Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

"zu unterbrechen als Thoren. -- Denn meine Ab¬
"wesenheit will man eben."

Ich als installirter Historiograph, frage nichts
nach allem und unterbreche wen ich will. Einer,
den man unterbricht, kann zwar spassen, aber nicht
mehr beweisen. Der auf den Plato gepeltzte Sokra¬
tes, der keinen Sophisten ausreden ließ, war eben
darum selber einer. In England, wo man noch Sy¬
steme unter den Weingläsern duldet, kann sich ein
Mann so sehr ausbreiten wie ein Royalbogen; in
Frankreich, wo sich die Brille der Weisheit in Poin¬
ten zersplittert, muß einer so kurz seyn wie ein Vi¬
sitenblat. Hundertmal schweigt der Weise vor Gek¬
ken, weil er drei und zwanzig Bogen braucht, um
seine Meinung zu sagen -- Gecken brauchen nur
Zeilen, ihre Meinungen sind herauffahrende Inseln
und hängen mit nichts zusammen als mit der Eitel¬
keit. . . . Noch merk' ich an, daß zwischen dem
Lord und seinem Sohne eine höfliche feine Behut¬
samkeit obwaltete, die in einem so nahen Verhält¬
nisse nur aus ihrem Stande, aus ihrer Denkungsart
und ihrer häufigen Abtrennung zu beurtheilen ist. --

"Aber meine Gegenwart ist vielleicht noch schlim¬
"mer. Die Prinzessinn." -- --

(Die Braut des Fürsten, da seine erste Gemah¬
lin bald und kinderlos starb, wie Spitz sagt.)

»zu unterbrechen als Thoren. — Denn meine Ab¬
»weſenheit will man eben.«

Ich als inſtallirter Hiſtoriograph, frage nichts
nach allem und unterbreche wen ich will. Einer,
den man unterbricht, kann zwar ſpaſſen, aber nicht
mehr beweiſen. Der auf den Plato gepeltzte Sokra¬
tes, der keinen Sophiſten ausreden ließ, war eben
darum ſelber einer. In England, wo man noch Sy¬
ſteme unter den Weinglaͤſern duldet, kann ſich ein
Mann ſo ſehr ausbreiten wie ein Royalbogen; in
Frankreich, wo ſich die Brille der Weisheit in Poin¬
ten zerſplittert, muß einer ſo kurz ſeyn wie ein Vi¬
ſitenblat. Hundertmal ſchweigt der Weiſe vor Gek¬
ken, weil er drei und zwanzig Bogen braucht, um
ſeine Meinung zu ſagen — Gecken brauchen nur
Zeilen, ihre Meinungen ſind herauffahrende Inſeln
und haͤngen mit nichts zuſammen als mit der Eitel¬
keit. . . . Noch merk' ich an, daß zwiſchen dem
Lord und ſeinem Sohne eine hoͤfliche feine Behut¬
ſamkeit obwaltete, die in einem ſo nahen Verhaͤlt¬
niſſe nur aus ihrem Stande, aus ihrer Denkungsart
und ihrer haͤufigen Abtrennung zu beurtheilen iſt. —

»Aber meine Gegenwart iſt vielleicht noch ſchlim¬
»mer. Die Prinzeſſinn.« — —

(Die Braut des Fuͤrſten, da ſeine erſte Gemah¬
lin bald und kinderlos ſtarb, wie Spitz ſagt.)

