Vor einigen Stunden hat die Zeit ihre Sand¬ uhr umgekehrt und jetzt rieselt der Staub eines neuen Jahres nieder. -- Der Uranus schlägt unse¬ rer kleinen Erde die Jahrhunderte, die Sonne schlägt die Jahre, der Mond die Monate; und an dieser aus Welten zusammengesetzten Konzertuhr treten die Menschen als Bilder heraus, die freudig rufen und tönen, wenn es schlägt.
Auch ich trete froh herans unter das schöne Neu¬ jahrsmorgenroth das durch alle Wolken glimmt und den hohen halben Himmel heraufbrennt. In einem Jahre seh' ich aus einer andern Welt in die Sonne: o wie wallet dieses letztemal mein Herz unter dem Erdengewölk von Liebe über gegen den Vater dieser schönen Erde, gegen seine Kinder und meine Ge¬ schwister, gegen diese Blumenwiege, worin wir nur Einmal erwachen und unter ihrem Wiegen an der Sonne, nur Einmal entschlafen!
Ich erlebe keinen Sommertag mehr, darum will ich den schönsten, wo ich mit deinem Julius *) zum erstenmale bebend durch Lichtwolken und durch Harmo¬ nien drang und mit ihm vor einem donnernden Throne niederfiel und zu ihm sagte: "oben in der unerme߬
*) Julius wurde erst im zwölften Jahre blind und hatte also Vorstellungen des Gesichts.
Mein Horion!
Vor einigen Stunden hat die Zeit ihre Sand¬ uhr umgekehrt und jetzt rieſelt der Staub eines neuen Jahres nieder. — Der Uranus ſchlaͤgt unſe¬ rer kleinen Erde die Jahrhunderte, die Sonne ſchlaͤgt die Jahre, der Mond die Monate; und an dieſer aus Welten zuſammengeſetzten Konzertuhr treten die Menſchen als Bilder heraus, die freudig rufen und toͤnen, wenn es ſchlaͤgt.
Auch ich trete froh herans unter das ſchoͤne Neu¬ jahrsmorgenroth das durch alle Wolken glimmt und den hohen halben Himmel heraufbrennt. In einem Jahre ſeh' ich aus einer andern Welt in die Sonne: o wie wallet dieſes letztemal mein Herz unter dem Erdengewoͤlk von Liebe uͤber gegen den Vater dieſer ſchoͤnen Erde, gegen ſeine Kinder und meine Ge¬ ſchwiſter, gegen dieſe Blumenwiege, worin wir nur Einmal erwachen und unter ihrem Wiegen an der Sonne, nur Einmal entſchlafen!
Ich erlebe keinen Sommertag mehr, darum will ich den ſchoͤnſten, wo ich mit deinem Julius *) zum erſtenmale bebend durch Lichtwolken und durch Harmo¬ nien drang und mit ihm vor einem donnernden Throne niederfiel und zu ihm ſagte: »oben in der unerme߬
*) Julius wurde erſt im zwölften Jahre blind und hatte alſo Vorſtellungen des Geſichts.
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Mein Horion!
Vor einigen Stunden hat die Zeit ihre Sand¬
uhr umgekehrt und jetzt rieſelt der Staub eines
neuen Jahres nieder. — Der Uranus ſchlaͤgt unſe¬
rer kleinen Erde die Jahrhunderte, die Sonne ſchlaͤgt
die Jahre, der Mond die Monate; und an dieſer
aus Welten zuſammengeſetzten Konzertuhr treten die
Menſchen als Bilder heraus, die freudig rufen und
toͤnen, wenn es ſchlaͤgt.
Auch ich trete froh herans unter das ſchoͤne Neu¬
jahrsmorgenroth das durch alle Wolken glimmt und
den hohen halben Himmel heraufbrennt. In einem
Jahre ſeh' ich aus einer andern Welt in die Sonne:
o wie wallet dieſes letztemal mein Herz unter dem
Erdengewoͤlk von Liebe uͤber gegen den Vater dieſer
ſchoͤnen Erde, gegen ſeine Kinder und meine Ge¬
ſchwiſter, gegen dieſe Blumenwiege, worin wir nur
Einmal erwachen und unter ihrem Wiegen an der
Sonne, nur Einmal entſchlafen!
Ich erlebe keinen Sommertag mehr, darum will
ich den ſchoͤnſten, wo ich mit deinem Julius *) zum
erſtenmale bebend durch Lichtwolken und durch Harmo¬
nien drang und mit ihm vor einem donnernden Throne
niederfiel und zu ihm ſagte: »oben in der unerme߬
*) Julius wurde erſt im zwölften Jahre blind und hatte alſo
Vorſtellungen des Geſichts.
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/275>, abgerufen am 17.05.2024.
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