wenn sie ihm aber nichts
gaben: so wußt' er tausend Entschuldigungen für die
Menschen und zog seinen Münzstempel heraus und
schlug sich selber eine Ehrenmedaille, indem er da¬
bei schwur: "ich will verdammt seyn, wenn ich mich
"nicht das nächstemal stolzer aufführe und minder
"nachsichtig und überhaupt ernsthafter, um eine ge¬
"wisse Ehrfurcht zu erregen." Das nächstemal soll
noch kommen. Er vergab daher den Drillingen so
schön, daß sie endlich den Menschenfreund mit lei¬
denschaftlichen Armen auf immer an ihre Seele
schloßen.

Nach einer solchen Gradualdisputazion machte er
nichts liebers als etwas recht Tolles, Galantes,
Kindisches -- dasmal war's ein Weg in die Küche.
Catinat sagte, der nur sey ein Held, qui jouerait
une partie de quilles au sortie d'une bataille gagnee
ou perdue
-- oder der nach einer gewonnenen Di¬
sputation in die Küche gehen kan. Entweder nichts
oder alles ist in diesem Nebel-Leben wichtig, sagt'
er. In die Küche, die nicht so schmutzig war wie
ein französisches Schlafzimmer, sondern so rein wie
ein belgischer Viehstall, war schon ein anderer Fest¬
hase und ausserordentlicher Envoye eingelaufen, der
Hofkaplan, der da seinem Berufe oblag. Er mußte
zusehen, ob sein Karpfen-Vierpfünder -- aus dem
Pastoralteich gebürtig und für den Adoptivsohn Ba¬

um dieſen Arbeitslohn; wenn ſie ihm aber nichts
gaben: ſo wußt' er tauſend Entſchuldigungen fuͤr die
Menſchen und zog ſeinen Muͤnzſtempel heraus und
ſchlug ſich ſelber eine Ehrenmedaille, indem er da¬
bei ſchwur: »ich will verdammt ſeyn, wenn ich mich
»nicht das naͤchſtemal ſtolzer auffuͤhre und minder
»nachſichtig und uͤberhaupt ernſthafter, um eine ge¬
»wiſſe Ehrfurcht zu erregen.» Das naͤchſtemal ſoll
noch kommen. Er vergab daher den Drillingen ſo
ſchoͤn, daß ſie endlich den Menſchenfreund mit lei¬
denſchaftlichen Armen auf immer an ihre Seele
ſchloßen.

