Kastanienbäumen mit Blüten-Geäder über den Men¬ schen zusammennistete, mit gerührtem Zittern seinen Vater umfassen und für seinen Freund sprechen und glühen mit Zunge und Herz. Des Lords Ueberra¬ schung war größer als dessen Rührung. "Hier "(sagt' er) ist deine Bitte auf eine andere Art längst "erfüllt; ich wollte dir aber das Vergnügen der "Bothschaft aufheben" -- und damit gab er ihm ein allerhöchstes Handbillet, worin der Fürst den praktizirenden Advokaten Flamin zum Regierungsrath beruft.
Ein allerhöchstes Handbillet ist das Tetragramma¬ ton und Gnadenmittel, das die übernatürlichen Wir¬ kungen und Staats-Wunder thut; und der durch¬ lauchtige Schreib-Daumen ist gleichsam ein zauberi¬ scher Diebsdaumen, der die verschiedenen Räder der Staats-Repetieruhr, das Heberad, das Zifferblatts¬ rad, oft bloß den Zeiger voraus oder zurückstößet, je nachdem er eine Stunde früher oder später be¬ gehrt. Daher steigen Minister oft hinauf und schnei¬ den sich einen solchen Diebsdaumen für ihre Ta¬ schen ab.
Sebastian wird von der Freude wie von Haba¬ kuks Engel beim Schopfe erfast und durch den Gar¬ ten geführt und mit seiner Novelle an den ersten besten getrieben -- an den Kaplan, welcher mit ei¬ nem närrischen Gesicht beschwor, es wären nur Fin¬
Kaſtanienbaͤumen mit Bluͤten-Geaͤder uͤber den Men¬ ſchen zuſammenniſtete, mit geruͤhrtem Zittern ſeinen Vater umfaſſen und fuͤr ſeinen Freund ſprechen und gluͤhen mit Zunge und Herz. Des Lords Ueberra¬ ſchung war groͤßer als deſſen Ruͤhrung. »Hier »(ſagt' er) iſt deine Bitte auf eine andere Art laͤngſt »erfuͤllt; ich wollte dir aber das Vergnuͤgen der »Bothſchaft aufheben« — und damit gab er ihm ein allerhoͤchſtes Handbillet, worin der Fuͤrſt den praktizirenden Advokaten Flamin zum Regierungsrath beruft.
Ein allerhoͤchſtes Handbillet iſt das Tetragramma¬ ton und Gnadenmittel, das die uͤbernatuͤrlichen Wir¬ kungen und Staats-Wunder thut; und der durch¬ lauchtige Schreib-Daumen iſt gleichſam ein zauberi¬ ſcher Diebsdaumen, der die verſchiedenen Raͤder der Staats-Repetieruhr, das Heberad, das Zifferblatts¬ rad, oft bloß den Zeiger voraus oder zuruͤckſtoͤßet, je nachdem er eine Stunde fruͤher oder ſpaͤter be¬ gehrt. Daher ſteigen Miniſter oft hinauf und ſchnei¬ den ſich einen ſolchen Diebsdaumen fuͤr ihre Ta¬ ſchen ab.
Sebaſtian wird von der Freude wie von Haba¬ kuks Engel beim Schopfe erfaſt und durch den Gar¬ ten gefuͤhrt und mit ſeiner Novelle an den erſten beſten getrieben — an den Kaplan, welcher mit ei¬ nem naͤrriſchen Geſicht beſchwor, es waͤren nur Fin¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0151"n="140"/>
Kaſtanienbaͤumen mit Bluͤten-Geaͤder uͤber den Men¬<lb/>ſchen zuſammenniſtete, mit geruͤhrtem Zittern ſeinen<lb/>
Vater umfaſſen und fuͤr ſeinen Freund ſprechen und<lb/>
gluͤhen mit Zunge und Herz. Des Lords Ueberra¬<lb/>ſchung war groͤßer als deſſen Ruͤhrung. »Hier<lb/>
»(ſagt' er) iſt deine Bitte auf eine andere Art laͤngſt<lb/>
»erfuͤllt; ich wollte dir aber das Vergnuͤgen der<lb/>
»Bothſchaft aufheben« — und damit gab er ihm<lb/>
ein allerhoͤchſtes Handbillet, worin der Fuͤrſt den<lb/>
praktizirenden Advokaten Flamin zum Regierungsrath<lb/>
beruft.</p><lb/><p>Ein allerhoͤchſtes Handbillet iſt das Tetragramma¬<lb/>
ton und Gnadenmittel, das die uͤbernatuͤrlichen Wir¬<lb/>
kungen und Staats-Wunder thut; und der durch¬<lb/>
lauchtige Schreib-Daumen iſt gleichſam ein zauberi¬<lb/>ſcher Diebsdaumen, der die verſchiedenen Raͤder der<lb/>
Staats-Repetieruhr, das Heberad, das Zifferblatts¬<lb/>
rad, oft bloß den Zeiger voraus oder zuruͤckſtoͤßet,<lb/>
je nachdem er eine Stunde fruͤher oder ſpaͤter be¬<lb/>
gehrt. Daher ſteigen Miniſter oft hinauf und ſchnei¬<lb/>
den ſich einen ſolchen Diebsdaumen fuͤr ihre Ta¬<lb/>ſchen ab.</p><lb/><p>Sebaſtian wird von der Freude wie von Haba¬<lb/>
kuks Engel beim Schopfe erfaſt und durch den Gar¬<lb/>
ten gefuͤhrt und mit ſeiner Novelle an den erſten<lb/>
beſten getrieben — an den Kaplan, welcher mit ei¬<lb/>
nem naͤrriſchen Geſicht beſchwor, es waͤren nur Fin¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[140/0151]
Kaſtanienbaͤumen mit Bluͤten-Geaͤder uͤber den Men¬
ſchen zuſammenniſtete, mit geruͤhrtem Zittern ſeinen
Vater umfaſſen und fuͤr ſeinen Freund ſprechen und
gluͤhen mit Zunge und Herz. Des Lords Ueberra¬
ſchung war groͤßer als deſſen Ruͤhrung. »Hier
»(ſagt' er) iſt deine Bitte auf eine andere Art laͤngſt
»erfuͤllt; ich wollte dir aber das Vergnuͤgen der
»Bothſchaft aufheben« — und damit gab er ihm
ein allerhoͤchſtes Handbillet, worin der Fuͤrſt den
praktizirenden Advokaten Flamin zum Regierungsrath
beruft.
Ein allerhoͤchſtes Handbillet iſt das Tetragramma¬
ton und Gnadenmittel, das die uͤbernatuͤrlichen Wir¬
kungen und Staats-Wunder thut; und der durch¬
lauchtige Schreib-Daumen iſt gleichſam ein zauberi¬
ſcher Diebsdaumen, der die verſchiedenen Raͤder der
Staats-Repetieruhr, das Heberad, das Zifferblatts¬
rad, oft bloß den Zeiger voraus oder zuruͤckſtoͤßet,
je nachdem er eine Stunde fruͤher oder ſpaͤter be¬
gehrt. Daher ſteigen Miniſter oft hinauf und ſchnei¬
den ſich einen ſolchen Diebsdaumen fuͤr ihre Ta¬
ſchen ab.
Sebaſtian wird von der Freude wie von Haba¬
kuks Engel beim Schopfe erfaſt und durch den Gar¬
ten gefuͤhrt und mit ſeiner Novelle an den erſten
beſten getrieben — an den Kaplan, welcher mit ei¬
nem naͤrriſchen Geſicht beſchwor, es waͤren nur Fin¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/151>, abgerufen am 19.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.