Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

wesen -- ob sie die Uhr noch habe, oder je auf¬
gemacht, ob kein Wind die Liebeserklärung als
einen verschwisterten Wind fortgetrieben -- --

Bedenklich bliebs, daß gerade der Pater und der
Kaufmann, gerade die bösen Augen und die guten
Nachrichten in Einem Tag zusammenfielen; in diesen
30ten März, in den Osterabend. Da dieser Besuch
für meinen Helden sehr merkwürdig ist: so bitt' ich
jeden, sich recht bequem zu setzen und die vom Buch¬
bindergolde verpichten Blätter dieser Erzählung vor¬
her aufzuspalten und acht zu geben wie ein
Spion. --

Als Viktor im Schloße war: stieß ihm der Pa¬
ter auf, der sagte, er gehe auch mit. Es war ein
Glück: denn ohne diesen Wegweiser hätt' er schwer¬
lich den Pfad durch ein Labyrinth von Zimmern in
das veränderte Krankenkabinet gefunden. Und mit
ihm gieng wie ein Kybiz die Sorge durch alle Ge¬
mächer, er werde auf dem Gesichte der Fürstin ein
Klagl[i]bel gegen das inkarzerirte Billetdoux erblicken;
aber nicht einmal ein Anfangsbuchstabe oder das
rubrum eines Urthels stand auf ihrem Gesichte, als
er vor sie trat, und seine Wetterwolke war seitwärts
gegangen. Wenigstens stieß eine, die über der Für¬
stin selber hing, seine ab: sie war nämlich krank,
aber nicht an Augen blos, und eine zweite Bot¬
schaft die ihn holen sollte, hatt' ihn nur verfehlt.

weſen — ob ſie die Uhr noch habe, oder je auf¬
gemacht, ob kein Wind die Liebeserklaͤrung als
einen verſchwiſterten Wind fortgetrieben — —

Bedenklich bliebs, daß gerade der Pater und der
Kaufmann, gerade die boͤſen Augen und die guten
Nachrichten in Einem Tag zuſammenfielen; in dieſen
30ten Maͤrz, in den Oſterabend. Da dieſer Beſuch
fuͤr meinen Helden ſehr merkwuͤrdig iſt: ſo bitt' ich
jeden, ſich recht bequem zu ſetzen und die vom Buch¬
bindergolde verpichten Blaͤtter dieſer Erzaͤhlung vor¬
her aufzuſpalten und acht zu geben wie ein
Spion. —

