nes Herzens durch zweierlei immer höher auf: durch jenes kalte fast schwärmende Ergeben ins Verblühen -- und durch etwas unaussprechlich Mildes und Weiches, was oft im weiblichen Gesicht das bre¬ chende Herz, das fallende Leben bezeichnet, wie das Obst durch weiches Nachgeben beim Druck seine Reife ansagt.
O ihr guten weiblichen Geschöpfe, macht euch der Kummer, da euch die Freude schon verschönert, vielleicht darum noch schöner und zu rührend, weil er euch öfter trift oder weil sich jener in diese klei¬ det? Warum muß ich hier die Freude über euer Er¬ dulden und Verschleiern der Schmerzen so flüchtig bekennen, da jetzt vor meiner Phantasie so viele Her¬ zen voll Thränen mit ofnen Angesichtern voll Lä¬ cheln vorüberziehen und eurem Geschlechte das Lob erwerben, daß es sich dem Kummer so gern wie der Freude öfne, wie die Blumen, ob sie sich gleich nur vor der Sonne aufthun, doch auch auseinander ge¬ hen, wenn diese der Wolkenhimmel überzieht? --
Viktor, ohne durch ihre Antwort irre zu werden, fuhr fort: "vielleicht können Sie sich nicht von der "schönen Natur entwöhnen und von der Bewegung "-- das Nachtsitzen, das ich selber empfinde" -- -- Sie ließ ihn nicht ausreden, um ihn daran zu erin¬ nern, daß sie ja die jetzige Farbe von Hause an den Hof mitgebracht; man sieht aber in dieser Erinne¬
nes Herzens durch zweierlei immer hoͤher auf: durch jenes kalte faſt ſchwaͤrmende Ergeben ins Verbluͤhen — und durch etwas unausſprechlich Mildes und Weiches, was oft im weiblichen Geſicht das bre¬ chende Herz, das fallende Leben bezeichnet, wie das Obſt durch weiches Nachgeben beim Druck ſeine Reife anſagt.
O ihr guten weiblichen Geſchoͤpfe, macht euch der Kummer, da euch die Freude ſchon verſchoͤnert, vielleicht darum noch ſchoͤner und zu ruͤhrend, weil er euch oͤfter trift oder weil ſich jener in dieſe klei¬ det? Warum muß ich hier die Freude uͤber euer Er¬ dulden und Verſchleiern der Schmerzen ſo fluͤchtig bekennen, da jetzt vor meiner Phantaſie ſo viele Her¬ zen voll Thraͤnen mit ofnen Angeſichtern voll Laͤ¬ cheln voruͤberziehen und eurem Geſchlechte das Lob erwerben, daß es ſich dem Kummer ſo gern wie der Freude oͤfne, wie die Blumen, ob ſie ſich gleich nur vor der Sonne aufthun, doch auch auseinander ge¬ hen, wenn dieſe der Wolkenhimmel uͤberzieht? —
Viktor, ohne durch ihre Antwort irre zu werden, fuhr fort: »vielleicht koͤnnen Sie ſich nicht von der »ſchoͤnen Natur entwoͤhnen und von der Bewegung »— das Nachtſitzen, das ich ſelber empfinde« — — Sie ließ ihn nicht ausreden, um ihn daran zu erin¬ nern, daß ſie ja die jetzige Farbe von Hauſe an den Hof mitgebracht; man ſieht aber in dieſer Erinne¬
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nes Herzens durch zweierlei immer hoͤher auf: durch
jenes kalte faſt ſchwaͤrmende Ergeben ins Verbluͤhen
— und durch etwas unausſprechlich Mildes und
Weiches, was oft im weiblichen Geſicht das bre¬
chende Herz, das fallende Leben bezeichnet, wie das
Obſt durch weiches Nachgeben beim Druck ſeine
Reife anſagt.
O ihr guten weiblichen Geſchoͤpfe, macht euch
der Kummer, da euch die Freude ſchon verſchoͤnert,
vielleicht darum noch ſchoͤner und zu ruͤhrend, weil
er euch oͤfter trift oder weil ſich jener in dieſe klei¬
det? Warum muß ich hier die Freude uͤber euer Er¬
dulden und Verſchleiern der Schmerzen ſo fluͤchtig
bekennen, da jetzt vor meiner Phantaſie ſo viele Her¬
zen voll Thraͤnen mit ofnen Angeſichtern voll Laͤ¬
cheln voruͤberziehen und eurem Geſchlechte das Lob
erwerben, daß es ſich dem Kummer ſo gern wie der
Freude oͤfne, wie die Blumen, ob ſie ſich gleich nur
vor der Sonne aufthun, doch auch auseinander ge¬
hen, wenn dieſe der Wolkenhimmel uͤberzieht? —
Viktor, ohne durch ihre Antwort irre zu werden,
fuhr fort: »vielleicht koͤnnen Sie ſich nicht von der
»ſchoͤnen Natur entwoͤhnen und von der Bewegung
»— das Nachtſitzen, das ich ſelber empfinde« — —
Sie ließ ihn nicht ausreden, um ihn daran zu erin¬
nern, daß ſie ja die jetzige Farbe von Hauſe an den
Hof mitgebracht; man ſieht aber in dieſer Erinne¬
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/225>, abgerufen am 16.02.2025.
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