Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

Salzsäule verwandelt, sich wie eine Schildkröte vor
die Regentin und Pazientin schiebt. --

Kein Mensch weiß wie mich Zeusel ängstigt.
Gegen alle Rangordnung präsentir' ich lieber vor
ihm die feisten in schelmische Dummheit verquollenen
Livreebedienten, deren Röcke weniger aus Fäden als
aus Borten bestehen und die sich als gelbe Bänder-
Präparate vor müden an schönere Gestalten gewöhn¬
ten Augen bücken. Viktor fand durch seine britti¬
sche Brille die italienischen glasirten Kurialgesichter
wenigstens malerisch-schön, hingegen die deutschen
Parade-Larven so abgegriffen und doch so gesteift,
so matt und doch so gespannt, die Blicke so ver¬
raucht und doch so geschwefelt! ... -- Ich halte
Zeuseln noch durch einige Osterlämmer oder agnus
dei
von Pagengesichtern auf, so weich und so weiß
wie Maden; eine Amme möchte sie mit ihrer Milch¬
pumpe von Mund an Busen legen.

Länger war Zeusel nicht mehr zu halten, er ist
hereingebrochen und hat die Fürstin beim Flügel --
der ganze Spas dieser Komödie, ich meine der Ernst,
ist uns nunmehr verdorben. Dieser graue Narr hat
sich in seinen alten Tagen -- seine Nächte sind noch
älter -- in einen ganzen historischen Kupferstich ge¬
knöpft, das will sagen in ein mit der ganzen Zoolo¬
gie illuminirtes Gillet, worin er samt seinen vier
bunten Ringen ordentlich aussieht wie ein grüner

Salzſaͤule verwandelt, ſich wie eine Schildkroͤte vor
die Regentin und Pazientin ſchiebt. —

Kein Menſch weiß wie mich Zeuſel aͤngſtigt.
Gegen alle Rangordnung praͤſentir' ich lieber vor
ihm die feiſten in ſchelmiſche Dummheit verquollenen
Livreebedienten, deren Roͤcke weniger aus Faͤden als
aus Borten beſtehen und die ſich als gelbe Baͤnder-
Praͤparate vor muͤden an ſchoͤnere Geſtalten gewoͤhn¬
ten Augen buͤcken. Viktor fand durch ſeine britti¬
ſche Brille die italieniſchen glaſirten Kurialgeſichter
wenigſtens maleriſch-ſchoͤn, hingegen die deutſchen
Parade-Larven ſo abgegriffen und doch ſo geſteift,
ſo matt und doch ſo geſpannt, die Blicke ſo ver¬
raucht und doch ſo geſchwefelt! ... — Ich halte
Zeuſeln noch durch einige Oſterlaͤmmer oder agnus
dei
von Pagengeſichtern auf, ſo weich und ſo weiß
wie Maden; eine Amme moͤchte ſie mit ihrer Milch¬
pumpe von Mund an Buſen legen.

Laͤnger war Zeuſel nicht mehr zu halten, er iſt
hereingebrochen und hat die Fuͤrſtin beim Fluͤgel —
der ganze Spas dieſer Komoͤdie, ich meine der Ernſt,
iſt uns nunmehr verdorben. Dieſer graue Narr hat
ſich in ſeinen alten Tagen — ſeine Naͤchte ſind noch
aͤlter — in einen ganzen hiſtoriſchen Kupferſtich ge¬
knoͤpft, das will ſagen in ein mit der ganzen Zoolo¬
gie illuminirtes Gillet, worin er ſamt ſeinen vier
bunten Ringen ordentlich ausſieht wie ein gruͤner

