Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

Hamiltons memoires) das Bilderausschneiden, das
Joujou. Mit dieser Sucht, sich zu amüsiren, steckt
sie zum Theil die Gewohnheit an, ihre Obern zu
amüsiren, weil diese den alten Göttern gleichen, die
man (nach Moriz) nicht durch Bußen sondern durch
fröhliche Feste besänftigte.

Da er mit den Regisseurs des Theaters bekannt
war und zweitens da er kein Liebhaber mehr war --
denn dieser hat tausend Augen für Eine Person und
tausend Augenlieder für die andern -- so war er
beim Minister nicht verlegen, sondern gar vergnügt.
Denn er hatte da doch seinen Plan durchzusetzen --
und ein Plan macht ein Leben unterhaltend, man
mag es lesen oder führen.

Es mißlang ihm heute nicht, ziemlich lange mit
der Fürstin zu sprechen und zwar nicht vom Fürsten
-- sie mied es -- sondern von ihrer Augenmaladie.
Das war alles. Er fühlte, es sey leichter eine über¬
triebene Achtung vorzuspiegeln als eine wahre auszu¬
drücken. Die Besorgniß, falsch zu scheinen, macht,
daß man es scheint. Daher sieht bei einem Arg¬
wöhnischen ein Aufrichtiger halb wie ein Falscher
aus. Indessen war bei Agnola, die ihres Tempe¬
raments ungeachtet spröde war -- ein eigner zurück¬
gestimmter Ton herrschte daher in ihrer Gegenwart
bei Schleunes -- jeder Schritt genug, den er nicht
zurück that.

Hamiltons mémoires) das Bilderausſchneiden, das
Joujou. Mit dieſer Sucht, ſich zu amuͤſiren, ſteckt
ſie zum Theil die Gewohnheit an, ihre Obern zu
amuͤſiren, weil dieſe den alten Goͤttern gleichen, die
man (nach Moriz) nicht durch Bußen ſondern durch
froͤhliche Feſte beſaͤnftigte.

Da er mit den Regiſſeurs des Theaters bekannt
war und zweitens da er kein Liebhaber mehr war —
denn dieſer hat tauſend Augen fuͤr Eine Perſon und
tauſend Augenlieder fuͤr die andern — ſo war er
beim Miniſter nicht verlegen, ſondern gar vergnuͤgt.
Denn er hatte da doch ſeinen Plan durchzuſetzen —
und ein Plan macht ein Leben unterhaltend, man
mag es leſen oder fuͤhren.

