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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795.

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ging in ihr Schlafzimmer zum ausgeleerten h. Gra¬
be, d. h. Bette der auferstandnen Braut, in wel¬
ches der an der Wand vor Anker liegende Sponsus
von seinem Nagel sehen konnte. Ganze Divisionen
von Einfällen marschirten stumm durch seinen Kopf,
den er damit an ein seidnes Kopfkissen -- so gros
wie ein Hund- oder ein Seitenkissen eines Wagens
-- mit der Wange andrückte. So anliegend und
knieend perorirte ers halb in die Federn (nicht in
die Feder) hinein: "ich wollt' auf dem andern Kis¬
"sen läg' auch ein Gesicht und säh' in meines --
"du lieber Himmel! zwei Menschengesichter einander
"gegenüber -- sich einander in die Augen ziehend --
"einander die Seufzer belauschend -- voneinander
"die weichen durchsichtigen Worte wegathmend --
"das ständen ich und ihr gar nicht aus, Associe:"
-- Er sprang auf, patschte sein Hasenlager leise
wieder platt und sagte: "bette dich weich um das
"schwere Haupt, das auf dich sinkt; erdrücke seine
"Träume nicht; verrathe seine Thränen nicht!" --
Wäre sogar der Graf von O. mit seiner feinen iro¬
nischen Mine dazu gekommen: er hätte nichts dar¬
nach gefragt. Es ist ein Unglück für uns Deutsche,
daß wir allein -- indes dem Engländer sogar vom
Weltmann seine Hasen- Bocks- und Luftsprünge für
zierliche Rück- Vor- und Hauptpas angerechnet wer¬

ging in ihr Schlafzimmer zum ausgeleerten h. Gra¬
be, d. h. Bette der auferſtandnen Braut, in wel¬
ches der an der Wand vor Anker liegende Sponſus
von ſeinem Nagel ſehen konnte. Ganze Diviſionen
von Einfaͤllen marſchirten ſtumm durch ſeinen Kopf,
den er damit an ein ſeidnes Kopfkiſſen — ſo gros
wie ein Hund- oder ein Seitenkiſſen eines Wagens
— mit der Wange andruͤckte. So anliegend und
knieend perorirte ers halb in die Federn (nicht in
die Feder) hinein: »ich wollt' auf dem andern Kiſ¬
»ſen laͤg' auch ein Geſicht und ſaͤh' in meines —
»du lieber Himmel! zwei Menſchengeſichter einander
»gegenuͤber — ſich einander in die Augen ziehend —
»einander die Seufzer belauſchend — voneinander
»die weichen durchſichtigen Worte wegathmend —
»das ſtaͤnden ich und ihr gar nicht aus, Aſſocie:»
— Er ſprang auf, patſchte ſein Haſenlager leiſe
wieder platt und ſagte: »bette dich weich um das
»ſchwere Haupt, das auf dich ſinkt; erdruͤcke ſeine
»Traͤume nicht; verrathe ſeine Thraͤnen nicht!» —
Waͤre ſogar der Graf von O. mit ſeiner feinen iro¬
niſchen Mine dazu gekommen: er haͤtte nichts dar¬
nach gefragt. Es iſt ein Ungluͤck fuͤr uns Deutſche,
daß wir allein — indes dem Englaͤnder ſogar vom
Weltmann ſeine Haſen- Bocks- und Luftſpruͤnge fuͤr
zierliche Ruͤck- Vor- und Hauptpas angerechnet wer¬

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[268/0281] ging in ihr Schlafzimmer zum ausgeleerten h. Gra¬ be, d. h. Bette der auferſtandnen Braut, in wel¬ ches der an der Wand vor Anker liegende Sponſus von ſeinem Nagel ſehen konnte. Ganze Diviſionen von Einfaͤllen marſchirten ſtumm durch ſeinen Kopf, den er damit an ein ſeidnes Kopfkiſſen — ſo gros wie ein Hund- oder ein Seitenkiſſen eines Wagens — mit der Wange andruͤckte. So anliegend und knieend perorirte ers halb in die Federn (nicht in die Feder) hinein: »ich wollt' auf dem andern Kiſ¬ »ſen laͤg' auch ein Geſicht und ſaͤh' in meines — »du lieber Himmel! zwei Menſchengeſichter einander »gegenuͤber — ſich einander in die Augen ziehend — »einander die Seufzer belauſchend — voneinander »die weichen durchſichtigen Worte wegathmend — »das ſtaͤnden ich und ihr gar nicht aus, Aſſocie:» — Er ſprang auf, patſchte ſein Haſenlager leiſe wieder platt und ſagte: »bette dich weich um das »ſchwere Haupt, das auf dich ſinkt; erdruͤcke ſeine »Traͤume nicht; verrathe ſeine Thraͤnen nicht!» — Waͤre ſogar der Graf von O. mit ſeiner feinen iro¬ niſchen Mine dazu gekommen: er haͤtte nichts dar¬ nach gefragt. Es iſt ein Ungluͤck fuͤr uns Deutſche, daß wir allein — indes dem Englaͤnder ſogar vom Weltmann ſeine Haſen- Bocks- und Luftſpruͤnge fuͤr zierliche Ruͤck- Vor- und Hauptpas angerechnet wer¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/281>, abgerufen am 17.06.2024.