mit so viel Violensyrup auf jedem Wort -- kurz er fand den Bericht, den Maz von ihrer gefälligen Denkungsart für ihn an Flamiu erstattet hatte, so gegründet, daß er keine bessere Gelegenheit hätte aussuchen können als diese, um sie von der Spedi¬ tion und Verpflanzung ihrer Tochter abzumahnen -- hätten sie ihm nicht zu danken angefangen, daß er selber dieser Spediteur und Pflanzer gewesen war. Sie hatten alles erfahren oder errathen und dankten ihm für seine Verwendung, der sie wahrscheinlich ei¬ gennützigere Absichten liehen als die Tochter that. Es wäre lächerlich gewesen, in Klotildens Gegenwart ihre künftige Gegenwart in Flachsenfingen zu wider¬ rathen und das auszureden, wofür man ihm dankte. Er ließ es, obwohl gezwungen, gut seyn; aber warum ergiebt sich der Mensch schwerer in die Zukunft als in die Vergangenheit. -- Die Kälte der Tochter war natürlicherweise nicht kleiner (aber aufrichtiger) als die Wärme der Eltern . . . . und gerade die Kälte erfrischte sein glühendes Gehirn. Diese kalte gleichgültige Gestalt war wie ein Schleier über die erhabne liebende gedeckt, die immer mit ihren thrä¬ nenvollen Augen vor ihm schwebte und die er nicht aushielt: ohne Bewußtseyn einer Schuld, zufrieden mit seinem Gehorsam gegen Emanuels Bitte, zog er mit seinen vom Wohlstand erdrückten Gefühlen ab kälter gegen die Kälte. -- -- Er wäre ein schlechter
mit ſo viel Violenſyrup auf jedem Wort — kurz er fand den Bericht, den Maz von ihrer gefaͤlligen Denkungsart fuͤr ihn an Flamiu erſtattet hatte, ſo gegruͤndet, daß er keine beſſere Gelegenheit haͤtte ausſuchen koͤnnen als dieſe, um ſie von der Spedi¬ tion und Verpflanzung ihrer Tochter abzumahnen — haͤtten ſie ihm nicht zu danken angefangen, daß er ſelber dieſer Spediteur und Pflanzer geweſen war. Sie hatten alles erfahren oder errathen und dankten ihm fuͤr ſeine Verwendung, der ſie wahrſcheinlich ei¬ gennuͤtzigere Abſichten liehen als die Tochter that. Es waͤre laͤcherlich geweſen, in Klotildens Gegenwart ihre kuͤnftige Gegenwart in Flachſenfingen zu wider¬ rathen und das auszureden, wofuͤr man ihm dankte. Er ließ es, obwohl gezwungen, gut ſeyn; aber warum ergiebt ſich der Menſch ſchwerer in die Zukunft als in die Vergangenheit. — Die Kaͤlte der Tochter war natuͤrlicherweiſe nicht kleiner (aber aufrichtiger) als die Waͤrme der Eltern . . . . und gerade die Kaͤlte erfriſchte ſein gluͤhendes Gehirn. Dieſe kalte gleichguͤltige Geſtalt war wie ein Schleier uͤber die erhabne liebende gedeckt, die immer mit ihren thraͤ¬ nenvollen Augen vor ihm ſchwebte und die er nicht aushielt: ohne Bewußtſeyn einer Schuld, zufrieden mit ſeinem Gehorſam gegen Emanuels Bitte, zog er mit ſeinen vom Wohlſtand erdruͤckten Gefuͤhlen ab kaͤlter gegen die Kaͤlte. — — Er waͤre ein ſchlechter
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0124"n="114"/>
mit ſo viel Violenſyrup auf jedem Wort — kurz er<lb/>
fand den Bericht, den Maz von ihrer gefaͤlligen<lb/>
