aber er war längst durch den Hof die zu ertragen abgehärtet, die er hassen mußte.
Unter dieser Disputation hatte der edle Maz die ganze Gruppe unvermerkt in schwarzem Pa¬ pier nachgeschnitten. "Ach! sagte Joachime, das ist nicht das erstemal, daß er Gesellschaften schwarz abbildet." -- Da aber Viktor Silhouettengruppen niemals sehen konnte ohne an uns zerrinnende Schatten-Menschen, an dieses versiegende Zwerg Le¬ ben, an die auf das Leben gezeichnete Nachtstücke, und an die Schattenpartien, die man Völker nennt, zu denken -- und da ihn daran außer seiner Trau¬ rigkeit und außer einem Wachs-Skelet, von Mad. Biheron, das im Naturaliensaale stand, noch mehr die blasse Gestalt Klotildens erinnerte -- und da diese, mit den vergleichenden Augen auf dem Ge¬ rippe und dem Schattenbilde, leise zu Viktor sagte: "mich könnten zu einer andern Zeit so viele Aehn¬ "lichkeiten traurig machen" -- so durchschnitt sein volles Herz der scharfe Schmerz über seine ewige Armuth, und über die Gewißheit: "dieses große "schöne Herz bewegt sich nie für deines und wenn "ihr Freund Emanuel gestorben ist, bleibst du immer "allein:" -- und er trat ans Fenster, drehte es hart "auf, schlang den Nordwind ein, zerdrückte mit der Faust die zwei Augäpfel und ging mit den -- vori¬ gen Zügen wieder zu den Andern.
aber er war laͤngſt durch den Hof die zu ertragen abgehaͤrtet, die er haſſen mußte.
Unter dieſer Diſputation hatte der edle Maz die ganze Gruppe unvermerkt in ſchwarzem Pa¬ pier nachgeſchnitten. »Ach! ſagte Joachime, das iſt nicht das erſtemal, daß er Geſellſchaften ſchwarz abbildet.« — Da aber Viktor Silhouettengruppen niemals ſehen konnte ohne an uns zerrinnende Schatten-Menſchen, an dieſes verſiegende Zwerg Le¬ ben, an die auf das Leben gezeichnete Nachtſtuͤcke, und an die Schattenpartien, die man Voͤlker nennt, zu denken — und da ihn daran außer ſeiner Trau¬ rigkeit und außer einem Wachs-Skelet, von Mad. Biheron, das im Naturalienſaale ſtand, noch mehr die blaſſe Geſtalt Klotildens erinnerte — und da dieſe, mit den vergleichenden Augen auf dem Ge¬ rippe und dem Schattenbilde, leiſe zu Viktor ſagte: »mich koͤnnten zu einer andern Zeit ſo viele Aehn¬ »lichkeiten traurig machen« — ſo durchſchnitt ſein volles Herz der ſcharfe Schmerz uͤber ſeine ewige Armuth, und uͤber die Gewißheit: »dieſes große »ſchoͤne Herz bewegt ſich nie fuͤr deines und wenn »ihr Freund Emanuel geſtorben iſt, bleibſt du immer »allein:« — und er trat ans Fenſter, drehte es hart »auf, ſchlang den Nordwind ein, zerdruͤckte mit der Fauſt die zwei Augaͤpfel und ging mit den — vori¬ gen Zuͤgen wieder zu den Andern.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0206"n="196"/>
aber er war laͤngſt durch den Hof die zu ertragen<lb/>
abgehaͤrtet, die er haſſen mußte.</p><lb/><p>Unter dieſer Diſputation hatte der edle Maz<lb/>
die ganze Gruppe unvermerkt in ſchwarzem Pa¬<lb/>
pier nachgeſchnitten. »Ach! ſagte Joachime, das<lb/>
iſt nicht das erſtemal, daß er Geſellſchaften <hirendition="#g">ſchwarz</hi><lb/>
abbildet.« — Da aber Viktor Silhouettengruppen<lb/>
niemals ſehen konnte ohne an uns zerrinnende<lb/>
Schatten-Menſchen, an dieſes verſiegende Zwerg Le¬<lb/>
ben, an die auf das Leben gezeichnete Nachtſtuͤcke,<lb/>
und an die Schattenpartien, die man Voͤlker nennt,<lb/>
zu denken — und da ihn daran außer ſeiner Trau¬<lb/>
rigkeit und außer einem Wachs-Skelet, von Mad.<lb/>
Biheron, das im Naturalienſaale ſtand, noch mehr<lb/>
die blaſſe Geſtalt Klotildens erinnerte — und da<lb/>
dieſe, mit den vergleichenden Augen auf dem Ge¬<lb/>
rippe und dem Schattenbilde, leiſe zu Viktor ſagte:<lb/>
»mich koͤnnten zu einer andern Zeit ſo viele Aehn¬<lb/>
»lichkeiten traurig machen« —ſo durchſchnitt ſein<lb/>
volles Herz der ſcharfe Schmerz uͤber ſeine ewige<lb/>
Armuth, und uͤber die Gewißheit: »dieſes große<lb/>
»ſchoͤne Herz bewegt ſich nie fuͤr deines und wenn<lb/>
»ihr Freund Emanuel geſtorben iſt, bleibſt du immer<lb/>
»allein:« — und er trat ans Fenſter, drehte es hart<lb/>
»auf, ſchlang den Nordwind ein, zerdruͤckte mit der<lb/>
Fauſt die zwei Augaͤpfel und ging mit den — vori¬<lb/>
gen Zuͤgen wieder zu den Andern.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[196/0206]
aber er war laͤngſt durch den Hof die zu ertragen
abgehaͤrtet, die er haſſen mußte.
Unter dieſer Diſputation hatte der edle Maz
die ganze Gruppe unvermerkt in ſchwarzem Pa¬
pier nachgeſchnitten. »Ach! ſagte Joachime, das
iſt nicht das erſtemal, daß er Geſellſchaften ſchwarz
abbildet.« — Da aber Viktor Silhouettengruppen
niemals ſehen konnte ohne an uns zerrinnende
Schatten-Menſchen, an dieſes verſiegende Zwerg Le¬
ben, an die auf das Leben gezeichnete Nachtſtuͤcke,
und an die Schattenpartien, die man Voͤlker nennt,
zu denken — und da ihn daran außer ſeiner Trau¬
rigkeit und außer einem Wachs-Skelet, von Mad.
Biheron, das im Naturalienſaale ſtand, noch mehr
die blaſſe Geſtalt Klotildens erinnerte — und da
dieſe, mit den vergleichenden Augen auf dem Ge¬
rippe und dem Schattenbilde, leiſe zu Viktor ſagte:
»mich koͤnnten zu einer andern Zeit ſo viele Aehn¬
»lichkeiten traurig machen« — ſo durchſchnitt ſein
volles Herz der ſcharfe Schmerz uͤber ſeine ewige
Armuth, und uͤber die Gewißheit: »dieſes große
»ſchoͤne Herz bewegt ſich nie fuͤr deines und wenn
»ihr Freund Emanuel geſtorben iſt, bleibſt du immer
»allein:« — und er trat ans Fenſter, drehte es hart
»auf, ſchlang den Nordwind ein, zerdruͤckte mit der
Fauſt die zwei Augaͤpfel und ging mit den — vori¬
gen Zuͤgen wieder zu den Andern.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/206>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.