. . . Aber zum Adstringens und zur Vipernkur sei¬ ner Männlichkeit hatt' er nichts als ein "Hm!" und einen Zuck des ganzen Körpers vonnöthen: dar¬ auf kehrten die Jünglinge als Männer in die Laube zurück.
Es war nichts mehr darin: die Mädgen waren in die Wiesen geschlichen, wo nichts zu meiden war als hohes Gras und bethauter Schatten. Die leere Laube war der beste einsaugende Thränenheber seiner Augen; ja ich schließe aus Berichten des Korrespon¬ denz, Spitzes, daß es ihn verdroß. Da Schwe¬ ster spät allein wiederkam: so verdroß es den an¬ dern auch. Ueberhaupt sollte sich der Held -- wel¬ ches für mich und ihn ein Unglück wäre -- mit der Zeit gar in Klotilden verlieben: so wird uns beiden -- ihm im Agiren, mir im Kopiren -- die Heldin warm genug machen, eben weil sie es selber nicht seyn will; weil sie weder überflüßige Wärme noch überflüßige Kälte sondern allzeit die wechselnde Tem¬ peratur hat, die sich mit dem Entrevüen-Stof, aber nicht mit dem Redner ändert; weil sie einem zärtli¬ chen Nebenmenschen alle Lust nimmt, sie zu loben, da sie keinen Sackzehend davon entrichtet, oder sie wenigstens zu beleidigen, da sie keine Ablaßbriefe austheilt und weil man wirklich in der Angst zuletzt annimmt, man könne keine andere Sünden gegen sie begehen als solche gegen den heiligen Geist. Jean
. . . Aber zum Adſtringens und zur Vipernkur ſei¬ ner Maͤnnlichkeit hatt' er nichts als ein »Hm!« und einen Zuck des ganzen Koͤrpers vonnoͤthen: dar¬ auf kehrten die Juͤnglinge als Maͤnner in die Laube zuruͤck.
Es war nichts mehr darin: die Maͤdgen waren in die Wieſen geſchlichen, wo nichts zu meiden war als hohes Gras und bethauter Schatten. Die leere Laube war der beſte einſaugende Thraͤnenheber ſeiner Augen; ja ich ſchließe aus Berichten des Korreſpon¬ denz, Spitzes, daß es ihn verdroß. Da Schwe¬ ſter ſpaͤt allein wiederkam: ſo verdroß es den an¬ dern auch. Ueberhaupt ſollte ſich der Held — wel¬ ches fuͤr mich und ihn ein Ungluͤck waͤre — mit der Zeit gar in Klotilden verlieben: ſo wird uns beiden — ihm im Agiren, mir im Kopiren — die Heldin warm genug machen, eben weil ſie es ſelber nicht ſeyn will; weil ſie weder uͤberfluͤßige Waͤrme noch uͤberfluͤßige Kaͤlte ſondern allzeit die wechſelnde Tem¬ peratur hat, die ſich mit dem Entrevuͤen-Stof, aber nicht mit dem Redner aͤndert; weil ſie einem zaͤrtli¬ chen Nebenmenſchen alle Luſt nimmt, ſie zu loben, da ſie keinen Sackzehend davon entrichtet, oder ſie wenigſtens zu beleidigen, da ſie keine Ablaßbriefe austheilt und weil man wirklich in der Angſt zuletzt annimmt, man koͤnne keine andere Suͤnden gegen ſie begehen als ſolche gegen den heiligen Geiſt. Jean
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. . . Aber zum Adſtringens und zur Vipernkur ſei¬
ner Maͤnnlichkeit hatt' er nichts als ein »Hm!«
und einen Zuck des ganzen Koͤrpers vonnoͤthen: dar¬
auf kehrten die Juͤnglinge als Maͤnner in die Laube
zuruͤck.
Es war nichts mehr darin: die Maͤdgen waren
in die Wieſen geſchlichen, wo nichts zu meiden war
als hohes Gras und bethauter Schatten. Die leere
Laube war der beſte einſaugende Thraͤnenheber ſeiner
Augen; ja ich ſchließe aus Berichten des Korreſpon¬
denz, Spitzes, daß es ihn verdroß. Da Schwe¬
ſter ſpaͤt allein wiederkam: ſo verdroß es den an¬
dern auch. Ueberhaupt ſollte ſich der Held — wel¬
ches fuͤr mich und ihn ein Ungluͤck waͤre — mit der
Zeit gar in Klotilden verlieben: ſo wird uns beiden
— ihm im Agiren, mir im Kopiren — die Heldin
warm genug machen, eben weil ſie es ſelber nicht
ſeyn will; weil ſie weder uͤberfluͤßige Waͤrme noch
uͤberfluͤßige Kaͤlte ſondern allzeit die wechſelnde Tem¬
peratur hat, die ſich mit dem Entrevuͤen-Stof, aber
nicht mit dem Redner aͤndert; weil ſie einem zaͤrtli¬
chen Nebenmenſchen alle Luſt nimmt, ſie zu loben,
da ſie keinen Sackzehend davon entrichtet, oder ſie
wenigſtens zu beleidigen, da ſie keine Ablaßbriefe
austheilt und weil man wirklich in der Angſt zuletzt
annimmt, man koͤnne keine andere Suͤnden gegen ſie
begehen als ſolche gegen den heiligen Geiſt. Jean
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/374>, abgerufen am 22.11.2024.
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