nicht zu benützen, und darüber die größere vergaß, eine solche Rücksicht seinem Viktor gar nicht zuzu¬ trauen.
Dieser, in einer leidenschaftlichen Eilfertigkeit zwei solche Uebel (Klotildens Hofamt und Mat¬ thieu's Okularinspektion) abzuwenden, grif zum son¬ derbaren Mittel, dem Hofjunker die Reise-Genossen¬ schaft anzutragen. Denn sie sahen und sprachen ein¬ ander täglich in Vorzimmern -- und wahrhaft freundlich, nur konnte keiner den andern ausstehen. -- "Mit Freuden! (sagte der Evangelist) in dieser Woche hab' ich den Kabinetsdienst -- aber die nächste kann ich."
Und gerade in der jetzigen wollt' es Viktor. -- So viel schnelle Fehlschlagungen bestürzten diesen so, daß er, dessen sorg- und argloses Herz immer ein ofner Brief mit fliegendem Siegel war, sich jetzt ge¬ gen seinen guten, theuren Freund Flamin verstellte -- er wußte keinen Rath weiter als diesen, da oh¬ nehin dessen Brust unter seiner gebückten Kollegial- Arbeit und unter seiner Vollblütigkeit nicht sowohl litt als leiden konnte, zur Präservationskur ein bur¬ gundisches Pechpflaster, das auf den Rücken (als Deckmantel der Aepfel-Projektionen) applizirt werde, aus guten Gründen anzurathen. Er verstellte sich so erbärmlich -- denn ihm glückten unschuldige Intri¬ guen gegen Mädgen und scherzhafte Verstellungen
aus
nicht zu benuͤtzen, und daruͤber die groͤßere vergaß, eine ſolche Ruͤckſicht ſeinem Viktor gar nicht zuzu¬ trauen.
Dieſer, in einer leidenſchaftlichen Eilfertigkeit zwei ſolche Uebel (Klotildens Hofamt und Mat¬ thieu's Okularinſpektion) abzuwenden, grif zum ſon¬ derbaren Mittel, dem Hofjunker die Reiſe-Genoſſen¬ ſchaft anzutragen. Denn ſie ſahen und ſprachen ein¬ ander taͤglich in Vorzimmern — und wahrhaft freundlich, nur konnte keiner den andern ausſtehen. — »Mit Freuden! (ſagte der Evangeliſt) in dieſer Woche hab' ich den Kabinetsdienſt — aber die naͤchſte kann ich.«
Und gerade in der jetzigen wollt' es Viktor. — So viel ſchnelle Fehlſchlagungen beſtuͤrzten dieſen ſo, daß er, deſſen ſorg- und argloſes Herz immer ein ofner Brief mit fliegendem Siegel war, ſich jetzt ge¬ gen ſeinen guten, theuren Freund Flamin verſtellte — er wußte keinen Rath weiter als dieſen, da oh¬ nehin deſſen Bruſt unter ſeiner gebuͤckten Kollegial- Arbeit und unter ſeiner Vollbluͤtigkeit nicht ſowohl litt als leiden konnte, zur Praͤſervationskur ein bur¬ gundiſches Pechpflaſter, das auf den Ruͤcken (als Deckmantel der Aepfel-Projektionen) applizirt werde, aus guten Gruͤnden anzurathen. Er verſtellte ſich ſo erbaͤrmlich — denn ihm gluͤckten unſchuldige Intri¬ guen gegen Maͤdgen und ſcherzhafte Verſtellungen
aus
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nicht zu benuͤtzen, und daruͤber die groͤßere vergaß,
eine ſolche Ruͤckſicht ſeinem Viktor gar nicht zuzu¬
trauen.
Dieſer, in einer leidenſchaftlichen Eilfertigkeit
zwei ſolche Uebel (Klotildens Hofamt und Mat¬
thieu's Okularinſpektion) abzuwenden, grif zum ſon¬
derbaren Mittel, dem Hofjunker die Reiſe-Genoſſen¬
ſchaft anzutragen. Denn ſie ſahen und ſprachen ein¬
ander taͤglich in Vorzimmern — und wahrhaft
freundlich, nur konnte keiner den andern ausſtehen.
— »Mit Freuden! (ſagte der Evangeliſt) in dieſer
Woche hab' ich den Kabinetsdienſt — aber die
naͤchſte kann ich.«
Und gerade in der jetzigen wollt' es Viktor. —
So viel ſchnelle Fehlſchlagungen beſtuͤrzten dieſen ſo,
daß er, deſſen ſorg- und argloſes Herz immer ein
ofner Brief mit fliegendem Siegel war, ſich jetzt ge¬
gen ſeinen guten, theuren Freund Flamin verſtellte
— er wußte keinen Rath weiter als dieſen, da oh¬
nehin deſſen Bruſt unter ſeiner gebuͤckten Kollegial-
Arbeit und unter ſeiner Vollbluͤtigkeit nicht ſowohl
litt als leiden konnte, zur Praͤſervationskur ein bur¬
gundiſches Pechpflaſter, das auf den Ruͤcken (als
Deckmantel der Aepfel-Projektionen) applizirt werde,
aus guten Gruͤnden anzurathen. Er verſtellte ſich ſo
erbaͤrmlich — denn ihm gluͤckten unſchuldige Intri¬
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/122>, abgerufen am 23.11.2024.
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