auf und alle Wunden fingen wieder unter dem Er¬ heben an zu bluten und er rief: "so weiche denn "nie aus meinem Herzen, du erhabne Gestalt, und "ruh' ewig auf seinen Wunden!" -- Die Trostlo¬ sigkeit, die Ermattung und der Schlaf überhülten seine Seele, so wie ihren letzten Gedanken, nächstens nach St. Lüne wieder zu gehen und ihre Eltern zu bereden sie nicht an den Hof zu zwingen . . .
Der lange Schlaf des Todes schließt unsre Narben zu und der kurze des Lebens unsere Wun¬ den. Der Schlaf ist die Hälfte der Zeit, die uns heilt. Der erwachte Viktor, dessen inflammatori¬ sches Fieber der Liebe gestern durch die Schlaflosig¬ keit so zugenommen hatte, sah heute, daß sein Schmerz ungemäßig war, weil seine Hoffnung un¬ mäßig gewesen: -- anfangs hatt' er gewünscht -- dann beobachtet -- dann vermuthet -- dann gese¬ hen -- dann ausgelegt -- dann gehoft -- dann dar¬ auf geschworen. Jeder kleine Umstand, sogar sein Antheil an Klotildens Ernennung zur Hofdame hat¬ te Pechkränze in sein Feuer geworfen. "O ich Thor!" sagt' er mit den 3 Schwur Fingern an der Stirne und wie alle kräftige Menschen, war er um desto muthiger, je muthloser er gewesen. Ja er fühlte sich auf einmal zu leicht -- aber eine zu schnelle Kur kündigt auch bey Seelen den Rückfall an. Ein neuer Trost war der gestrige Entschluß,
auf und alle Wunden fingen wieder unter dem Er¬ heben an zu bluten und er rief: »ſo weiche denn »nie aus meinem Herzen, du erhabne Geſtalt, und »ruh' ewig auf ſeinen Wunden!» — Die Troſtlo¬ ſigkeit, die Ermattung und der Schlaf uͤberhuͤlten ſeine Seele, ſo wie ihren letzten Gedanken, naͤchſtens nach St. Luͤne wieder zu gehen und ihre Eltern zu bereden ſie nicht an den Hof zu zwingen . . .
Der lange Schlaf des Todes ſchließt unſre Narben zu und der kurze des Lebens unſere Wun¬ den. Der Schlaf iſt die Haͤlfte der Zeit, die uns heilt. Der erwachte Viktor, deſſen inflammatori¬ ſches Fieber der Liebe geſtern durch die Schlafloſig¬ keit ſo zugenommen hatte, ſah heute, daß ſein Schmerz ungemaͤßig war, weil ſeine Hoffnung un¬ maͤßig geweſen: — anfangs hatt' er gewuͤnſcht — dann beobachtet — dann vermuthet — dann geſe¬ hen — dann ausgelegt — dann gehoft — dann dar¬ auf geſchworen. Jeder kleine Umſtand, ſogar ſein Antheil an Klotildens Ernennung zur Hofdame hat¬ te Pechkraͤnze in ſein Feuer geworfen. »O ich Thor!» ſagt' er mit den 3 Schwur Fingern an der Stirne und wie alle kraͤftige Menſchen, war er um deſto muthiger, je muthloſer er geweſen. Ja er fuͤhlte ſich auf einmal zu leicht — aber eine zu ſchnelle Kur kuͤndigt auch bey Seelen den Ruͤckfall an. Ein neuer Troſt war der geſtrige Entſchluß,
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auf und alle Wunden fingen wieder unter dem Er¬
heben an zu bluten und er rief: »ſo weiche denn
»nie aus meinem Herzen, du erhabne Geſtalt, und
»ruh' ewig auf ſeinen Wunden!» — Die Troſtlo¬
ſigkeit, die Ermattung und der Schlaf uͤberhuͤlten
ſeine Seele, ſo wie ihren letzten Gedanken, naͤchſtens
nach St. Luͤne wieder zu gehen und ihre Eltern
zu bereden ſie nicht an den Hof zu zwingen . . .
Der lange Schlaf des Todes ſchließt unſre
Narben zu und der kurze des Lebens unſere Wun¬
den. Der Schlaf iſt die Haͤlfte der Zeit, die uns
heilt. Der erwachte Viktor, deſſen inflammatori¬
ſches Fieber der Liebe geſtern durch die Schlafloſig¬
keit ſo zugenommen hatte, ſah heute, daß ſein
Schmerz ungemaͤßig war, weil ſeine Hoffnung un¬
maͤßig geweſen: — anfangs hatt' er gewuͤnſcht —
dann beobachtet — dann vermuthet — dann geſe¬
hen — dann ausgelegt — dann gehoft — dann dar¬
auf geſchworen. Jeder kleine Umſtand, ſogar ſein
Antheil an Klotildens Ernennung zur Hofdame hat¬
te Pechkraͤnze in ſein Feuer geworfen. »O ich
Thor!» ſagt' er mit den 3 Schwur Fingern an der
Stirne und wie alle kraͤftige Menſchen, war er um
deſto muthiger, je muthloſer er geweſen. Ja er
fuͤhlte ſich auf einmal zu leicht — aber eine zu
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/120>, abgerufen am 23.11.2024.
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