Es mißlang ihm heute nicht, ziemlich lange mit
der Fuͤrſtin zu ſprechen und zwar nicht vom Fuͤrſten
— ſie mied es — ſondern von ihrer Augenmaladie.
Das war alles. Er fuͤhlte, es ſey leichter eine uͤber¬
triebene Achtung vorzuſpiegeln als eine wahre auszu¬
druͤcken. Die Beſorgniß, falſch zu ſcheinen, macht,
daß man es ſcheint. Daher ſieht bei einem Arg¬
woͤhniſchen ein Aufrichtiger halb wie ein Falſcher
aus. Indeſſen war bei Agnola, die ihres Tempe¬
raments ungeachtet ſproͤde war — ein eigner zuruͤck¬
geſtimmter Ton herrſchte daher in ihrer Gegenwart
bei Schleunes — jeder Schritt genug, den er nicht
zuruͤck that.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0160" n="150"/>
Hamiltons <hi rendition="#aq">mémoires</hi>) das Bilderaus&#x017F;chneiden, das<lb/>
Joujou. Mit die&#x017F;er Sucht, &#x017F;ich zu amu&#x0364;&#x017F;iren, &#x017F;teckt<lb/>
&#x017F;ie zum Theil die Gewohnheit an, ihre Obern zu<lb/>
amu&#x0364;&#x017F;iren, weil die&#x017F;e den alten Go&#x0364;ttern gleichen, die<lb/>
man (nach Moriz) nicht durch Bußen &#x017F;ondern durch<lb/>
fro&#x0364;hliche Fe&#x017F;te be&#x017F;a&#x0364;nftigte.</p><lb/>
            <p>Da er mit den Regi&#x017F;&#x017F;eurs des Theaters bekannt<lb/>
war und zweitens da er kein Liebhaber mehr war &#x2014;<lb/>
denn die&#x017F;er hat tau&#x017F;end Augen fu&#x0364;r Eine Per&#x017F;on und<lb/>
tau&#x017F;end Augenlieder fu&#x0364;r die andern &#x2014; &#x017F;o war er<lb/>
beim Mini&#x017F;ter nicht verlegen, &#x017F;ondern gar vergnu&#x0364;gt.<lb/>
Denn er hatte da doch &#x017F;einen Plan durchzu&#x017F;etzen &#x2014;<lb/>
und ein Plan macht ein Leben unterhaltend, man<lb/>
mag es <hi rendition="#g">le&#x017F;en</hi> oder <hi rendition="#g">fu&#x0364;hren</hi>.</p><lb/>
            <p>Es mißlang ihm heute nicht, ziemlich lange mit<lb/>
der Fu&#x0364;r&#x017F;tin zu &#x017F;prechen und zwar nicht vom Fu&#x0364;r&#x017F;ten<lb/>
&#x2014; &#x017F;ie mied es &#x2014; &#x017F;ondern von ihrer Augenmaladie.<lb/>
Das war alles. Er fu&#x0364;hlte, es &#x017F;ey leichter eine u&#x0364;ber¬<lb/>
triebene Achtung vorzu&#x017F;piegeln als eine wahre auszu¬<lb/>
dru&#x0364;cken. Die Be&#x017F;orgniß, fal&#x017F;ch zu &#x017F;cheinen, macht,<lb/>
daß man es &#x017F;cheint. Daher &#x017F;ieht bei einem Arg¬<lb/>
wo&#x0364;hni&#x017F;chen ein Aufrichtiger halb wie ein Fal&#x017F;cher<lb/>
aus. Inde&#x017F;&#x017F;en war bei Agnola, die ihres Tempe¬<lb/>
raments ungeachtet &#x017F;pro&#x0364;de war &#x2014; ein eigner zuru&#x0364;ck¬<lb/>
ge&#x017F;timmter Ton herr&#x017F;chte daher in ihrer Gegenwart<lb/>
bei Schleunes &#x2014; jeder Schritt genug, den er nicht<lb/>
zuru&#x0364;ck that.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[150/0160] Hamiltons mémoires) das Bilderausſchneiden, das Joujou. Mit dieſer Sucht, ſich zu amuͤſiren, ſteckt ſie zum Theil die Gewohnheit an, ihre Obern zu amuͤſiren, weil dieſe den alten Goͤttern gleichen, die man (nach Moriz) nicht durch Bußen ſondern durch froͤhliche Feſte beſaͤnftigte. Da er mit den Regiſſeurs des Theaters bekannt war und zweitens da er kein Liebhaber mehr war — denn dieſer hat tauſend Augen fuͤr Eine Perſon und tauſend Augenlieder fuͤr die andern — ſo war er beim Miniſter nicht verlegen, ſondern gar vergnuͤgt. Denn er hatte da doch ſeinen Plan durchzuſetzen — und ein Plan macht ein Leben unterhaltend, man mag es leſen oder fuͤhren. Es mißlang ihm heute nicht, ziemlich lange mit der Fuͤrſtin zu ſprechen und zwar nicht vom Fuͤrſten — ſie mied es — ſondern von ihrer Augenmaladie. Das war alles. Er fuͤhlte, es ſey leichter eine uͤber¬ triebene Achtung vorzuſpiegeln als eine wahre auszu¬ druͤcken. Die Beſorgniß, falſch zu ſcheinen, macht, daß man es ſcheint. Daher ſieht bei einem Arg¬ woͤhniſchen ein Aufrichtiger halb wie ein Falſcher aus. Indeſſen war bei Agnola, die ihres Tempe¬ raments ungeachtet ſproͤde war — ein eigner zuruͤck¬ geſtimmter Ton herrſchte daher in ihrer Gegenwart bei Schleunes — jeder Schritt genug, den er nicht zuruͤck that.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/160
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/160>, abgerufen am 06.05.2024.