den Naphtaquellen der Liebe, die aus den verwand¬ ten Herzen in einander springen. --
Die unwillkürliche Ueberraschung hatte die will¬ kührlichen vereitelt. Aber die Freudenfluth hatte alle Personen zusammengeströmt; und sie blieben noch in der vertraulichen Nähe, als jene wieder verlaufen war. Man setzte sich zum Souper im Gartenhaus: selten sind Kollationen so wie diese durch zwei aus¬ serordentliche Vorzüge gewürzt, durch Mangel an Essen und Mangel an Platz. Nichts reizt den Ap¬ petit so sehr als die Besorgniß, er finde nicht satt. Es war von Sebastian ausgesonnen, daß für jeden Gast nur das Leibgericht besorgt wurde -- für den Pfarrer farcirte Krebse und Erdäpfelkäse -- für Flamin Schinken -- für den Helden das Gemüse vom guten Heinrich (Menopodium) -- Jeder wollte jetzt das Leibgericht des andern und jeder subhastirte seines. Sogar die Damen, die sonst wie die Fische essen und nicht essen, bissen an. Das zweite berau¬ schende Ingrediens, das sie in ihren Freudenbecher geworfen hatten, war der Tisch und die Gartenstu¬ be, wovon jener die Kost, diese die Kostgänger nicht faste. Sebastian hatte sich samt Agathen an ein Fi¬ lialtischgen, daß man aussen ans Fenster des Speise¬ saales gestoßen, begeben, blos um draussen mehr hineinzulärmen und zu klagen als zu essen. Dieser Muthwille war im Grunde die verdeckte Bescheiden¬
Hesperus. I. Th. K
den Naphtaquellen der Liebe, die aus den verwand¬ ten Herzen in einander ſpringen. —
Die unwillkuͤrliche Ueberraſchung hatte die will¬ kuͤhrlichen vereitelt. Aber die Freudenfluth hatte alle Perſonen zuſammengeſtroͤmt; und ſie blieben noch in der vertraulichen Naͤhe, als jene wieder verlaufen war. Man ſetzte ſich zum Souper im Gartenhaus: ſelten ſind Kollationen ſo wie dieſe durch zwei auſ¬ ſerordentliche Vorzuͤge gewuͤrzt, durch Mangel an Eſſen und Mangel an Platz. Nichts reizt den Ap¬ petit ſo ſehr als die Beſorgniß, er finde nicht ſatt. Es war von Sebaſtian ausgeſonnen, daß fuͤr jeden Gaſt nur das Leibgericht beſorgt wurde — fuͤr den Pfarrer farcirte Krebſe und Erdaͤpfelkaͤſe — fuͤr Flamin Schinken — fuͤr den Helden das Gemuͤſe vom guten Heinrich (Menopodium) — Jeder wollte jetzt das Leibgericht des andern und jeder ſubhaſtirte ſeines. Sogar die Damen, die ſonſt wie die Fiſche eſſen und nicht eſſen, biſſen an. Das zweite berau¬ ſchende Ingrediens, das ſie in ihren Freudenbecher geworfen hatten, war der Tiſch und die Gartenſtu¬ be, wovon jener die Koſt, dieſe die Koſtgaͤnger nicht faſte. Sebaſtian hatte ſich ſamt Agathen an ein Fi¬ lialtiſchgen, daß man auſſen ans Fenſter des Speiſe¬ ſaales geſtoßen, begeben, blos um drauſſen mehr hineinzulaͤrmen und zu klagen als zu eſſen. Dieſer Muthwille war im Grunde die verdeckte Beſcheiden¬
Heſperus. I. Th. K
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den Naphtaquellen der Liebe, die aus den verwand¬
ten Herzen in einander ſpringen. —
Die unwillkuͤrliche Ueberraſchung hatte die will¬
kuͤhrlichen vereitelt. Aber die Freudenfluth hatte
alle Perſonen zuſammengeſtroͤmt; und ſie blieben noch
in der vertraulichen Naͤhe, als jene wieder verlaufen
war. Man ſetzte ſich zum Souper im Gartenhaus:
ſelten ſind Kollationen ſo wie dieſe durch zwei auſ¬
ſerordentliche Vorzuͤge gewuͤrzt, durch Mangel an
Eſſen und Mangel an Platz. Nichts reizt den Ap¬
petit ſo ſehr als die Beſorgniß, er finde nicht ſatt.
Es war von Sebaſtian ausgeſonnen, daß fuͤr jeden
Gaſt nur das Leibgericht beſorgt wurde — fuͤr den
Pfarrer farcirte Krebſe und Erdaͤpfelkaͤſe — fuͤr
Flamin Schinken — fuͤr den Helden das Gemuͤſe
vom guten Heinrich (Menopodium) — Jeder wollte
jetzt das Leibgericht des andern und jeder ſubhaſtirte
ſeines. Sogar die Damen, die ſonſt wie die Fiſche
eſſen und nicht eſſen, biſſen an. Das zweite berau¬
ſchende Ingrediens, das ſie in ihren Freudenbecher
geworfen hatten, war der Tiſch und die Gartenſtu¬
be, wovon jener die Koſt, dieſe die Koſtgaͤnger nicht
faſte. Sebaſtian hatte ſich ſamt Agathen an ein Fi¬
lialtiſchgen, daß man auſſen ans Fenſter des Speiſe¬
ſaales geſtoßen, begeben, blos um drauſſen mehr
hineinzulaͤrmen und zu klagen als zu eſſen. Dieſer
Muthwille war im Grunde die verdeckte Beſcheiden¬
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/156>, abgerufen am 24.11.2024.
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