Aber nach dem Essen gings anders. Unter Vik¬ tors Gehirnhäuten hatte irgend ein Poltergeist im innern Schriftkasten alle Lettern seiner Ideen so un¬ tereinander geworfen, daß er bisher lustig, aber un¬ zufrieden war -- er hatte versucht, Agathens Haare auf- und abzulocken, ihre Doppelschleifen in unglei¬ che und eben darum wieder in gleiche Hälften zu zerren -- äber es hatt' ihm nicht wie sonst gefallen -- die heutigen Zwischenspiele der häuslichen Liebe hatten seine ganze scherzende Seele aus den Fu¬ gen gezogen und es war ihm als wenn er entfernt von der heutigen Freude, wenigstens auf einige Mi¬ nuten, froher seyn würde in irgend einer stillen Ecke und besonders sehnt' er sich die Sonne untergehen zu sehen. -- --
Dazu kam noch mehr: der Anblick von Klotil¬ dens wärmerer Liebe gegen Agathe -- der Anblick seines Freundes, der durch seine schweigende Zärt¬ lichkeit, durch seine mildere Stimme, durch eine an heftigen Menschen so unwiderstehliche Ergebenheit jedem Herzen befahl: liebe mich -- und endlich der Anblick der Nacht. . .
Er war schon läugst traurig als er noch lustig schien. Jetzt brachte die Mutter den kleinen Held des heutigen Vormittags in den lauen Abendhimmel heraus. Sie standen alle außerhalb der Garten- Stiftshütte, im ersten Tempel des andächtigen Men¬
Aber nach dem Eſſen gings anders. Unter Vik¬ tors Gehirnhaͤuten hatte irgend ein Poltergeiſt im innern Schriftkaſten alle Lettern ſeiner Ideen ſo un¬ tereinander geworfen, daß er bisher luſtig, aber un¬ zufrieden war — er hatte verſucht, Agathens Haare auf- und abzulocken, ihre Doppelſchleifen in unglei¬ che und eben darum wieder in gleiche Haͤlften zu zerren — aͤber es hatt' ihm nicht wie ſonſt gefallen — die heutigen Zwiſchenſpiele der haͤuslichen Liebe hatten ſeine ganze ſcherzende Seele aus den Fu¬ gen gezogen und es war ihm als wenn er entfernt von der heutigen Freude, wenigſtens auf einige Mi¬ nuten, froher ſeyn wuͤrde in irgend einer ſtillen Ecke und beſonders ſehnt' er ſich die Sonne untergehen zu ſehen. — —
Dazu kam noch mehr: der Anblick von Klotil¬ dens waͤrmerer Liebe gegen Agathe — der Anblick ſeines Freundes, der durch ſeine ſchweigende Zaͤrt¬ lichkeit, durch ſeine mildere Stimme, durch eine an heftigen Menſchen ſo unwiderſtehliche Ergebenheit jedem Herzen befahl: liebe mich — und endlich der Anblick der Nacht. . .
Er war ſchon laͤugſt traurig als er noch luſtig ſchien. Jetzt brachte die Mutter den kleinen Held des heutigen Vormittags in den lauen Abendhimmel heraus. Sie ſtanden alle außerhalb der Garten- Stiftshuͤtte, im erſten Tempel des andaͤchtigen Men¬
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Aber nach dem Eſſen gings anders. Unter Vik¬
tors Gehirnhaͤuten hatte irgend ein Poltergeiſt im
innern Schriftkaſten alle Lettern ſeiner Ideen ſo un¬
tereinander geworfen, daß er bisher luſtig, aber un¬
zufrieden war — er hatte verſucht, Agathens Haare
auf- und abzulocken, ihre Doppelſchleifen in unglei¬
che und eben darum wieder in gleiche Haͤlften zu
zerren — aͤber es hatt' ihm nicht wie ſonſt gefallen
— die heutigen Zwiſchenſpiele der haͤuslichen Liebe
hatten ſeine ganze ſcherzende Seele aus den Fu¬
gen gezogen und es war ihm als wenn er entfernt
von der heutigen Freude, wenigſtens auf einige Mi¬
nuten, froher ſeyn wuͤrde in irgend einer ſtillen Ecke
und beſonders ſehnt' er ſich die Sonne untergehen
zu ſehen. — —
Dazu kam noch mehr: der Anblick von Klotil¬
dens waͤrmerer Liebe gegen Agathe — der Anblick
ſeines Freundes, der durch ſeine ſchweigende Zaͤrt¬
lichkeit, durch ſeine mildere Stimme, durch eine an
heftigen Menſchen ſo unwiderſtehliche Ergebenheit
jedem Herzen befahl: liebe mich — und endlich der
Anblick der Nacht. . .
Er war ſchon laͤugſt traurig als er noch luſtig
ſchien. Jetzt brachte die Mutter den kleinen Held
des heutigen Vormittags in den lauen Abendhimmel
heraus. Sie ſtanden alle außerhalb der Garten-
Stiftshuͤtte, im erſten Tempel des andaͤchtigen Men¬
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/159>, abgerufen am 19.05.2024.
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