Nach einer ſolchen Gradualdiſputazion machte er
nichts liebers als etwas recht Tolles, Galantes,
Kindiſches — dasmal war's ein Weg in die Kuͤche.
Catinat ſagte, der nur ſey ein Held, qui jouerait
une partie de quilles au sortie d'une bataille gagnée
ou perdue
— oder der nach einer gewonnenen Di¬
ſputation in die Kuͤche gehen kan. Entweder nichts
oder alles iſt in dieſem Nebel-Leben wichtig, ſagt'
er. In die Kuͤche, die nicht ſo ſchmutzig war wie
ein franzoͤſiſches Schlafzimmer, ſondern ſo rein wie
ein belgiſcher Viehſtall, war ſchon ein anderer Feſt¬
haſe und auſſerordentlicher Envoyé eingelaufen, der
Hofkaplan, der da ſeinem Berufe oblag. Er mußte
zuſehen, ob ſein Karpfen-Vierpfuͤnder — aus dem
Paſtoralteich gebuͤrtig und fuͤr den Adoptivſohn Ba¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0345" n="335"/>
um die&#x017F;en Arbeitslohn; wenn &#x017F;ie ihm aber nichts<lb/>
gaben: &#x017F;o wußt' er tau&#x017F;end Ent&#x017F;chuldigungen fu&#x0364;r die<lb/>
Men&#x017F;chen und zog &#x017F;einen Mu&#x0364;nz&#x017F;tempel heraus und<lb/>
&#x017F;chlug &#x017F;ich &#x017F;elber eine Ehrenmedaille, indem er da¬<lb/>
bei &#x017F;chwur: »ich will verdammt &#x017F;eyn, wenn ich mich<lb/>
»nicht das na&#x0364;ch&#x017F;temal &#x017F;tolzer auffu&#x0364;hre und minder<lb/>
»nach&#x017F;ichtig und u&#x0364;berhaupt ern&#x017F;thafter, um eine ge¬<lb/>
»wi&#x017F;&#x017F;e Ehrfurcht zu erregen.» Das na&#x0364;ch&#x017F;temal &#x017F;oll<lb/>
noch kommen. Er vergab daher den Drillingen &#x017F;o<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;n, daß &#x017F;ie endlich den Men&#x017F;chenfreund mit lei¬<lb/>
den&#x017F;chaftlichen Armen auf immer an ihre Seele<lb/>
&#x017F;chloßen.</p><lb/>
            <p>Nach einer &#x017F;olchen Gradualdi&#x017F;putazion machte er<lb/>
nichts liebers als etwas recht Tolles, Galantes,<lb/>
Kindi&#x017F;ches &#x2014; dasmal war's ein Weg in die Ku&#x0364;che.<lb/>
Catinat &#x017F;agte, der nur &#x017F;ey ein Held, <hi rendition="#aq">qui jouerait<lb/>
une partie de quilles au sortie d'une bataille gagnée<lb/>
ou perdue</hi> &#x2014; oder der nach einer gewonnenen Di¬<lb/>
&#x017F;putation in die Ku&#x0364;che gehen kan. Entweder nichts<lb/>
oder alles i&#x017F;t in die&#x017F;em Nebel-Leben wichtig, &#x017F;agt'<lb/>
er. In die Ku&#x0364;che, die nicht &#x017F;o &#x017F;chmutzig war wie<lb/>
ein franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;ches Schlafzimmer, &#x017F;ondern &#x017F;o rein wie<lb/>
ein belgi&#x017F;cher Vieh&#x017F;tall, war &#x017F;chon ein anderer Fe&#x017F;<lb/>
ha&#x017F;e und au&#x017F;&#x017F;erordentlicher <hi rendition="#aq">Envoyé</hi> eingelaufen, der<lb/>
Hofkaplan, der da &#x017F;einem Berufe oblag. Er mußte<lb/>
zu&#x017F;ehen, ob &#x017F;ein Karpfen-Vierpfu&#x0364;nder &#x2014; aus dem<lb/>
Pa&#x017F;toralteich gebu&#x0364;rtig und fu&#x0364;r den Adoptiv&#x017F;ohn Ba¬<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[335/0345] um dieſen Arbeitslohn; wenn ſie ihm aber nichts gaben: ſo wußt' er tauſend Entſchuldigungen fuͤr die Menſchen und zog ſeinen Muͤnzſtempel heraus und ſchlug ſich ſelber eine Ehrenmedaille, indem er da¬ bei ſchwur: »ich will verdammt ſeyn, wenn ich mich »nicht das naͤchſtemal ſtolzer auffuͤhre und minder »nachſichtig und uͤberhaupt ernſthafter, um eine ge¬ »wiſſe Ehrfurcht zu erregen.» Das naͤchſtemal ſoll noch kommen. Er vergab daher den Drillingen ſo ſchoͤn, daß ſie endlich den Menſchenfreund mit lei¬ denſchaftlichen Armen auf immer an ihre Seele ſchloßen. Nach einer ſolchen Gradualdiſputazion machte er nichts liebers als etwas recht Tolles, Galantes, Kindiſches — dasmal war's ein Weg in die Kuͤche. Catinat ſagte, der nur ſey ein Held, qui jouerait une partie de quilles au sortie d'une bataille gagnée ou perdue — oder der nach einer gewonnenen Di¬ ſputation in die Kuͤche gehen kan. Entweder nichts oder alles iſt in dieſem Nebel-Leben wichtig, ſagt' er. In die Kuͤche, die nicht ſo ſchmutzig war wie ein franzoͤſiſches Schlafzimmer, ſondern ſo rein wie ein belgiſcher Viehſtall, war ſchon ein anderer Feſt¬ haſe und auſſerordentlicher Envoyé eingelaufen, der Hofkaplan, der da ſeinem Berufe oblag. Er mußte zuſehen, ob ſein Karpfen-Vierpfuͤnder — aus dem Paſtoralteich gebuͤrtig und fuͤr den Adoptivſohn Ba¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/345
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/345>, abgerufen am 28.11.2024.