Fußgestell nöthig) -- er lag am tiefsten im Thal, von Emanuels Blumenketten umfasset -- die er oft unverzäunt anlegte, weil alle Maienthaler seine klei¬ nen Freuden schonten, -- von großen Kleefeldern an¬ geweht, vom Monde, der im Frühling erst vom Berg herab diese Tiefe anstralte, mit einem schwer¬ müthigen Gemisch von Birkenschatten, lichten Stel¬ len und Wasserglanz überdeckt und endlich mit einer Grasbank ausmeublirt, die ich nicht erwähnte, wä¬ re sie nicht an beiden Enden mit großen niederwan¬ kenden Blumen besteckt, die zärtlich keiner erdrückte, der sich zwischen ihnen niederließ. Wie wurde Vik¬ tor betroffen -- oder entzückt, als Emanuel nach dieser Klotilde fragte! Wie Thau Juwelen, wie Freudenthränen fielen alle Worte des Lehrers in seine lechzende Seele weil es Lobsprüche über Klotil¬ dens weiche Seele waren, die ihre Thränen nur in fremde leitet und vor trocknen Herzen verdeckt, über ihre feine Ehrliebe, die der männliche Tadel zu Kälte und der weibliche zu Stolz verdreht, und über eine liebende Wärme, die man in ihrem wie eine Knospe fest geschlossenen Herzen nicht ge¬ sucht hätte, das jetzt die leblose Natur mit der be¬ lebten vermengt, um an jener diese lieben zu lernen. Es rührte Viktor bis zu Thränen, da Emanuel ihm seine aus diesem Eden entrückte Elevin so warm an¬ lobte -- und als er ihn noch dazu unbefangen bat,
Fußgeſtell noͤthig) — er lag am tiefſten im Thal, von Emanuels Blumenketten umfaſſet — die er oft unverzaͤunt anlegte, weil alle Maienthaler ſeine klei¬ nen Freuden ſchonten, — von großen Kleefeldern an¬ geweht, vom Monde, der im Fruͤhling erſt vom Berg herab dieſe Tiefe anſtralte, mit einem ſchwer¬ muͤthigen Gemiſch von Birkenſchatten, lichten Stel¬ len und Waſſerglanz uͤberdeckt und endlich mit einer Grasbank ausmeublirt, die ich nicht erwaͤhnte, waͤ¬ re ſie nicht an beiden Enden mit großen niederwan¬ kenden Blumen beſteckt, die zaͤrtlich keiner erdruͤckte, der ſich zwiſchen ihnen niederließ. Wie wurde Vik¬ tor betroffen — oder entzuͤckt, als Emanuel nach dieſer Klotilde fragte! Wie Thau Juwelen, wie Freudenthraͤnen fielen alle Worte des Lehrers in ſeine lechzende Seele weil es Lobſpruͤche uͤber Klotil¬ dens weiche Seele waren, die ihre Thraͤnen nur in fremde leitet und vor trocknen Herzen verdeckt, uͤber ihre feine Ehrliebe, die der maͤnnliche Tadel zu Kaͤlte und der weibliche zu Stolz verdreht, und uͤber eine liebende Waͤrme, die man in ihrem wie eine Knoſpe feſt geſchloſſenen Herzen nicht ge¬ ſucht haͤtte, das jetzt die lebloſe Natur mit der be¬ lebten vermengt, um an jener dieſe lieben zu lernen. Es ruͤhrte Viktor bis zu Thraͤnen, da Emanuel ihm ſeine aus dieſem Eden entruͤckte Elevin ſo warm an¬ lobte — und als er ihn noch dazu unbefangen bat,
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Fußgeſtell noͤthig) — er lag am tiefſten im Thal,
von Emanuels Blumenketten umfaſſet — die er oft
unverzaͤunt anlegte, weil alle Maienthaler ſeine klei¬
nen Freuden ſchonten, — von großen Kleefeldern an¬
geweht, vom Monde, der im Fruͤhling erſt vom
Berg herab dieſe Tiefe anſtralte, mit einem ſchwer¬
muͤthigen Gemiſch von Birkenſchatten, lichten Stel¬
len und Waſſerglanz uͤberdeckt und endlich mit einer
Grasbank ausmeublirt, die ich nicht erwaͤhnte, waͤ¬
re ſie nicht an beiden Enden mit großen niederwan¬
kenden Blumen beſteckt, die zaͤrtlich keiner erdruͤckte,
der ſich zwiſchen ihnen niederließ. Wie wurde Vik¬
tor betroffen — oder entzuͤckt, als Emanuel nach
dieſer Klotilde fragte! Wie Thau Juwelen, wie
Freudenthraͤnen fielen alle Worte des Lehrers in
ſeine lechzende Seele weil es Lobſpruͤche uͤber Klotil¬
dens weiche Seele waren, die ihre Thraͤnen nur in
fremde leitet und vor trocknen Herzen verdeckt,
uͤber ihre feine Ehrliebe, die der maͤnnliche Tadel
zu Kaͤlte und der weibliche zu Stolz verdreht,
und uͤber eine liebende Waͤrme, die man in ihrem
wie eine Knoſpe feſt geſchloſſenen Herzen nicht ge¬
ſucht haͤtte, das jetzt die lebloſe Natur mit der be¬
lebten vermengt, um an jener dieſe lieben zu lernen.
Es ruͤhrte Viktor bis zu Thraͤnen, da Emanuel ihm
ſeine aus dieſem Eden entruͤckte Elevin ſo warm an¬
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/346>, abgerufen am 23.11.2024.
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