Er saß wieder in seinem Mastkorb, als die Für¬ stin aß. Es geschah bei ofnen Thüren. Sie schürte sein Liebes-Kaminfeuer mit dem goldnen Löffel an, so oft sie ihn an ihre kleinen Lippen drückte -- sie stöhrte das Feuer wieder auseinander mit den zwei Zahnstochern (süßen und sauern) so oft sie zu ihnen griff. Tostato et Kompagnie setzten heute die theuer¬ sten Waaren ab: kein Mensch kannte die et Kom¬ pagnie; bloß Zeusel sah dem Viktor schärfer ins Ge¬ sicht und dachte: "ich sollt' dich gesehn haben." Gegen 2 2/3 Uhr Nachmittags ereignete sich das Glück, daß die Prinzessin selber an die Bude trat, um ita¬ italienische Blumen für ein kleines Mädgen, das ihr wohlgefallen, auszusuchen. Bekanntlich nimmt man sich in jeder Maske Maskenfreiheit und auf jeder Reise Meßfreiheit: Viktor der, in Verkleidungen und auf Reisen fast all zu kühn war, probirte es, in der Muttersprache der Prinzessin und zwar mit Witz zu sprechen. "Der Teufel, dacht' er, kann mich doch "deswegen nicht holen." Er merkte daher mit dem "zartesten Wohlwollen gegen dieses schöne Kind in Molochs Armen nur so viel über die seidnen Blu¬ men an: "die Blumen der Freude wurden auch lei¬ "der meistens aus Sammt, Eisendrath und mit dem "Formeisen gemacht." Es war nur ein Wunder, daß er höflich genug war, um den Umstand wegzu¬ lassen, daß gerade der italienische Adel die italieni¬
Er ſaß wieder in ſeinem Maſtkorb, als die Fuͤr¬ ſtin aß. Es geſchah bei ofnen Thuͤren. Sie ſchuͤrte ſein Liebes-Kaminfeuer mit dem goldnen Loͤffel an, ſo oft ſie ihn an ihre kleinen Lippen druͤckte — ſie ſtoͤhrte das Feuer wieder auseinander mit den zwei Zahnſtochern (ſuͤßen und ſauern) ſo oft ſie zu ihnen griff. Toſtato et Kompagnie ſetzten heute die theuer¬ ſten Waaren ab: kein Menſch kannte die et Kom¬ pagnie; bloß Zeuſel ſah dem Viktor ſchaͤrfer ins Ge¬ ſicht und dachte: »ich ſollt' dich geſehn haben.« Gegen 2⅔ Uhr Nachmittags ereignete ſich das Gluͤck, daß die Prinzeſſin ſelber an die Bude trat, um ita¬ italieniſche Blumen fuͤr ein kleines Maͤdgen, das ihr wohlgefallen, auszuſuchen. Bekanntlich nimmt man ſich in jeder Maske Maskenfreiheit und auf jeder Reiſe Meßfreiheit: Viktor der, in Verkleidungen und auf Reiſen faſt all zu kuͤhn war, probirte es, in der Mutterſprache der Prinzeſſin und zwar mit Witz zu ſprechen. »Der Teufel, dacht' er, kann mich doch »deswegen nicht holen.« Er merkte daher mit dem »zarteſten Wohlwollen gegen dieſes ſchoͤne Kind in Molochs Armen nur ſo viel uͤber die ſeidnen Blu¬ men an: »die Blumen der Freude wurden auch lei¬ »der meiſtens aus Sammt, Eiſendrath und mit dem »Formeiſen gemacht.« Es war nur ein Wunder, daß er hoͤflich genug war, um den Umſtand wegzu¬ laſſen, daß gerade der italieniſche Adel die italieni¬
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Er ſaß wieder in ſeinem Maſtkorb, als die Fuͤr¬
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ſein Liebes-Kaminfeuer mit dem goldnen Loͤffel an,
ſo oft ſie ihn an ihre kleinen Lippen druͤckte — ſie
ſtoͤhrte das Feuer wieder auseinander mit den zwei
Zahnſtochern (ſuͤßen und ſauern) ſo oft ſie zu ihnen
griff. Toſtato et Kompagnie ſetzten heute die theuer¬
ſten Waaren ab: kein Menſch kannte die et Kom¬
pagnie; bloß Zeuſel ſah dem Viktor ſchaͤrfer ins Ge¬
ſicht und dachte: »ich ſollt' dich geſehn haben.«
Gegen 2⅔ Uhr Nachmittags ereignete ſich das Gluͤck,
daß die Prinzeſſin ſelber an die Bude trat, um ita¬
italieniſche Blumen fuͤr ein kleines Maͤdgen, das ihr
wohlgefallen, auszuſuchen. Bekanntlich nimmt man
ſich in jeder Maske Maskenfreiheit und auf jeder
Reiſe Meßfreiheit: Viktor der, in Verkleidungen und
auf Reiſen faſt all zu kuͤhn war, probirte es, in der
Mutterſprache der Prinzeſſin und zwar mit Witz zu
ſprechen. »Der Teufel, dacht' er, kann mich doch
»deswegen nicht holen.« Er merkte daher mit dem
»zarteſten Wohlwollen gegen dieſes ſchoͤne Kind in
Molochs Armen nur ſo viel uͤber die ſeidnen Blu¬
men an: »die Blumen der Freude wurden auch lei¬
»der meiſtens aus Sammt, Eiſendrath und mit dem
»Formeiſen gemacht.« Es war nur ein Wunder,
daß er hoͤflich genug war, um den Umſtand wegzu¬
laſſen, daß gerade der italieniſche Adel die italieni¬
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/278>, abgerufen am 23.11.2024.
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