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0065" n="54"/>
»zu unterbrechen als Thoren. &#x2014; Denn meine Ab¬<lb/>
»we&#x017F;enheit will man eben.«</p><lb/>
        <p>Ich als in&#x017F;tallirter Hi&#x017F;toriograph, frage nichts<lb/>
nach allem und unterbreche wen ich will. Einer,<lb/>
den man unterbricht, kann zwar &#x017F;pa&#x017F;&#x017F;en, aber nicht<lb/>
mehr bewei&#x017F;en. Der auf den Plato gepeltzte Sokra¬<lb/>
tes, der keinen Sophi&#x017F;ten ausreden ließ, war eben<lb/>
darum &#x017F;elber einer. In England, wo man noch Sy¬<lb/>
&#x017F;teme unter den Weingla&#x0364;&#x017F;ern duldet, kann &#x017F;ich ein<lb/>
Mann &#x017F;o &#x017F;ehr ausbreiten wie ein Royalbogen; in<lb/>
Frankreich, wo &#x017F;ich die Brille der Weisheit in Poin¬<lb/>
ten zer&#x017F;plittert, muß einer &#x017F;o kurz &#x017F;eyn wie ein Vi¬<lb/>
&#x017F;itenblat. Hundertmal &#x017F;chweigt der Wei&#x017F;e vor Gek¬<lb/>
ken, weil er drei und zwanzig Bogen braucht, um<lb/>
&#x017F;eine Meinung zu &#x017F;agen &#x2014; Gecken brauchen nur<lb/>
Zeilen, ihre Meinungen &#x017F;ind herauffahrende In&#x017F;eln<lb/>
und ha&#x0364;ngen mit nichts zu&#x017F;ammen als mit der Eitel¬<lb/>
keit. . . . Noch merk' ich an, daß zwi&#x017F;chen dem<lb/>
Lord und &#x017F;einem Sohne eine ho&#x0364;fliche feine Behut¬<lb/>
&#x017F;amkeit obwaltete, die in einem &#x017F;o nahen Verha&#x0364;lt¬<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e nur aus ihrem Stande, aus ihrer Denkungsart<lb/>
und ihrer ha&#x0364;ufigen Abtrennung zu beurtheilen i&#x017F;t. &#x2014;</p><lb/>
        <p>»Aber meine Gegenwart i&#x017F;t vielleicht noch &#x017F;chlim¬<lb/>
»mer. Die Prinze&#x017F;&#x017F;inn.« &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
        <p>(Die Braut des Fu&#x0364;r&#x017F;ten, da &#x017F;eine er&#x017F;te Gemah¬<lb/>
lin bald und kinderlos &#x017F;tarb, wie Spitz &#x017F;agt.)<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[54/0065] »zu unterbrechen als Thoren. — Denn meine Ab¬ »weſenheit will man eben.« Ich als inſtallirter Hiſtoriograph, frage nichts nach allem und unterbreche wen ich will. Einer, den man unterbricht, kann zwar ſpaſſen, aber nicht mehr beweiſen. Der auf den Plato gepeltzte Sokra¬ tes, der keinen Sophiſten ausreden ließ, war eben darum ſelber einer. In England, wo man noch Sy¬ ſteme unter den Weinglaͤſern duldet, kann ſich ein Mann ſo ſehr ausbreiten wie ein Royalbogen; in Frankreich, wo ſich die Brille der Weisheit in Poin¬ ten zerſplittert, muß einer ſo kurz ſeyn wie ein Vi¬ ſitenblat. Hundertmal ſchweigt der Weiſe vor Gek¬ ken, weil er drei und zwanzig Bogen braucht, um ſeine Meinung zu ſagen — Gecken brauchen nur Zeilen, ihre Meinungen ſind herauffahrende Inſeln und haͤngen mit nichts zuſammen als mit der Eitel¬ keit. . . . Noch merk' ich an, daß zwiſchen dem Lord und ſeinem Sohne eine hoͤfliche feine Behut¬ ſamkeit obwaltete, die in einem ſo nahen Verhaͤlt¬ niſſe nur aus ihrem Stande, aus ihrer Denkungsart und ihrer haͤufigen Abtrennung zu beurtheilen iſt. — »Aber meine Gegenwart iſt vielleicht noch ſchlim¬ »mer. Die Prinzeſſinn.« — — (Die Braut des Fuͤrſten, da ſeine erſte Gemah¬ lin bald und kinderlos ſtarb, wie Spitz ſagt.)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/65
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/65>, abgerufen am 25.11.2024.