er die kranke Klotilde wieder mit dem Abendroth der Schminke sah, worin sie auf fremdes Geheiß so¬ gar unter dem Untergehen schimmern sollte -- da er dieses stille zum Altar gleichsam roth bezeichnete Opfer, das er und andere von seinen Fluren, von seinen einsamen Blumen weggetrieben unter die Opfermesser der Kurial-Guillotine, den Untergang seiner Wünsche stumm erdulden sah und da er mit dem weiblichen Verstummen das männliche Toben verglich -- und da Klotilde ihren Schmerz der Iphi¬ genie geliehen zu haben schien mit der Bitte: "nimm mein Herz, nimm meine Stimme und klage "damit, klage damit über die Entfernung von den "Jugendgefilden, über die Entfernung vom geliebten "Bruder" -- und da er sah wie Klotilde die Au¬ gen fester an die Iphigenie, wenn sie nach dem ver¬ lornen Bruder schmachtete, anzuschließen suchte, um die Ergießung und die Richtung derselben (nach ih¬ rem eignen auf dem Parterre nach Flamin,) zu be¬ herrschen: o dann brauchten so große Schmerzen und so viele Zeichen derselben in seinen Augen und Mi¬ nen einen solchen Vorwand wie die Allmacht des Genies ist, um mit Schmerzen der Täuschung ver¬ wechselt zu werden.
Nie hat ein Arzt seine Klientin mit größerer Theilnahme und Schonung ausgefragt als er Klotil¬ den im nächsten Zwischenakte: er entschuldigte seine
er die kranke Klotilde wieder mit dem Abendroth der Schminke ſah, worin ſie auf fremdes Geheiß ſo¬ gar unter dem Untergehen ſchimmern ſollte — da er dieſes ſtille zum Altar gleichſam roth bezeichnete Opfer, das er und andere von ſeinen Fluren, von ſeinen einſamen Blumen weggetrieben unter die Opfermeſſer der Kurial-Guillotine, den Untergang ſeiner Wuͤnſche ſtumm erdulden ſah und da er mit dem weiblichen Verſtummen das maͤnnliche Toben verglich — und da Klotilde ihren Schmerz der Iphi¬ genie geliehen zu haben ſchien mit der Bitte: »nimm mein Herz, nimm meine Stimme und klage »damit, klage damit uͤber die Entfernung von den »Jugendgefilden, uͤber die Entfernung vom geliebten »Bruder« — und da er ſah wie Klotilde die Au¬ gen feſter an die Iphigenie, wenn ſie nach dem ver¬ lornen Bruder ſchmachtete, anzuſchließen ſuchte, um die Ergießung und die Richtung derſelben (nach ih¬ rem eignen auf dem Parterre nach Flamin,) zu be¬ herrſchen: o dann brauchten ſo große Schmerzen und ſo viele Zeichen derſelben in ſeinen Augen und Mi¬ nen einen ſolchen Vorwand wie die Allmacht des Genies iſt, um mit Schmerzen der Taͤuſchung ver¬ wechſelt zu werden.
Nie hat ein Arzt ſeine Klientin mit groͤßerer Theilnahme und Schonung ausgefragt als er Klotil¬ den im naͤchſten Zwiſchenakte: er entſchuldigte ſeine
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er die kranke Klotilde wieder mit dem Abendroth
der Schminke ſah, worin ſie auf fremdes Geheiß ſo¬
gar unter dem Untergehen ſchimmern ſollte — da er
dieſes ſtille zum Altar gleichſam roth bezeichnete
Opfer, das er und andere von ſeinen Fluren, von
ſeinen einſamen Blumen weggetrieben unter die
Opfermeſſer der Kurial-Guillotine, den Untergang
ſeiner Wuͤnſche ſtumm erdulden ſah und da er mit
dem weiblichen Verſtummen das maͤnnliche Toben
verglich — und da Klotilde ihren Schmerz der Iphi¬
genie geliehen zu haben ſchien mit der Bitte:
»nimm mein Herz, nimm meine Stimme und klage
»damit, klage damit uͤber die Entfernung von den
»Jugendgefilden, uͤber die Entfernung vom geliebten
»Bruder« — und da er ſah wie Klotilde die Au¬
gen feſter an die Iphigenie, wenn ſie nach dem ver¬
lornen Bruder ſchmachtete, anzuſchließen ſuchte, um
die Ergießung und die Richtung derſelben (nach ih¬
rem eignen auf dem Parterre nach Flamin,) zu be¬
herrſchen: o dann brauchten ſo große Schmerzen und
ſo viele Zeichen derſelben in ſeinen Augen und Mi¬
nen einen ſolchen Vorwand wie die Allmacht des
Genies iſt, um mit Schmerzen der Taͤuſchung ver¬
wechſelt zu werden.
Nie hat ein Arzt ſeine Klientin mit groͤßerer
Theilnahme und Schonung ausgefragt als er Klotil¬
den im naͤchſten Zwiſchenakte: er entſchuldigte ſeine
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/223>, abgerufen am 21.11.2024.
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