schien ihm eine Entschuldigung der seinigen zu seyn und Joachime auf das Postament des Werths zu he¬ ben, auf das er sie mit allen Wagenwinden noch nicht stellen können. Sogar das Gefühl seines stei¬ genden Werthes gab ihm neue Rechte zu lieben; und heute würde sogar Klotildens Flor- und Fürstenhut seine Helmkleinodien auf Joachimens kränklichen, ge¬ duldigern Kopf behauptet haben. In ihre fortgesetzte Koketterie gegen das Narrenpaar hatt' er sich längst gefügt, weil er recht gut wußte, wen sie unter drei Weisen aus Morgenland nicht zum Narren habe, sondern zum Anbeter. Aber zurück!
Matthieu, der ihr zu Gefallen auch zu Hause blieb, und Viktor und sie formirten die ganze Bande dieses concert spirituel. Joachime lehnte auf dem Canapee ihren sanftern siechen Kopf an die Wand zurück und blickte diagonal auf das Fuß-Getäfel und sah mit den herübergezognen Augenliedern schöner aus -- der Evangelist ging ab und zu -- Viktor setzte wie allemal im Zimmer herum -- Es war ein recht hübscher Abend und ich wollt', meiner würde heute so. -- Das Gespräch wendete sich auf die Liebe; und Viktor behauptete das Daseyn einer dop¬ pelten, der bürgerlichen und der stiftsfähigen oder französischen. Er liebte die französische in Büchern und als Simultanliebe, aber er haßte sie, sobald sie die einzige seyn sollte; er definirte sie heute so:
ſchien ihm eine Entſchuldigung der ſeinigen zu ſeyn und Joachime auf das Poſtament des Werths zu he¬ ben, auf das er ſie mit allen Wagenwinden noch nicht ſtellen koͤnnen. Sogar das Gefuͤhl ſeines ſtei¬ genden Werthes gab ihm neue Rechte zu lieben; und heute wuͤrde ſogar Klotildens Flor- und Fuͤrſtenhut ſeine Helmkleinodien auf Joachimens kraͤnklichen, ge¬ duldigern Kopf behauptet haben. In ihre fortgeſetzte Koketterie gegen das Narrenpaar hatt' er ſich laͤngſt gefuͤgt, weil er recht gut wußte, wen ſie unter drei Weiſen aus Morgenland nicht zum Narren habe, ſondern zum Anbeter. Aber zuruͤck!
Matthieu, der ihr zu Gefallen auch zu Hauſe blieb, und Viktor und ſie formirten die ganze Bande dieſes concert spirituel. Joachime lehnte auf dem Canapee ihren ſanftern ſiechen Kopf an die Wand zuruͤck und blickte diagonal auf das Fuß-Getaͤfel und ſah mit den heruͤbergezognen Augenliedern ſchoͤner aus — der Evangeliſt ging ab und zu — Viktor ſetzte wie allemal im Zimmer herum — Es war ein recht huͤbſcher Abend und ich wollt'‚ meiner wuͤrde heute ſo. — Das Geſpraͤch wendete ſich auf die Liebe; und Viktor behauptete das Daſeyn einer dop¬ pelten, der buͤrgerlichen und der ſtiftsfaͤhigen oder franzoͤſiſchen. Er liebte die franzoͤſiſche in Buͤchern und als Simultanliebe‚ aber er haßte ſie‚ ſobald ſie die einzige ſeyn ſollte; er definirte ſie heute ſo:
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0236"n="226"/>ſchien ihm eine Entſchuldigung der ſeinigen zu ſeyn<lb/>
und Joachime auf das Poſtament des Werths zu he¬<lb/>
ben, auf das er ſie mit allen Wagenwinden noch<lb/>
