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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.

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Beiläufig! Es wäre Boßheit von mir gegen den
edeln Maz, wenn ichs länger unterdrückte, daß er
seit einiger Zeit gegen meinen Helden viel sanfter
und inbrünstiger wurde -- welches bloß an einem
andern Menschen, ich meine an einem nachstellenden
Schelm ein Kains-Zeichen wäre und etwan so viel
bedeutete wie das Wedeln eines Katzenschwanzes. --

Viktor erstaunte über die Bitte der Fürstin, --
Klotilden zu heilen: das heißt, nicht über die Bitte
-- denn sie beehrte ihn jetzt öfters damit -- son¬
dern über die Nachricht, daß Klotilde, auf deren
Wangen er bisher die Aepfelblüten der Gesundheit
auf Kosten seiner Seele in den Rennwochen ge¬
sehen, bloß taube Blüten getragen hatte, nämlich
weniger Schminke, die ihr die Fürstin wegen der
Symmetrie mit den übrigen rothen Kupferblumen
des Hofes befehlen müssen. Die Fürstin, die wie
ihr Stand rasch war, ersucht' ihn noch, da er zur
medizinischen Oberexaminationskommission ernennet
war, sein Amt recht bald, schon heute im Schau¬
spiele zu verwalten, wo er die Pazientin und Exa¬
minandin treffen konnte. . . . . Ich bin so begierig
und erweicht zugleich, daß ich über Viktors heutige
Stunden und Schmerzen wegspringe, um Abends
hinter ihm und ihr in der Loge zu stehen.

Das Schauspiel war ein aus Eldorado geliefer¬
ter funkelnder Solitaire, Göthes Iphigenie. Da

Beilaͤufig! Es waͤre Boßheit von mir gegen den
edeln Maz, wenn ichs laͤnger unterdruͤckte, daß er
ſeit einiger Zeit gegen meinen Helden viel ſanfter
und inbruͤnſtiger wurde — welches bloß an einem
andern Menſchen, ich meine an einem nachſtellenden
Schelm ein Kains-Zeichen waͤre und etwan ſo viel
bedeutete wie das Wedeln eines Katzenſchwanzes. —

Viktor erſtaunte uͤber die Bitte der Fuͤrſtin, —
Klotilden zu heilen: das heißt, nicht uͤber die Bitte
— denn ſie beehrte ihn jetzt oͤfters damit — ſon¬
dern uͤber die Nachricht, daß Klotilde, auf deren
Wangen er bisher die Aepfelbluͤten der Geſundheit
auf Koſten ſeiner Seele in den Rennwochen ge¬
ſehen, bloß taube Bluͤten getragen hatte, naͤmlich
weniger Schminke, die ihr die Fuͤrſtin wegen der
Symmetrie mit den uͤbrigen rothen Kupferblumen
des Hofes befehlen muͤſſen. Die Fuͤrſtin, die wie
ihr Stand raſch war, erſucht' ihn noch, da er zur
mediziniſchen Oberexaminationskommiſſion ernennet
war, ſein Amt recht bald, ſchon heute im Schau¬
ſpiele zu verwalten, wo er die Pazientin und Exa¬
minandin treffen konnte. . . . . Ich bin ſo begierig
und erweicht zugleich, daß ich uͤber Viktors heutige
Stunden und Schmerzen wegſpringe, um Abends
hinter ihm und ihr in der Loge zu ſtehen.

Das Schauſpiel war ein aus Eldorado geliefer¬
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[212/0222] Beilaͤufig! Es waͤre Boßheit von mir gegen den edeln Maz, wenn ichs laͤnger unterdruͤckte, daß er ſeit einiger Zeit gegen meinen Helden viel ſanfter und inbruͤnſtiger wurde — welches bloß an einem andern Menſchen, ich meine an einem nachſtellenden Schelm ein Kains-Zeichen waͤre und etwan ſo viel bedeutete wie das Wedeln eines Katzenſchwanzes. — Viktor erſtaunte uͤber die Bitte der Fuͤrſtin, — Klotilden zu heilen: das heißt, nicht uͤber die Bitte — denn ſie beehrte ihn jetzt oͤfters damit — ſon¬ dern uͤber die Nachricht, daß Klotilde, auf deren Wangen er bisher die Aepfelbluͤten der Geſundheit auf Koſten ſeiner Seele in den Rennwochen ge¬ ſehen, bloß taube Bluͤten getragen hatte, naͤmlich weniger Schminke, die ihr die Fuͤrſtin wegen der Symmetrie mit den uͤbrigen rothen Kupferblumen des Hofes befehlen muͤſſen. Die Fuͤrſtin, die wie ihr Stand raſch war, erſucht' ihn noch, da er zur mediziniſchen Oberexaminationskommiſſion ernennet war, ſein Amt recht bald, ſchon heute im Schau¬ ſpiele zu verwalten, wo er die Pazientin und Exa¬ minandin treffen konnte. . . . . Ich bin ſo begierig und erweicht zugleich, daß ich uͤber Viktors heutige Stunden und Schmerzen wegſpringe, um Abends hinter ihm und ihr in der Loge zu ſtehen. Das Schauſpiel war ein aus Eldorado geliefer¬ ter funkelnder Solitaire, Goͤthes Iphigenie. Da

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/222>, abgerufen am 08.05.2024.