Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795.Ach armer Lord! wiederholte unaufhörlich sein Am wehesten that ihm gerade die finnliche Klei¬ U 2
Ach armer Lord! wiederholte unaufhoͤrlich ſein Am weheſten that ihm gerade die finnliche Klei¬ U 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0318" n="307"/> <p>Ach armer Lord! wiederholte unaufhoͤrlich ſein<lb/> Sohn, der jetzt nach Maienthal mit einer gepreſten<lb/> Seele ging. Außen um ihn war der Himmel ſtill;<lb/> ein großes Gewoͤlk uͤberdeckte ihn ganz, aber es ſtand<lb/> ringsum auf einen blauen Saum am Horizont. Hin¬<lb/> gegen in Viktors Bruſt zogen Luftſtroͤme gegen ein¬<lb/> ander und wirbelten ſich zu einer Landhoſe zuſam¬<lb/> men, die Baͤche auftrinkt und Baͤume aufzieht —<lb/> Sein Vater hing bleich in dieſem Sturm — Vik¬<lb/> kors kuͤnftigen Tage murden hin und her geſchleu¬<lb/> dert — Sein kuͤnftiges Leben draͤngte ſich in ein en¬<lb/> ges uͤberflortes Bild zuſammen und machte ihn eben<lb/> ſo aͤngſtlich daruͤber, <hi rendition="#g">daß</hi> er es leben muͤßte als wie<lb/> er es muͤßte.</p><lb/> <p>Am weheſten that ihm gerade die finnliche Klei¬<lb/> nigkeit, daß ſein Vater noch allein und verhuͤllt in<lb/> der Inſel geblieben war. — Einmal fiel ihn die<lb/> Vermuthung an, ob nicht das meißte nur dramati¬<lb/> ſche Maſchinerie geweſen ſey, die ſein Vater (der in<lb/> der Jugend ein Tragoͤdiendichter geweſen) gebraucht<lb/> habe, um ſeinem Geluͤbde der Verſchwiegenheit mehr<lb/> Feſtigkeit zn geben — aber ſogleich ekelte ihn ſei¬<lb/> nes eignes Herzens. Warum ſind die reinſten Seelen<lb/> mit einer Menge ekelhafter, giftiger Gedanken ge¬<lb/> quaͤlt, die wie Spinnen an den glaͤnzenden Waͤnden<lb/> hinaufkriechen und die ſie nur die Muͤhe todtzudruͤk¬<lb/> <fw place="bottom" type="sig">U 2<lb/></fw> </p> </div> </body> </text> </TEI> [307/0318]
Ach armer Lord! wiederholte unaufhoͤrlich ſein
Sohn, der jetzt nach Maienthal mit einer gepreſten
Seele ging. Außen um ihn war der Himmel ſtill;
ein großes Gewoͤlk uͤberdeckte ihn ganz, aber es ſtand
ringsum auf einen blauen Saum am Horizont. Hin¬
gegen in Viktors Bruſt zogen Luftſtroͤme gegen ein¬
ander und wirbelten ſich zu einer Landhoſe zuſam¬
men, die Baͤche auftrinkt und Baͤume aufzieht —
Sein Vater hing bleich in dieſem Sturm — Vik¬
kors kuͤnftigen Tage murden hin und her geſchleu¬
dert — Sein kuͤnftiges Leben draͤngte ſich in ein en¬
ges uͤberflortes Bild zuſammen und machte ihn eben
ſo aͤngſtlich daruͤber, daß er es leben muͤßte als wie
er es muͤßte.
Am weheſten that ihm gerade die finnliche Klei¬
nigkeit, daß ſein Vater noch allein und verhuͤllt in
der Inſel geblieben war. — Einmal fiel ihn die
Vermuthung an, ob nicht das meißte nur dramati¬
ſche Maſchinerie geweſen ſey, die ſein Vater (der in
der Jugend ein Tragoͤdiendichter geweſen) gebraucht
habe, um ſeinem Geluͤbde der Verſchwiegenheit mehr
Feſtigkeit zn geben — aber ſogleich ekelte ihn ſei¬
nes eignes Herzens. Warum ſind die reinſten Seelen
mit einer Menge ekelhafter, giftiger Gedanken ge¬
quaͤlt, die wie Spinnen an den glaͤnzenden Waͤnden
hinaufkriechen und die ſie nur die Muͤhe todtzudruͤk¬
U 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/318 |
Zitationshilfe: | Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/318>, abgerufen am 22.07.2024. |