Als Viktor im Schloße war: ſtieß ihm der Pa¬
ter auf, der ſagte, er gehe auch mit. Es war ein
Gluͤck: denn ohne dieſen Wegweiſer haͤtt' er ſchwer¬
lich den Pfad durch ein Labyrinth von Zimmern in
das veraͤnderte Krankenkabinet gefunden. Und mit
ihm gieng wie ein Kybiz die Sorge durch alle Ge¬
maͤcher, er werde auf dem Geſichte der Fuͤrſtin ein
Klagl[i]bel gegen das inkarzerirte Billetdoux erblicken;
aber nicht einmal ein Anfangsbuchſtabe oder das
rubrum eines Urthels ſtand auf ihrem Geſichte, als
er vor ſie trat, und ſeine Wetterwolke war ſeitwaͤrts
gegangen. Wenigſtens ſtieß eine, die uͤber der Fuͤr¬
ſtin ſelber hing, ſeine ab: ſie war naͤmlich krank,
aber nicht an Augen blos, und eine zweite Bot¬
ſchaft die ihn holen ſollte, hatt' ihn nur verfehlt.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="2">
            <p><pb facs="#f0316" n="306"/>
we&#x017F;en &#x2014; ob &#x017F;ie die Uhr noch habe, oder je auf¬<lb/>
gemacht, ob kein Wind die Liebeserkla&#x0364;rung als<lb/>
einen ver&#x017F;chwi&#x017F;terten Wind fortgetrieben &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
            <p>Bedenklich bliebs, daß gerade der Pater und der<lb/>
Kaufmann, gerade die bo&#x0364;&#x017F;en Augen und die guten<lb/>
Nachrichten in Einem Tag zu&#x017F;ammenfielen; in die&#x017F;en<lb/>
30ten Ma&#x0364;rz, in den O&#x017F;terabend. Da die&#x017F;er Be&#x017F;uch<lb/>
fu&#x0364;r meinen Helden &#x017F;ehr merkwu&#x0364;rdig i&#x017F;t: &#x017F;o bitt' ich<lb/>
jeden, &#x017F;ich recht bequem zu &#x017F;etzen und die vom Buch¬<lb/>
bindergolde verpichten Bla&#x0364;tter die&#x017F;er Erza&#x0364;hlung vor¬<lb/>
her aufzu&#x017F;palten und acht zu geben wie ein<lb/>
Spion. &#x2014;</p><lb/>
            <p>Als Viktor im Schloße war: &#x017F;tieß ihm der Pa¬<lb/>
ter auf, der &#x017F;agte, er gehe auch mit. Es war ein<lb/>
Glu&#x0364;ck: denn ohne die&#x017F;en Wegwei&#x017F;er ha&#x0364;tt' er &#x017F;chwer¬<lb/>
lich den Pfad durch ein Labyrinth von Zimmern in<lb/>
das vera&#x0364;nderte Krankenkabinet gefunden. Und mit<lb/>
ihm gieng wie ein Kybiz die Sorge durch alle Ge¬<lb/>
ma&#x0364;cher, er werde auf dem Ge&#x017F;ichte der Fu&#x0364;r&#x017F;tin ein<lb/>
Klagl<supplied>i</supplied>bel gegen das inkarzerirte Billetdoux erblicken;<lb/>
aber nicht einmal ein Anfangsbuch&#x017F;tabe oder das<lb/><hi rendition="#aq">rubrum</hi> eines Urthels &#x017F;tand auf ihrem Ge&#x017F;ichte, als<lb/>
er vor &#x017F;ie trat, und &#x017F;eine Wetterwolke war &#x017F;eitwa&#x0364;rts<lb/>
gegangen. Wenig&#x017F;tens &#x017F;tieß eine, die u&#x0364;ber der Fu&#x0364;<lb/>
&#x017F;tin &#x017F;elber hing, &#x017F;eine ab: &#x017F;ie war na&#x0364;mlich krank,<lb/>
aber nicht an Augen blos, und eine zweite Bot¬<lb/>
&#x017F;chaft die ihn holen &#x017F;ollte, hatt' ihn nur verfehlt.<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[306/0316] weſen — ob ſie die Uhr noch habe, oder je auf¬ gemacht, ob kein Wind die Liebeserklaͤrung als einen verſchwiſterten Wind fortgetrieben — — Bedenklich bliebs, daß gerade der Pater und der Kaufmann, gerade die boͤſen Augen und die guten Nachrichten in Einem Tag zuſammenfielen; in dieſen 30ten Maͤrz, in den Oſterabend. Da dieſer Beſuch fuͤr meinen Helden ſehr merkwuͤrdig iſt: ſo bitt' ich jeden, ſich recht bequem zu ſetzen und die vom Buch¬ bindergolde verpichten Blaͤtter dieſer Erzaͤhlung vor¬ her aufzuſpalten und acht zu geben wie ein Spion. — Als Viktor im Schloße war: ſtieß ihm der Pa¬ ter auf, der ſagte, er gehe auch mit. Es war ein Gluͤck: denn ohne dieſen Wegweiſer haͤtt' er ſchwer¬ lich den Pfad durch ein Labyrinth von Zimmern in das veraͤnderte Krankenkabinet gefunden. Und mit ihm gieng wie ein Kybiz die Sorge durch alle Ge¬ maͤcher, er werde auf dem Geſichte der Fuͤrſtin ein Klaglibel gegen das inkarzerirte Billetdoux erblicken; aber nicht einmal ein Anfangsbuchſtabe oder das rubrum eines Urthels ſtand auf ihrem Geſichte, als er vor ſie trat, und ſeine Wetterwolke war ſeitwaͤrts gegangen. Wenigſtens ſtieß eine, die uͤber der Fuͤr¬ ſtin ſelber hing, ſeine ab: ſie war naͤmlich krank, aber nicht an Augen blos, und eine zweite Bot¬ ſchaft die ihn holen ſollte, hatt' ihn nur verfehlt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/316
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/316>, abgerufen am 19.05.2024.