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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.

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ihren Florhut nicht aufbehalten, den sie so liebte
und Viktor auch, aber an ihr nicht: denn es war
gerade der, den Klotilde getragen, als sie unter dem
Konzerte ihre nasse Augen mit dem schwarzen Spi¬
tzenflor verhüllte, der nachher über seine beraubte Au¬
gen immer herüberhing.

Ich will den Courtag beschreiben.

Die hauptsächliche Absicht, warum der Hof um
sechs Uhr Abends vorgefahren kam, war die, um
neun Uhr recht ärgerlich wieder heimzufahren. Ich
kanns aber zehnmal weitläuftiger vortragen:

Um sechs Uhr fuhr Viktor mit der übrigen kom¬
mandirten Brüder- und Schwestergemeine ins Paul¬
linum. Er beneidete oder segnete vielmehr, den
Zeugmacher, den Stiefelwixer, den Holzhacker, der
Abends seinen Krug Bier, seine Andacht, seine Stol¬
len und seine trompetenden Kinder hatte, desgleichen
ihre Weiber, die sich heute schon Morgen genossen,
nämlich die marmorirte gesprenkelte Kleiderrinde für
den zweiten Feiertag. Im bunten Dunst und Thier¬
kreis stand die Fürstin als Sonne, eben so unglück¬
lich wie ihre Unglücklichen: nur der Traum, dacht'
er, kann einen König glücklich machen oder einen
Armen unglücklich. Als er sah wie sie alle nach ei¬
nem sparsamen Froschregen von Worten und nach
Erfrischungen, d. h. Erhitzungen und Ermattungen,
ein Postzug um den andern nach dem Hof- und

Hesperus. II. Th. M

ihren Florhut nicht aufbehalten, den ſie ſo liebte
und Viktor auch, aber an ihr nicht: denn es war
gerade der, den Klotilde getragen, als ſie unter dem
Konzerte ihre naſſe Augen mit dem ſchwarzen Spi¬
tzenflor verhuͤllte, der nachher uͤber ſeine beraubte Au¬
gen immer heruͤberhing.

Ich will den Courtag beſchreiben.

Die hauptſaͤchliche Abſicht, warum der Hof um
ſechs Uhr Abends vorgefahren kam, war die, um
neun Uhr recht aͤrgerlich wieder heimzufahren. Ich
kanns aber zehnmal weitlaͤuftiger vortragen:

Um ſechs Uhr fuhr Viktor mit der uͤbrigen kom¬
mandirten Bruͤder- und Schweſtergemeine ins Paul¬
linum. Er beneidete oder ſegnete vielmehr, den
Zeugmacher, den Stiefelwixer, den Holzhacker, der
Abends ſeinen Krug Bier, ſeine Andacht, ſeine Stol¬
len und ſeine trompetenden Kinder hatte, desgleichen
ihre Weiber, die ſich heute ſchon Morgen genoſſen,
naͤmlich die marmorirte geſprenkelte Kleiderrinde fuͤr
den zweiten Feiertag. Im bunten Dunſt und Thier¬
kreis ſtand die Fuͤrſtin als Sonne, eben ſo ungluͤck¬
lich wie ihre Ungluͤcklichen: nur der Traum, dacht'
er, kann einen Koͤnig gluͤcklich machen oder einen
Armen ungluͤcklich. Als er ſah wie ſie alle nach ei¬
nem ſparſamen Froſchregen von Worten und nach
Erfriſchungen, d. h. Erhitzungen und Ermattungen,
ein Poſtzug um den andern nach dem Hof- und

Heſperus. II. Th. M
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[177/0187] ihren Florhut nicht aufbehalten, den ſie ſo liebte und Viktor auch, aber an ihr nicht: denn es war gerade der, den Klotilde getragen, als ſie unter dem Konzerte ihre naſſe Augen mit dem ſchwarzen Spi¬ tzenflor verhuͤllte, der nachher uͤber ſeine beraubte Au¬ gen immer heruͤberhing. Ich will den Courtag beſchreiben. Die hauptſaͤchliche Abſicht, warum der Hof um ſechs Uhr Abends vorgefahren kam, war die, um neun Uhr recht aͤrgerlich wieder heimzufahren. Ich kanns aber zehnmal weitlaͤuftiger vortragen: Um ſechs Uhr fuhr Viktor mit der uͤbrigen kom¬ mandirten Bruͤder- und Schweſtergemeine ins Paul¬ linum. Er beneidete oder ſegnete vielmehr, den Zeugmacher, den Stiefelwixer, den Holzhacker, der Abends ſeinen Krug Bier, ſeine Andacht, ſeine Stol¬ len und ſeine trompetenden Kinder hatte, desgleichen ihre Weiber, die ſich heute ſchon Morgen genoſſen, naͤmlich die marmorirte geſprenkelte Kleiderrinde fuͤr den zweiten Feiertag. Im bunten Dunſt und Thier¬ kreis ſtand die Fuͤrſtin als Sonne, eben ſo ungluͤck¬ lich wie ihre Ungluͤcklichen: nur der Traum, dacht' er, kann einen Koͤnig gluͤcklich machen oder einen Armen ungluͤcklich. Als er ſah wie ſie alle nach ei¬ nem ſparſamen Froſchregen von Worten und nach Erfriſchungen, d. h. Erhitzungen und Ermattungen, ein Poſtzug um den andern nach dem Hof- und Heſperus. II. Th. M

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/187>, abgerufen am 21.11.2024.