Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.Mein Horion! Vor einigen Stunden hat die Zeit ihre Sand¬ Auch ich trete froh herans unter das schöne Neu¬ Ich erlebe keinen Sommertag mehr, darum will *) Julius wurde erst im zwölften Jahre blind und hatte also
Vorstellungen des Gesichts. Mein Horion! Vor einigen Stunden hat die Zeit ihre Sand¬ Auch ich trete froh herans unter das ſchoͤne Neu¬ Ich erlebe keinen Sommertag mehr, darum will *) Julius wurde erſt im zwölften Jahre blind und hatte alſo
Vorſtellungen des Geſichts. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0275" n="265"/> <p> <hi rendition="#g">Mein Horion!</hi> </p><lb/> <p>Vor einigen Stunden hat die Zeit ihre Sand¬<lb/> uhr umgekehrt und jetzt rieſelt der Staub eines<lb/> neuen Jahres nieder. — Der Uranus ſchlaͤgt unſe¬<lb/> rer kleinen Erde die Jahrhunderte, die Sonne ſchlaͤgt<lb/> die Jahre, der Mond die Monate; und an dieſer<lb/> aus Welten zuſammengeſetzten Konzertuhr treten die<lb/> Menſchen als Bilder heraus, die freudig rufen und<lb/> toͤnen, wenn es ſchlaͤgt.</p><lb/> <p>Auch ich trete froh herans unter das ſchoͤne Neu¬<lb/> jahrsmorgenroth das durch alle Wolken glimmt und<lb/> den hohen halben Himmel heraufbrennt. In einem<lb/> Jahre ſeh' ich aus einer andern Welt in die Sonne:<lb/> o wie wallet dieſes letztemal mein Herz unter dem<lb/> Erdengewoͤlk von Liebe uͤber gegen den Vater dieſer<lb/> ſchoͤnen Erde, gegen ſeine Kinder und meine Ge¬<lb/> ſchwiſter, gegen dieſe Blumenwiege, worin wir nur<lb/> Einmal erwachen und unter ihrem Wiegen an der<lb/> Sonne, nur Einmal entſchlafen!</p><lb/> <p>Ich erlebe keinen Sommertag mehr, darum will<lb/> ich den ſchoͤnſten, wo ich mit deinem Julius <note place="foot" n="*)">Julius wurde erſt im zwölften Jahre blind und hatte alſo<lb/> Vorſtellungen des Geſichts.<lb/></note> zum<lb/> erſtenmale bebend durch Lichtwolken und durch Harmo¬<lb/> nien drang und mit ihm vor einem donnernden Throne<lb/> niederfiel und zu ihm ſagte: »oben in der unerme߬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [265/0275]
Mein Horion!
Vor einigen Stunden hat die Zeit ihre Sand¬
uhr umgekehrt und jetzt rieſelt der Staub eines
neuen Jahres nieder. — Der Uranus ſchlaͤgt unſe¬
rer kleinen Erde die Jahrhunderte, die Sonne ſchlaͤgt
die Jahre, der Mond die Monate; und an dieſer
aus Welten zuſammengeſetzten Konzertuhr treten die
Menſchen als Bilder heraus, die freudig rufen und
toͤnen, wenn es ſchlaͤgt.
Auch ich trete froh herans unter das ſchoͤne Neu¬
jahrsmorgenroth das durch alle Wolken glimmt und
den hohen halben Himmel heraufbrennt. In einem
Jahre ſeh' ich aus einer andern Welt in die Sonne:
o wie wallet dieſes letztemal mein Herz unter dem
Erdengewoͤlk von Liebe uͤber gegen den Vater dieſer
ſchoͤnen Erde, gegen ſeine Kinder und meine Ge¬
ſchwiſter, gegen dieſe Blumenwiege, worin wir nur
Einmal erwachen und unter ihrem Wiegen an der
Sonne, nur Einmal entſchlafen!
Ich erlebe keinen Sommertag mehr, darum will
ich den ſchoͤnſten, wo ich mit deinem Julius *) zum
erſtenmale bebend durch Lichtwolken und durch Harmo¬
nien drang und mit ihm vor einem donnernden Throne
niederfiel und zu ihm ſagte: »oben in der unerme߬
*) Julius wurde erſt im zwölften Jahre blind und hatte alſo
Vorſtellungen des Geſichts.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |