zerquetscht. Der Lord fing wieder an, aber kälter: "glaube nicht, daß ich besonders gerührt bin -- "glaube nicht, daß ich eine Freude begehre, oder ei¬ "nen Schmerz verwünsche -- ich lebe nun ohne "Hofnung und sterbe nun ohne Hofnung." --
Seine Stimme kam schneidend über Eisfelder her, sein Blick war scharf durch Frost.
Er fuhr fort: "Wenn ich sieben Menschen "vielleicht glücklich gemacht habe: so muß auf mei¬ "nen schwarzen Marmor geschrieben werden: es "ruht. . . . Warum wunderst du dich so? Bist du "jetzt schon ruhig?" -- Er sah starr auf das weiße Herz, und starrer gerade aus, als wenn eine Gestalt sich aufhöbe aus dem Grabe -- das frierende Auge legte und drehte sich auf eine aufdringende Thräne -- schnell zog er einen Flor von einem Spiegel zu¬ rück und sagte: "Blicke hinein, aber umarme mich "darauf!" . . . Viktor starrte in den Spiegel und sah schaudernd ein ewig geliebtes Angesicht darin er¬ scheinen -- das Angesicht seines Lehrers Dahore -- er bebte wohl zusammen, aber er sah sich doch nicht um und umfaßte den Vater, der ohne Hof nung war.
"Du zitterst viel zu stark (sagte der Lord) aber "frage mich nicht, mein Theurer, warum alles so "ist: in gewissen Jahren thut man die alte Brust "nicht mehr auf; so voll sie auch sey."
Ach
zerquetſcht. Der Lord fing wieder an, aber kaͤlter: »glaube nicht, daß ich beſonders geruͤhrt bin — »glaube nicht, daß ich eine Freude begehre, oder ei¬ »nen Schmerz verwuͤnſche — ich lebe nun ohne »Hofnung und ſterbe nun ohne Hofnung.« —
Seine Stimme kam ſchneidend uͤber Eisfelder her, ſein Blick war ſcharf durch Froſt.
Er fuhr fort: »Wenn ich ſieben Menſchen »vielleicht gluͤcklich gemacht habe: ſo muß auf mei¬ »nen ſchwarzen Marmor geſchrieben werden: es »ruht. . . . Warum wunderſt du dich ſo? Biſt du »jetzt ſchon ruhig?« — Er ſah ſtarr auf das weiße Herz, und ſtarrer gerade aus, als wenn eine Geſtalt ſich aufhoͤbe aus dem Grabe — das frierende Auge legte und drehte ſich auf eine aufdringende Thraͤne — ſchnell zog er einen Flor von einem Spiegel zu¬ ruͤck und ſagte: »Blicke hinein, aber umarme mich »darauf!« . . . Viktor ſtarrte in den Spiegel und ſah ſchaudernd ein ewig geliebtes Angeſicht darin er¬ ſcheinen — das Angeſicht ſeines Lehrers Dahore — er bebte wohl zuſammen, aber er ſah ſich doch nicht um und umfaßte den Vater, der ohne Hof nung war.
»Du zitterſt viel zu ſtark (ſagte der Lord) aber »frage mich nicht, mein Theurer, warum alles ſo »iſt: in gewiſſen Jahren thut man die alte Bruſt »nicht mehr auf; ſo voll ſie auch ſey.«
Ach
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zerquetſcht. Der Lord fing wieder an, aber kaͤlter:
»glaube nicht, daß ich beſonders geruͤhrt bin —
»glaube nicht, daß ich eine Freude begehre, oder ei¬
»nen Schmerz verwuͤnſche — ich lebe nun ohne
»Hofnung und ſterbe nun ohne Hofnung.« —
Seine Stimme kam ſchneidend uͤber Eisfelder
her, ſein Blick war ſcharf durch Froſt.
Er fuhr fort: »Wenn ich ſieben Menſchen
»vielleicht gluͤcklich gemacht habe: ſo muß auf mei¬
»nen ſchwarzen Marmor geſchrieben werden: es
»ruht. . . . Warum wunderſt du dich ſo? Biſt du
»jetzt ſchon ruhig?« — Er ſah ſtarr auf das weiße
Herz, und ſtarrer gerade aus, als wenn eine Geſtalt
ſich aufhoͤbe aus dem Grabe — das frierende Auge
legte und drehte ſich auf eine aufdringende Thraͤne
— ſchnell zog er einen Flor von einem Spiegel zu¬
ruͤck und ſagte: »Blicke hinein, aber umarme mich
»darauf!« . . . Viktor ſtarrte in den Spiegel und
ſah ſchaudernd ein ewig geliebtes Angeſicht darin er¬
ſcheinen — das Angeſicht ſeines Lehrers Dahore
— er bebte wohl zuſammen, aber er ſah ſich doch
nicht um und umfaßte den Vater, der ohne Hof
nung war.
»Du zitterſt viel zu ſtark (ſagte der Lord) aber
»frage mich nicht, mein Theurer, warum alles ſo
»iſt: in gewiſſen Jahren thut man die alte Bruſt
»nicht mehr auf; ſo voll ſie auch ſey.«
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/299>, abgerufen am 23.11.2024.
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