oder über Kants Prolegomena drei bis vier Briefe wechselt -- oder ihr fünfmal den Puder mit dem Pudermesser von der Stirne kehrt -- oder neben und mit ihr betäubende Säbelbohnen anbindet -- oder gar in der Geisterstunde (die eben so oft zur Schäferstunde wird) über das erste Prinzip in der Moral diskurirt: so ist so viel gewiß, daß der be¬ sagte Jüngling (wenn anders Feinheit, Gefühl und Besonnenheit einander die Wage in ihm halten) ein wenig toll thun und für die besagte Moi¬ tistin) wenn sie anders nicht mit Hökern des Kopfes oder Herzens an seine Fühlfäden stösset) etwas em¬ pfinden muß, das zu warm ist für die Freundschaft, zu unreif für die Liebe das an jene gränzt, weil es mehrere Gegenstände einschließt, und an diese, weil es an dieser stirbt. Und das ist eben nichts anders als meine Tutti-Liebe. Beyspiele sind ver¬ hast: sonst zög' ich meines an. Diese Universalliebe ist ein ungegliederter Fausthandschuh, in den, weil keine Verschläge die vier Finger trennen, jede Hand leichtlich hineinfährt -- in die Parzialliebe oder in den Fingerhandschuh drängt sich nur eine einzige Hand. Da ich zuerst diese Sache und Insel entdeckt habe: so kann ich ihr den Namen schenken, womit sie andre nennen und rufen müssen. Man soll sie künftighin die Simultanliebe benamsen, ob ich sie gleich auch wenn ich wollte die Präludierliebe --
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oder uͤber Kants Prolegomena drei bis vier Briefe wechſelt — oder ihr fuͤnfmal den Puder mit dem Pudermeſſer von der Stirne kehrt — oder neben und mit ihr betaͤubende Saͤbelbohnen anbindet — oder gar in der Geiſterſtunde (die eben ſo oft zur Schaͤferſtunde wird) uͤber das erſte Prinzip in der Moral diskurirt: ſo iſt ſo viel gewiß, daß der be¬ ſagte Juͤngling (wenn anders Feinheit, Gefuͤhl und Beſonnenheit einander die Wage in ihm halten) ein wenig toll thun und fuͤr die beſagte Moi¬ tiſtin) wenn ſie anders nicht mit Hoͤkern des Kopfes oder Herzens an ſeine Fuͤhlfaͤden ſtoͤſſet) etwas em¬ pfinden muß, das zu warm iſt fuͤr die Freundſchaft, zu unreif fuͤr die Liebe das an jene graͤnzt, weil es mehrere Gegenſtaͤnde einſchließt, und an dieſe, weil es an dieſer ſtirbt. Und das iſt eben nichts anders als meine Tutti-Liebe. Beyſpiele ſind ver¬ haſt: ſonſt zoͤg' ich meines an. Dieſe Univerſalliebe iſt ein ungegliederter Fauſthandſchuh, in den, weil keine Verſchlaͤge die vier Finger trennen, jede Hand leichtlich hineinfaͤhrt — in die Parzialliebe oder in den Fingerhandſchuh draͤngt ſich nur eine einzige Hand. Da ich zuerſt dieſe Sache und Inſel entdeckt habe: ſo kann ich ihr den Namen ſchenken, womit ſie andre nennen und rufen muͤſſen. Man ſoll ſie kuͤnftighin die Simultanliebe benamſen, ob ich ſie gleich auch wenn ich wollte die Praͤludierliebe —
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oder uͤber Kants Prolegomena drei bis vier Briefe
wechſelt — oder ihr fuͤnfmal den Puder mit dem
Pudermeſſer von der Stirne kehrt — oder neben
und mit ihr betaͤubende Saͤbelbohnen anbindet —
oder gar in der Geiſterſtunde (die eben ſo oft zur
Schaͤferſtunde wird) uͤber das erſte Prinzip in der
Moral diskurirt: ſo iſt ſo viel gewiß, daß der be¬
ſagte Juͤngling (wenn anders Feinheit, Gefuͤhl
und Beſonnenheit einander die Wage in ihm
halten) ein wenig toll thun und fuͤr die beſagte Moi¬
tiſtin) wenn ſie anders nicht mit Hoͤkern des Kopfes
oder Herzens an ſeine Fuͤhlfaͤden ſtoͤſſet) etwas em¬
pfinden muß, das zu warm iſt fuͤr die Freundſchaft,
zu unreif fuͤr die Liebe das an jene graͤnzt, weil
es mehrere Gegenſtaͤnde einſchließt, und an dieſe,
weil es an dieſer ſtirbt. Und das iſt eben nichts
anders als meine Tutti-Liebe. Beyſpiele ſind ver¬
haſt: ſonſt zoͤg' ich meines an. Dieſe Univerſalliebe
iſt ein ungegliederter Fauſthandſchuh, in den, weil
keine Verſchlaͤge die vier Finger trennen, jede Hand
leichtlich hineinfaͤhrt — in die Parzialliebe oder in
den Fingerhandſchuh draͤngt ſich nur eine einzige
Hand. Da ich zuerſt dieſe Sache und Inſel entdeckt
habe: ſo kann ich ihr den Namen ſchenken, womit
ſie andre nennen und rufen muͤſſen. Man ſoll ſie
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/286>, abgerufen am 22.11.2024.
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