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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.

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schien ihm eine Entschuldigung der seinigen zu seyn
und Joachime auf das Postament des Werths zu he¬
ben, auf das er sie mit allen Wagenwinden noch
nicht stellen können. Sogar das Gefühl seines stei¬
genden Werthes gab ihm neue Rechte zu lieben; und
heute würde sogar Klotildens Flor- und Fürstenhut
seine Helmkleinodien auf Joachimens kränklichen, ge¬
duldigern Kopf behauptet haben. In ihre fortgesetzte
Koketterie gegen das Narrenpaar hatt' er sich längst
gefügt, weil er recht gut wußte, wen sie unter drei
Weisen aus Morgenland nicht zum Narren habe,
sondern zum Anbeter. Aber zurück!

Matthieu, der ihr zu Gefallen auch zu Hause
blieb, und Viktor und sie formirten die ganze Bande
dieses concert spirituel. Joachime lehnte auf dem
Canapee ihren sanftern siechen Kopf an die Wand
zurück und blickte diagonal auf das Fuß-Getäfel und
sah mit den herübergezognen Augenliedern schöner
aus -- der Evangelist ging ab und zu -- Viktor
setzte wie allemal im Zimmer herum -- Es war ein
recht hübscher Abend und ich wollt', meiner würde
heute so. -- Das Gespräch wendete sich auf die
Liebe; und Viktor behauptete das Daseyn einer dop¬
pelten, der bürgerlichen und der stiftsfähigen oder
französischen. Er liebte die französische in Büchern
und als Simultanliebe, aber er haßte sie, sobald sie
die einzige seyn sollte; er definirte sie heute so:

ſchien ihm eine Entſchuldigung der ſeinigen zu ſeyn
und Joachime auf das Poſtament des Werths zu he¬
ben, auf das er ſie mit allen Wagenwinden noch
nicht ſtellen koͤnnen. Sogar das Gefuͤhl ſeines ſtei¬
genden Werthes gab ihm neue Rechte zu lieben; und
heute wuͤrde ſogar Klotildens Flor- und Fuͤrſtenhut
ſeine Helmkleinodien auf Joachimens kraͤnklichen, ge¬
duldigern Kopf behauptet haben. In ihre fortgeſetzte
Koketterie gegen das Narrenpaar hatt' er ſich laͤngſt
gefuͤgt, weil er recht gut wußte, wen ſie unter drei
Weiſen aus Morgenland nicht zum Narren habe,
ſondern zum Anbeter. Aber zuruͤck!

Matthieu, der ihr zu Gefallen auch zu Hauſe
blieb, und Viktor und ſie formirten die ganze Bande
dieſes concert spirituel. Joachime lehnte auf dem
Canapee ihren ſanftern ſiechen Kopf an die Wand
zuruͤck und blickte diagonal auf das Fuß-Getaͤfel und
ſah mit den heruͤbergezognen Augenliedern ſchoͤner
aus — der Evangeliſt ging ab und zu — Viktor
ſetzte wie allemal im Zimmer herum — Es war ein
recht huͤbſcher Abend und ich wollt'‚ meiner wuͤrde
heute ſo. — Das Geſpraͤch wendete ſich auf die
Liebe; und Viktor behauptete das Daſeyn einer dop¬
pelten, der buͤrgerlichen und der ſtiftsfaͤhigen oder
franzoͤſiſchen. Er liebte die franzoͤſiſche in Buͤchern
und als Simultanliebe‚ aber er haßte ſie‚ ſobald ſie
die einzige ſeyn ſollte; er definirte ſie heute ſo:

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[226/0236] ſchien ihm eine Entſchuldigung der ſeinigen zu ſeyn und Joachime auf das Poſtament des Werths zu he¬ ben, auf das er ſie mit allen Wagenwinden noch nicht ſtellen koͤnnen. Sogar das Gefuͤhl ſeines ſtei¬ genden Werthes gab ihm neue Rechte zu lieben; und heute wuͤrde ſogar Klotildens Flor- und Fuͤrſtenhut ſeine Helmkleinodien auf Joachimens kraͤnklichen, ge¬ duldigern Kopf behauptet haben. In ihre fortgeſetzte Koketterie gegen das Narrenpaar hatt' er ſich laͤngſt gefuͤgt, weil er recht gut wußte, wen ſie unter drei Weiſen aus Morgenland nicht zum Narren habe, ſondern zum Anbeter. Aber zuruͤck! Matthieu, der ihr zu Gefallen auch zu Hauſe blieb, und Viktor und ſie formirten die ganze Bande dieſes concert spirituel. Joachime lehnte auf dem Canapee ihren ſanftern ſiechen Kopf an die Wand zuruͤck und blickte diagonal auf das Fuß-Getaͤfel und ſah mit den heruͤbergezognen Augenliedern ſchoͤner aus — der Evangeliſt ging ab und zu — Viktor ſetzte wie allemal im Zimmer herum — Es war ein recht huͤbſcher Abend und ich wollt'‚ meiner wuͤrde heute ſo. — Das Geſpraͤch wendete ſich auf die Liebe; und Viktor behauptete das Daſeyn einer dop¬ pelten, der buͤrgerlichen und der ſtiftsfaͤhigen oder franzoͤſiſchen. Er liebte die franzoͤſiſche in Buͤchern und als Simultanliebe‚ aber er haßte ſie‚ ſobald ſie die einzige ſeyn ſollte; er definirte ſie heute ſo:

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/236>, abgerufen am 08.05.2024.