"Die Prinzessinn bringt einen Strom von Zer¬ "streuungen mit, worin er keine Stimme als die, "die zum Vergnügen lokt, mehr hören wird. Ein "unterbrochner Einfluß ist ein verlorner. Auch bin "ich bis zu einem gewissen Punkte dieses Spieles so "müde, daß ich den neuen Verbindungen, in die "mich diese neue Erscheinung zöge, gern entfliehe. "Sollte sie ihn nicht lieben, wie man sagt, so könnte "sie ihn um so leichter beherrschen; und dann wäre "meine Abweisenheit wieder nicht gut. -- Mich bei Seite! aber was nimmst du vor, so lang' ich weg bin?"
Nach einer Viertelspause antwortet er selber. "Du wirst sein Leibarzt, Viktor!" Viktors Hand zuckte in der väterlichen. "Du bist ihm schon ver¬ "sprochen und er sehnet sich nach dir, blos weil ich "dich oft genannt habe. Er kann es nicht erwarten "zu erfahren wie jemand aussieht, dessen Vater er "so gut kennt. Als Leibarzt kannst du ihn mit dei¬ "ner Kunst und mit deiner Laune so lange fremden "Fesseln entziehen, bis ich wiederkomme: dann leg' "ich ihm noch sanftere an und gehe auf immer zu¬ "rück. Meine Verbindung hatte bisher blos die "Absicht, fremde abzuwenden, besonders eine gewisse "-- (Mit voller Brust und andrer Stimme) Mein "Geliebter! Es ist auf der Erde schwer, Tugend, "Freiheit und Glück zu erwerben, aber es ist noch
»Die Prinzeſſinn bringt einen Strom von Zer¬ »ſtreuungen mit, worin er keine Stimme als die, »die zum Vergnuͤgen lokt, mehr hoͤren wird. Ein »unterbrochner Einfluß iſt ein verlorner. Auch bin »ich bis zu einem gewiſſen Punkte dieſes Spieles ſo »muͤde, daß ich den neuen Verbindungen, in die »mich dieſe neue Erſcheinung zoͤge, gern entfliehe. »Sollte ſie ihn nicht lieben, wie man ſagt, ſo koͤnnte »ſie ihn um ſo leichter beherrſchen; und dann waͤre »meine Abweiſenheit wieder nicht gut. — Mich bei Seite! aber was nimmſt du vor, ſo lang' ich weg bin?«
Nach einer Viertelspauſe antwortet er ſelber. »Du wirſt ſein Leibarzt, Viktor!« Viktors Hand zuckte in der vaͤterlichen. »Du biſt ihm ſchon ver¬ »ſprochen und er ſehnet ſich nach dir, blos weil ich »dich oft genannt habe. Er kann es nicht erwarten »zu erfahren wie jemand ausſieht, deſſen Vater er »ſo gut kennt. Als Leibarzt kannſt du ihn mit dei¬ »ner Kunſt und mit deiner Laune ſo lange fremden »Feſſeln entziehen, bis ich wiederkomme: dann leg' »ich ihm noch ſanftere an und gehe auf immer zu¬ »ruͤck. Meine Verbindung hatte bisher blos die »Abſicht, fremde abzuwenden, beſonders eine gewiſſe »— (Mit voller Bruſt und andrer Stimme) Mein »Geliebter! Es iſt auf der Erde ſchwer, Tugend, »Freiheit und Gluͤck zu erwerben, aber es iſt noch
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»Die Prinzeſſinn bringt einen Strom von Zer¬
»ſtreuungen mit, worin er keine Stimme als die,
»die zum Vergnuͤgen lokt, mehr hoͤren wird. Ein
»unterbrochner Einfluß iſt ein verlorner. Auch bin
»ich bis zu einem gewiſſen Punkte dieſes Spieles ſo
»muͤde, daß ich den neuen Verbindungen, in die
»mich dieſe neue Erſcheinung zoͤge, gern entfliehe.
»Sollte ſie ihn nicht lieben, wie man ſagt, ſo koͤnnte
»ſie ihn um ſo leichter beherrſchen; und dann waͤre
»meine Abweiſenheit wieder nicht gut. — Mich bei
Seite! aber was nimmſt du vor, ſo lang' ich weg
bin?«
Nach einer Viertelspauſe antwortet er ſelber.
»Du wirſt ſein Leibarzt, Viktor!« Viktors Hand
zuckte in der vaͤterlichen. »Du biſt ihm ſchon ver¬
»ſprochen und er ſehnet ſich nach dir, blos weil ich
»dich oft genannt habe. Er kann es nicht erwarten
»zu erfahren wie jemand ausſieht, deſſen Vater er
»ſo gut kennt. Als Leibarzt kannſt du ihn mit dei¬
»ner Kunſt und mit deiner Laune ſo lange fremden
»Feſſeln entziehen, bis ich wiederkomme: dann leg'
»ich ihm noch ſanftere an und gehe auf immer zu¬
»ruͤck. Meine Verbindung hatte bisher blos die
»Abſicht, fremde abzuwenden, beſonders eine gewiſſe
»— (Mit voller Bruſt und andrer Stimme) Mein
»Geliebter! Es iſt auf der Erde ſchwer, Tugend,
»Freiheit und Gluͤck zu erwerben, aber es iſt noch
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/66>, abgerufen am 25.11.2024.
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