Denkungsart fuͤr ihn an Flamiu erſtattet hatte, ſo<lb/>
gegruͤndet, daß er keine beſſere Gelegenheit haͤtte<lb/>
ausſuchen koͤnnen als dieſe, um ſie von der Spedi¬<lb/>
tion und Verpflanzung ihrer Tochter abzumahnen —<lb/>
haͤtten ſie ihm nicht zu danken angefangen, daß er<lb/>ſelber dieſer Spediteur und Pflanzer geweſen war.<lb/>
Sie hatten alles erfahren oder errathen und dankten<lb/>
ihm fuͤr ſeine Verwendung, der ſie wahrſcheinlich ei¬<lb/>
gennuͤtzigere Abſichten liehen als die Tochter that.<lb/>
Es waͤre laͤcherlich geweſen, in Klotildens Gegenwart<lb/>
ihre kuͤnftige Gegenwart in Flachſenfingen zu wider¬<lb/>
rathen und das auszureden, wofuͤr man ihm dankte.<lb/>
Er ließ es, obwohl gezwungen, gut ſeyn; aber warum<lb/>
ergiebt ſich der Menſch ſchwerer in die Zukunft als<lb/>
in die Vergangenheit. — Die Kaͤlte der Tochter<lb/>
war natuͤrlicherweiſe nicht kleiner (aber aufrichtiger)<lb/>
als die Waͤrme der Eltern . . . . und gerade die<lb/>
Kaͤlte erfriſchte ſein gluͤhendes Gehirn. Dieſe kalte<lb/>
gleichguͤltige Geſtalt war wie ein Schleier uͤber die<lb/>
erhabne liebende gedeckt, die immer mit ihren thraͤ¬<lb/>
nenvollen Augen vor ihm ſchwebte und die er nicht<lb/>
aushielt: ohne Bewußtſeyn einer Schuld, zufrieden<lb/>
mit ſeinem Gehorſam gegen Emanuels Bitte, zog er<lb/>
mit ſeinen vom Wohlſtand erdruͤckten Gefuͤhlen ab<lb/>
kaͤlter gegen die Kaͤlte. —— Er waͤre ein ſchlechter<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[114/0124]
mit ſo viel Violenſyrup auf jedem Wort — kurz er
fand den Bericht, den Maz von ihrer gefaͤlligen
Denkungsart fuͤr ihn an Flamiu erſtattet hatte, ſo
gegruͤndet, daß er keine beſſere Gelegenheit haͤtte
ausſuchen koͤnnen als dieſe, um ſie von der Spedi¬
tion und Verpflanzung ihrer Tochter abzumahnen —
haͤtten ſie ihm nicht zu danken angefangen, daß er
ſelber dieſer Spediteur und Pflanzer geweſen war.
Sie hatten alles erfahren oder errathen und dankten
ihm fuͤr ſeine Verwendung, der ſie wahrſcheinlich ei¬
gennuͤtzigere Abſichten liehen als die Tochter that.
Es waͤre laͤcherlich geweſen, in Klotildens Gegenwart
ihre kuͤnftige Gegenwart in Flachſenfingen zu wider¬
rathen und das auszureden, wofuͤr man ihm dankte.
Er ließ es, obwohl gezwungen, gut ſeyn; aber warum
ergiebt ſich der Menſch ſchwerer in die Zukunft als
in die Vergangenheit. — Die Kaͤlte der Tochter
war natuͤrlicherweiſe nicht kleiner (aber aufrichtiger)
als die Waͤrme der Eltern . . . . und gerade die
Kaͤlte erfriſchte ſein gluͤhendes Gehirn. Dieſe kalte
gleichguͤltige Geſtalt war wie ein Schleier uͤber die
erhabne liebende gedeckt, die immer mit ihren thraͤ¬
nenvollen Augen vor ihm ſchwebte und die er nicht
aushielt: ohne Bewußtſeyn einer Schuld, zufrieden
mit ſeinem Gehorſam gegen Emanuels Bitte, zog er
mit ſeinen vom Wohlſtand erdruͤckten Gefuͤhlen ab
kaͤlter gegen die Kaͤlte. — — Er waͤre ein ſchlechter
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/124>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.