bleichte Rosenblätter. Aber jetzt war die Sonne ein Mond -- sie hatte in irgend einem Kummer wie der Saphyr im Feuer nichts verloren als die Farbe, statt des Blutes schien jetzt die stillere schönere, zär¬ tere Seele selber näher durch den weißen Florvor¬ hang zu blicken. Alles Blut, das aus ihren Wan¬ gen zurückgewichen war, floß in seine über und stieg ihm wie ein Zaubertrank in den Kopf, durch den folgende Bilder liefen: "wahrscheinlich machte sie "mehr der Zank mit ihren Eltern, weniger der Kum¬ "mer, hieher getrieben zu werden, krank!" --
Wenn man sich einmal vorgesetzt hat, sich kalt zu stellen: so wird mans noch mehr, wenn man Ur¬ sachen findet, es nicht zu werden. Viktor wurde es noch mehr durch Klotildens Eltern, die mit da wa¬ ren und von deren Fehler ihm auf einmal der Deck¬ mantel weggezogen zu seyn schien: an Personen, die man einer dritten wegen zu hoch geachtet, rächt man sich, wenn uns die dritte nicht mehr zwingt, durch eine größere Devalvation derselben. Auch sagte er zu sich: "da sie ihren Bruder Flamin jetzt "selten sieht: so wärs einfältig, sie einer verlegnen "Minute durch die Erzählung bloßzustellen, daß ich "alles weiß." -- Armer Viktor! -- Gleichwohl wars ihm unmöglich, sein Herz nur mit so viel elektrischer Wärme vollzuladen -- er rieb es mit Kazenfellen, er schlug es mit Fuchsschwänzen -- als
bleichte Roſenblaͤtter. Aber jetzt war die Sonne ein Mond — ſie hatte in irgend einem Kummer wie der Saphyr im Feuer nichts verloren als die Farbe, ſtatt des Blutes ſchien jetzt die ſtillere ſchoͤnere, zaͤr¬ tere Seele ſelber naͤher durch den weißen Florvor¬ hang zu blicken. Alles Blut, das aus ihren Wan¬ gen zuruͤckgewichen war, floß in ſeine uͤber und ſtieg ihm wie ein Zaubertrank in den Kopf, durch den folgende Bilder liefen: »wahrſcheinlich machte ſie »mehr der Zank mit ihren Eltern, weniger der Kum¬ »mer, hieher getrieben zu werden, krank!« —
Wenn man ſich einmal vorgeſetzt hat, ſich kalt zu ſtellen: ſo wird mans noch mehr, wenn man Ur¬ ſachen findet, es nicht zu werden. Viktor wurde es noch mehr durch Klotildens Eltern, die mit da wa¬ ren und von deren Fehler ihm auf einmal der Deck¬ mantel weggezogen zu ſeyn ſchien: an Perſonen, die man einer dritten wegen zu hoch geachtet, raͤcht man ſich, wenn uns die dritte nicht mehr zwingt, durch eine groͤßere Devalvation derſelben. Auch ſagte er zu ſich: »da ſie ihren Bruder Flamin jetzt »ſelten ſieht: ſo waͤrs einfaͤltig, ſie einer verlegnen »Minute durch die Erzaͤhlung bloßzuſtellen, daß ich »alles weiß.« — Armer Viktor! — Gleichwohl wars ihm unmoͤglich, ſein Herz nur mit ſo viel elektriſcher Waͤrme vollzuladen — er rieb es mit Kazenfellen, er ſchlug es mit Fuchsſchwaͤnzen — als
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bleichte Roſenblaͤtter. Aber jetzt war die Sonne ein
Mond — ſie hatte in irgend einem Kummer wie
der Saphyr im Feuer nichts verloren als die Farbe,
ſtatt des Blutes ſchien jetzt die ſtillere ſchoͤnere, zaͤr¬
tere Seele ſelber naͤher durch den weißen Florvor¬
hang zu blicken. Alles Blut, das aus ihren Wan¬
gen zuruͤckgewichen war, floß in ſeine uͤber und ſtieg
ihm wie ein Zaubertrank in den Kopf, durch den
folgende Bilder liefen: »wahrſcheinlich machte ſie
»mehr der Zank mit ihren Eltern, weniger der Kum¬
»mer, hieher getrieben zu werden, krank!« —
Wenn man ſich einmal vorgeſetzt hat, ſich kalt
zu ſtellen: ſo wird mans noch mehr, wenn man Ur¬
ſachen findet, es nicht zu werden. Viktor wurde es
noch mehr durch Klotildens Eltern, die mit da wa¬
ren und von deren Fehler ihm auf einmal der Deck¬
mantel weggezogen zu ſeyn ſchien: an Perſonen, die
man einer dritten wegen zu hoch geachtet, raͤcht
man ſich, wenn uns die dritte nicht mehr zwingt,
durch eine groͤßere Devalvation derſelben. Auch
ſagte er zu ſich: »da ſie ihren Bruder Flamin jetzt
»ſelten ſieht: ſo waͤrs einfaͤltig, ſie einer verlegnen
»Minute durch die Erzaͤhlung bloßzuſtellen, daß ich
»alles weiß.« — Armer Viktor! — Gleichwohl
wars ihm unmoͤglich, ſein Herz nur mit ſo viel
elektriſcher Waͤrme vollzuladen — er rieb es mit
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/200>, abgerufen am 21.11.2024.
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