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0273" n="262"/>
Salz&#x017F;a&#x0364;ule verwandelt, &#x017F;ich wie eine Schildkro&#x0364;te vor<lb/>
die Regentin und Pazientin &#x017F;chiebt. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Kein Men&#x017F;ch weiß wie mich Zeu&#x017F;el a&#x0364;ng&#x017F;tigt.<lb/>
Gegen alle Rangordnung pra&#x0364;&#x017F;entir' ich lieber vor<lb/>
ihm die fei&#x017F;ten in &#x017F;chelmi&#x017F;che Dummheit verquollenen<lb/>
Livreebedienten, deren Ro&#x0364;cke weniger aus Fa&#x0364;den als<lb/>
aus Borten be&#x017F;tehen und die &#x017F;ich als gelbe Ba&#x0364;nder-<lb/>
Pra&#x0364;parate vor mu&#x0364;den an &#x017F;cho&#x0364;nere Ge&#x017F;talten gewo&#x0364;hn¬<lb/>
ten Augen bu&#x0364;cken. Viktor fand durch &#x017F;eine britti¬<lb/>
&#x017F;che Brille die italieni&#x017F;chen gla&#x017F;irten Kurialge&#x017F;ichter<lb/>
wenig&#x017F;tens maleri&#x017F;ch-&#x017F;cho&#x0364;n, hingegen die deut&#x017F;chen<lb/>
Parade-Larven &#x017F;o abgegriffen und doch &#x017F;o ge&#x017F;teift,<lb/>
&#x017F;o matt und doch &#x017F;o ge&#x017F;pannt, die Blicke &#x017F;o ver¬<lb/>
raucht und doch &#x017F;o ge&#x017F;chwefelt! ... &#x2014; Ich halte<lb/>
Zeu&#x017F;eln noch durch einige O&#x017F;terla&#x0364;mmer oder <hi rendition="#aq">agnus<lb/>
dei</hi> von Pagenge&#x017F;ichtern auf, &#x017F;o weich und &#x017F;o weiß<lb/>
wie Maden; eine Amme mo&#x0364;chte &#x017F;ie mit ihrer Milch¬<lb/>
pumpe von Mund an Bu&#x017F;en legen.</p><lb/>
          <p>La&#x0364;nger war Zeu&#x017F;el nicht mehr zu halten, er i&#x017F;t<lb/>
hereingebrochen und hat die Fu&#x0364;r&#x017F;tin beim Flu&#x0364;gel &#x2014;<lb/>
der ganze Spas die&#x017F;er Komo&#x0364;die, ich meine der Ern&#x017F;t,<lb/>
i&#x017F;t uns nunmehr verdorben. Die&#x017F;er graue Narr hat<lb/>
&#x017F;ich in &#x017F;einen alten Tagen &#x2014; &#x017F;eine Na&#x0364;chte &#x017F;ind noch<lb/>
a&#x0364;lter &#x2014; in einen ganzen hi&#x017F;tori&#x017F;chen Kupfer&#x017F;tich ge¬<lb/>
kno&#x0364;pft, das will &#x017F;agen in ein mit der ganzen Zoolo¬<lb/>
gie illuminirtes Gillet, worin er &#x017F;amt &#x017F;einen vier<lb/>
bunten Ringen ordentlich aus&#x017F;ieht wie ein gru&#x0364;ner<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[262/0273] Salzſaͤule verwandelt, ſich wie eine Schildkroͤte vor die Regentin und Pazientin ſchiebt. — Kein Menſch weiß wie mich Zeuſel aͤngſtigt. Gegen alle Rangordnung praͤſentir' ich lieber vor ihm die feiſten in ſchelmiſche Dummheit verquollenen Livreebedienten, deren Roͤcke weniger aus Faͤden als aus Borten beſtehen und die ſich als gelbe Baͤnder- Praͤparate vor muͤden an ſchoͤnere Geſtalten gewoͤhn¬ ten Augen buͤcken. Viktor fand durch ſeine britti¬ ſche Brille die italieniſchen glaſirten Kurialgeſichter wenigſtens maleriſch-ſchoͤn, hingegen die deutſchen Parade-Larven ſo abgegriffen und doch ſo geſteift, ſo matt und doch ſo geſpannt, die Blicke ſo ver¬ raucht und doch ſo geſchwefelt! ... — Ich halte Zeuſeln noch durch einige Oſterlaͤmmer oder agnus dei von Pagengeſichtern auf, ſo weich und ſo weiß wie Maden; eine Amme moͤchte ſie mit ihrer Milch¬ pumpe von Mund an Buſen legen. Laͤnger war Zeuſel nicht mehr zu halten, er iſt hereingebrochen und hat die Fuͤrſtin beim Fluͤgel — der ganze Spas dieſer Komoͤdie, ich meine der Ernſt, iſt uns nunmehr verdorben. Dieſer graue Narr hat ſich in ſeinen alten Tagen — ſeine Naͤchte ſind noch aͤlter — in einen ganzen hiſtoriſchen Kupferſtich ge¬ knoͤpft, das will ſagen in ein mit der ganzen Zoolo¬ gie illuminirtes Gillet, worin er ſamt ſeinen vier bunten Ringen ordentlich ausſieht wie ein gruͤner

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/273
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/273>, abgerufen am 17.06.2024.