Darüber traf auch der alte Pfarrer aus dem Garten ein und sagte wie närrisch: ich wollt' er "wäre Regierungsrath;" aber die Frau sagte, ohne darauf zu antworten, mit überfließender Stimme und Liebe zu ihm: "So einen Geburtstag hast du noch "nicht erlebt wie heute, Peter!" Agathe sah sie fragend und zurechtweisend an. "Fahr' nur damit "heraus -- sagte sie und umfing die zwei Kinder "und zog beide in die väterliche Umarmung hinein " -- und wünscht eurem guten Vater lange Tage und "noch drei glückliche Kinder." --
Der Vater konnte nichts sagen und streckte die Hand nach der Mutter entgegen, um die Gruppe des lieben¬ den Edens zu ründen. Viktors sympathetisches Blut häufte sich in sein Herz, um es in Liebe aufzulösen und er dachte das stille Gebet: reisse diese ver¬ "schlungnen Arme, du Allgütiger, nie durch ein Un¬ glück aus einander! -- Aber Flamin zog sich bald aus der Verkettung und sagte zu Viktor mit dem dankbarsten Händedruck: "du weist nicht wie Unrecht "ich dir immer thue." Der Kaplan dachte, er werde allen seine Rührung verstecken, wenn er sage: "ich wollt' ich hätt' euch nicht betrogen. -- Ich "habe zur Ader gelassen, es ist aber dumm -- hätt' "ichs nur gewußt! -- hätt' ichs nur nicht! -- War¬ "lich, da sehts selber!" -- Und als diese Maske nicht hinreichte, seine ganze gerührte Seele zu be¬
Daruͤber traf auch der alte Pfarrer aus dem Garten ein und ſagte wie naͤrriſch: ich wollt' er »waͤre Regierungsrath;« aber die Frau ſagte, ohne darauf zu antworten, mit uͤberfließender Stimme und Liebe zu ihm: »So einen Geburtstag haſt du noch »nicht erlebt wie heute, Peter!« Agathe ſah ſie fragend und zurechtweiſend an. »Fahr' nur damit »heraus — ſagte ſie und umfing die zwei Kinder »und zog beide in die vaͤterliche Umarmung hinein » — und wuͤnſcht eurem guten Vater lange Tage und »noch drei gluͤckliche Kinder.« —
Der Vater konnte nichts ſagen und ſtreckte die Hand nach der Mutter entgegen, um die Gruppe des lieben¬ den Edens zu ruͤnden. Viktors ſympathetiſches Blut haͤufte ſich in ſein Herz, um es in Liebe aufzuloͤſen und er dachte das ſtille Gebet: reiſſe dieſe ver¬ »ſchlungnen Arme, du Allguͤtiger, nie durch ein Un¬ gluͤck aus einander! — Aber Flamin zog ſich bald aus der Verkettung und ſagte zu Viktor mit dem dankbarſten Haͤndedruck: »du weiſt nicht wie Unrecht »ich dir immer thue.« Der Kaplan dachte, er werde allen ſeine Ruͤhrung verſtecken, wenn er ſage: »ich wollt' ich haͤtt' euch nicht betrogen. — Ich »habe zur Ader gelaſſen, es iſt aber dumm — haͤtt' »ichs nur gewußt! — haͤtt' ichs nur nicht! — War¬ »lich, da ſehts ſelber!« — Und als dieſe Maske nicht hinreichte, ſeine ganze geruͤhrte Seele zu be¬
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Daruͤber traf auch der alte Pfarrer aus dem
Garten ein und ſagte wie naͤrriſch: ich wollt' er
»waͤre Regierungsrath;« aber die Frau ſagte, ohne
darauf zu antworten, mit uͤberfließender Stimme und
Liebe zu ihm: »So einen Geburtstag haſt du noch
»nicht erlebt wie heute, Peter!« Agathe ſah ſie
fragend und zurechtweiſend an. »Fahr' nur damit
»heraus — ſagte ſie und umfing die zwei Kinder
»und zog beide in die vaͤterliche Umarmung hinein
» — und wuͤnſcht eurem guten Vater lange Tage und
»noch drei gluͤckliche Kinder.« —
Der Vater konnte nichts ſagen und ſtreckte die Hand
nach der Mutter entgegen, um die Gruppe des lieben¬
den Edens zu ruͤnden. Viktors ſympathetiſches Blut
haͤufte ſich in ſein Herz, um es in Liebe aufzuloͤſen
und er dachte das ſtille Gebet: reiſſe dieſe ver¬
»ſchlungnen Arme, du Allguͤtiger, nie durch ein Un¬
gluͤck aus einander! — Aber Flamin zog ſich bald
aus der Verkettung und ſagte zu Viktor mit dem
dankbarſten Haͤndedruck: »du weiſt nicht wie Unrecht
»ich dir immer thue.« Der Kaplan dachte, er
werde allen ſeine Ruͤhrung verſtecken, wenn er ſage:
»ich wollt' ich haͤtt' euch nicht betrogen. — Ich
»habe zur Ader gelaſſen, es iſt aber dumm — haͤtt'
»ichs nur gewußt! — haͤtt' ichs nur nicht! — War¬
»lich, da ſehts ſelber!« — Und als dieſe Maske
nicht hinreichte, ſeine ganze geruͤhrte Seele zu be¬
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/154>, abgerufen am 24.11.2024.
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