Zudringlichkeit mit dem Befehle der Fürstin. Ich muß vorher berichten, daß die Kranke, -- ob er gleich bisher ein fallender Petrus war, den manches Hahngeschrei mehr zum Weinen als zum Bessern brachte -- doch die zweite Person blieb, die er nie verläugnete, d. h. die er nie mit seinen jetzigen fri¬ volen, launigten, kühnen, fangenden Wendungen an¬ redete. Die erste Person -- die er zu hoch achtete, um mit seinem jetzigen Herzen an sie zu schreiben -- war der geliebte Emanuel.
Klotilde antwortete ihm gerührt: "sie sey so "wohl wie immer: das einzige, was an ihr krank "sey (sagte sie lächelnd) nämlich der Teint, sey schon "unter den Händen einer Wundärztin, die sie wider "ihre Neigung bloß von außen heile." Diese scherzhafte Erwähnung des von der Fürstin dekretirten Schmin¬ kens hatte die doppelte Absicht, ihr Schminken zu entschuldigen und den Doktor aus seinem weichherzi¬ gen Ernst zu bringen. Aber das erste war unnöthig -- da im Theater sogar Damen, die nie Roth auf¬ legen, es beim Eintritt in die Loge auftrugen und beim Ausgang ausstrichen, um nicht an einen Baum voll glühender Stettineräpfel als die einzigen Quit¬ ten da zu hängen und da überhaupt von dem ganzen weiblichen Hofstaat die mineralischen Wangen als Hof-Gesichtslivree gefodert wurden. Das zweite war vergeblich; vielmehr schwollen die Wunden sei¬
Zudringlichkeit mit dem Befehle der Fuͤrſtin. Ich muß vorher berichten, daß die Kranke, — ob er gleich bisher ein fallender Petrus war, den manches Hahngeſchrei mehr zum Weinen als zum Beſſern brachte — doch die zweite Perſon blieb, die er nie verlaͤugnete, d. h. die er nie mit ſeinen jetzigen fri¬ volen, launigten, kuͤhnen, fangenden Wendungen an¬ redete. Die erſte Perſon — die er zu hoch achtete, um mit ſeinem jetzigen Herzen an ſie zu ſchreiben — war der geliebte Emanuel.
Klotilde antwortete ihm geruͤhrt: »ſie ſey ſo »wohl wie immer: das einzige, was an ihr krank »ſey (ſagte ſie laͤchelnd) naͤmlich der Teint, ſey ſchon »unter den Haͤnden einer Wundaͤrztin, die ſie wider »ihre Neigung bloß von außen heile.« Dieſe ſcherzhafte Erwaͤhnung des von der Fuͤrſtin dekretirten Schmin¬ kens hatte die doppelte Abſicht, ihr Schminken zu entſchuldigen und den Doktor aus ſeinem weichherzi¬ gen Ernſt zu bringen. Aber das erſte war unnoͤthig — da im Theater ſogar Damen, die nie Roth auf¬ legen, es beim Eintritt in die Loge auftrugen und beim Ausgang ausſtrichen, um nicht an einen Baum voll gluͤhender Stettineraͤpfel als die einzigen Quit¬ ten da zu haͤngen und da uͤberhaupt von dem ganzen weiblichen Hofſtaat die mineraliſchen Wangen als Hof-Geſichtslivree gefodert wurden. Das zweite war vergeblich; vielmehr ſchwollen die Wunden ſei¬
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Zudringlichkeit mit dem Befehle der Fuͤrſtin. Ich
muß vorher berichten, daß die Kranke, — ob er
gleich bisher ein fallender Petrus war, den manches
Hahngeſchrei mehr zum Weinen als zum Beſſern
brachte — doch die zweite Perſon blieb, die er nie
verlaͤugnete, d. h. die er nie mit ſeinen jetzigen fri¬
volen, launigten, kuͤhnen, fangenden Wendungen an¬
redete. Die erſte Perſon — die er zu hoch achtete,
um mit ſeinem jetzigen Herzen an ſie zu ſchreiben —
war der geliebte Emanuel.
Klotilde antwortete ihm geruͤhrt: »ſie ſey ſo
»wohl wie immer: das einzige, was an ihr krank
»ſey (ſagte ſie laͤchelnd) naͤmlich der Teint, ſey ſchon
»unter den Haͤnden einer Wundaͤrztin, die ſie wider
»ihre Neigung bloß von außen heile.« Dieſe ſcherzhafte
Erwaͤhnung des von der Fuͤrſtin dekretirten Schmin¬
kens hatte die doppelte Abſicht, ihr Schminken zu
entſchuldigen und den Doktor aus ſeinem weichherzi¬
gen Ernſt zu bringen. Aber das erſte war unnoͤthig
— da im Theater ſogar Damen, die nie Roth auf¬
legen, es beim Eintritt in die Loge auftrugen und
beim Ausgang ausſtrichen, um nicht an einen Baum
voll gluͤhender Stettineraͤpfel als die einzigen Quit¬
ten da zu haͤngen und da uͤberhaupt von dem ganzen
weiblichen Hofſtaat die mineraliſchen Wangen als
Hof-Geſichtslivree gefodert wurden. Das zweite
war vergeblich; vielmehr ſchwollen die Wunden ſei¬
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/224>, abgerufen am 21.11.2024.
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