nicht ſtellen koͤnnen. Sogar das Gefuͤhl ſeines ſtei¬<lb/>
genden Werthes gab ihm neue Rechte zu lieben; und<lb/>
heute wuͤrde ſogar Klotildens Flor- und Fuͤrſtenhut<lb/>ſeine Helmkleinodien auf Joachimens kraͤnklichen, ge¬<lb/>
duldigern Kopf behauptet haben. In ihre fortgeſetzte<lb/>
Koketterie gegen das Narrenpaar hatt' er ſich laͤngſt<lb/>
gefuͤgt, weil er recht gut wußte, <hirendition="#g">wen</hi>ſie unter drei<lb/><hirendition="#g">Weiſen</hi> aus Morgenland nicht zum Narren habe,<lb/>ſondern zum Anbeter. Aber zuruͤck!</p><lb/><p>Matthieu, der ihr zu Gefallen auch zu Hauſe<lb/>
blieb, und Viktor und ſie formirten die ganze Bande<lb/>
dieſes <hirendition="#aq">concert spirituel</hi>. Joachime lehnte auf dem<lb/>
Canapee ihren ſanftern ſiechen Kopf an die Wand<lb/>
zuruͤck und blickte diagonal auf das Fuß-Getaͤfel und<lb/>ſah mit den heruͤbergezognen Augenliedern ſchoͤner<lb/>
aus — der Evangeliſt ging ab und zu — Viktor<lb/>ſetzte wie allemal im Zimmer herum — Es war ein<lb/>
recht huͤbſcher Abend und ich wollt'‚ meiner wuͤrde<lb/>
heute ſo. — Das Geſpraͤch wendete ſich auf die<lb/>
Liebe; und Viktor behauptete das Daſeyn einer dop¬<lb/>
pelten, der buͤrgerlichen und der ſtiftsfaͤhigen oder<lb/>
franzoͤſiſchen. Er liebte die franzoͤſiſche in Buͤchern<lb/>
und als Simultanliebe‚ aber er haßte ſie‚ſobald ſie<lb/>
die einzige ſeyn ſollte; er definirte ſie heute ſo:<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[226/0236]
ſchien ihm eine Entſchuldigung der ſeinigen zu ſeyn
und Joachime auf das Poſtament des Werths zu he¬
ben, auf das er ſie mit allen Wagenwinden noch
nicht ſtellen koͤnnen. Sogar das Gefuͤhl ſeines ſtei¬
genden Werthes gab ihm neue Rechte zu lieben; und
heute wuͤrde ſogar Klotildens Flor- und Fuͤrſtenhut
ſeine Helmkleinodien auf Joachimens kraͤnklichen, ge¬
duldigern Kopf behauptet haben. In ihre fortgeſetzte
Koketterie gegen das Narrenpaar hatt' er ſich laͤngſt
gefuͤgt, weil er recht gut wußte, wen ſie unter drei
Weiſen aus Morgenland nicht zum Narren habe,
ſondern zum Anbeter. Aber zuruͤck!
Matthieu, der ihr zu Gefallen auch zu Hauſe
blieb, und Viktor und ſie formirten die ganze Bande
dieſes concert spirituel. Joachime lehnte auf dem
Canapee ihren ſanftern ſiechen Kopf an die Wand
zuruͤck und blickte diagonal auf das Fuß-Getaͤfel und
ſah mit den heruͤbergezognen Augenliedern ſchoͤner
aus — der Evangeliſt ging ab und zu — Viktor
ſetzte wie allemal im Zimmer herum — Es war ein
recht huͤbſcher Abend und ich wollt'‚ meiner wuͤrde
heute ſo. — Das Geſpraͤch wendete ſich auf die
Liebe; und Viktor behauptete das Daſeyn einer dop¬
pelten, der buͤrgerlichen und der ſtiftsfaͤhigen oder
franzoͤſiſchen. Er liebte die franzoͤſiſche in Buͤchern
und als Simultanliebe‚ aber er haßte ſie‚ ſobald ſie
die einzige ſeyn ſollte; er definirte ſie heute ſo:
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/236>, abgerufen am 08.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.