Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

Rettich ausgesäet, das A seiner Appollonia mit Ka¬
puzinersallat, Flamins F mit Kohlrabi, Klotildens
K mit Tulpen. Wer nicht zu säen war, hatte alle¬
mal noch einen Platz und almanac royal auf den
Kürbissen und Stettineräpfeln leer, die der Pfarrer
mit einem durchbrochnen Papier umflocht, in das
der Name geschnitten war, der nach Abschälung
des Einbands allein roth oder grün auf der bleichen
Frucht erschien. Schmetterlings-Glaskästen wendeten
die Nachtkälte von frühzeitigen Rosen aus Seide ab
und von Frühgurken aus Wachs. Gurken, die aus
wahren Gurken bestanden, legte er unter allen Pasto¬
ren am frühesten ein, um in die Angst zu gerathen,
sie könnten erfrieren: denn diese Angst must' er ha¬
ben, um sich zu freuen, wenn eine Glasbouteille in
seinem Hause zerbrochen wurde: er konnte dann den
komischen Eis- oder Glasberg, der in den Weinen
leider jährlich mit unserem Durste steigt, in den
Garten tragen und mit dieser Mistglocke die Herz¬
blätter überbauen. -- Um wichtigere Beete führte
er einen bunten musivischen Scherbenrand: seine Fa¬
milie war seine Rändelmaschine, ich meine, sie mußte
ihm die wenigen Porzellaintassen zerbrechen, die er
brauchte, um mit diesem bunten Streuzucker und
kouleurten Gebräm ansehnlichere Partien zu heben,
wie ein Fürst sich mit den bunten, durch die Knopf¬
löcher seiner Antichambre gezognen, Ordensbänder

Rettich ausgeſaͤet, das A ſeiner Appollonia mit Ka¬
puzinerſallat, Flamins F mit Kohlrabi, Klotildens
K mit Tulpen. Wer nicht zu ſaͤen war, hatte alle¬
mal noch einen Platz und almanac royal auf den
Kuͤrbiſſen und Stettineraͤpfeln leer, die der Pfarrer
mit einem durchbrochnen Papier umflocht, in das
der Name geſchnitten war, der nach Abſchaͤlung
des Einbands allein roth oder gruͤn auf der bleichen
Frucht erſchien. Schmetterlings-Glaskaͤſten wendeten
die Nachtkaͤlte von fruͤhzeitigen Roſen aus Seide ab
und von Fruͤhgurken aus Wachs. Gurken, die aus
wahren Gurken beſtanden, legte er unter allen Paſto¬
ren am fruͤheſten ein, um in die Angſt zu gerathen,
ſie koͤnnten erfrieren: denn dieſe Angſt muſt' er ha¬
ben, um ſich zu freuen, wenn eine Glasbouteille in
ſeinem Hauſe zerbrochen wurde: er konnte dann den
komiſchen Eis- oder Glasberg, der in den Weinen
leider jaͤhrlich mit unſerem Durſte ſteigt, in den
Garten tragen und mit dieſer Miſtglocke die Herz¬
blaͤtter uͤberbauen. — Um wichtigere Beete fuͤhrte
er einen bunten muſiviſchen Scherbenrand: ſeine Fa¬
milie war ſeine Raͤndelmaſchine, ich meine, ſie mußte
ihm die wenigen Porzellaintaſſen zerbrechen, die er
brauchte, um mit dieſem bunten Streuzucker und
kouleurten Gebraͤm anſehnlichere Partien zu heben,
wie ein Fuͤrſt ſich mit den bunten, durch die Knopf¬
loͤcher ſeiner Antichambre gezognen, Ordensbaͤnder

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0144" n="133"/>
Rettich ausge&#x017F;a&#x0364;et, das A &#x017F;einer Appollonia mit Ka¬<lb/>
puziner&#x017F;allat, Flamins F mit Kohlrabi, Klotildens<lb/>
K mit Tulpen. Wer nicht zu &#x017F;a&#x0364;en war, hatte alle¬<lb/>
mal noch einen Platz und <hi rendition="#aq">almanac royal</hi> auf den<lb/>
Ku&#x0364;rbi&#x017F;&#x017F;en und Stettinera&#x0364;pfeln leer, die der Pfarrer<lb/>
mit einem durchbrochnen Papier umflocht, in das<lb/>
der Name ge&#x017F;chnitten war, der nach Ab&#x017F;cha&#x0364;lung<lb/>
des Einbands allein roth oder gru&#x0364;n auf der bleichen<lb/>
Frucht er&#x017F;chien. Schmetterlings-Glaska&#x0364;&#x017F;ten wendeten<lb/>
die Nachtka&#x0364;lte von fru&#x0364;hzeitigen Ro&#x017F;en aus Seide ab<lb/>
und von Fru&#x0364;hgurken aus Wachs. Gurken, die aus<lb/>
wahren Gurken be&#x017F;tanden, legte er unter allen Pa&#x017F;to¬<lb/>
ren am fru&#x0364;he&#x017F;ten ein, um in die Ang&#x017F;t zu gerathen,<lb/>
&#x017F;ie ko&#x0364;nnten erfrieren: denn die&#x017F;e Ang&#x017F;t mu&#x017F;t' er ha¬<lb/>
ben, um &#x017F;ich zu freuen, wenn eine Glasbouteille in<lb/>
&#x017F;einem Hau&#x017F;e zerbrochen wurde: er konnte dann den<lb/>
komi&#x017F;chen Eis- oder Glasberg, der in den Weinen<lb/>
leider ja&#x0364;hrlich mit un&#x017F;erem Dur&#x017F;te &#x017F;teigt, in den<lb/>
Garten tragen und mit die&#x017F;er Mi&#x017F;tglocke die Herz¬<lb/>
bla&#x0364;tter u&#x0364;berbauen. &#x2014; Um wichtigere Beete fu&#x0364;hrte<lb/>
er einen bunten mu&#x017F;ivi&#x017F;chen Scherbenrand: &#x017F;eine Fa¬<lb/>
milie war &#x017F;eine Ra&#x0364;ndelma&#x017F;chine, ich meine, &#x017F;ie mußte<lb/>
ihm die wenigen Porzellainta&#x017F;&#x017F;en zerbrechen, die er<lb/>
brauchte, um mit die&#x017F;em bunten Streuzucker und<lb/>
kouleurten Gebra&#x0364;m an&#x017F;ehnlichere Partien zu heben,<lb/>
wie ein Fu&#x0364;r&#x017F;t &#x017F;ich mit den bunten, durch die Knopf¬<lb/>
lo&#x0364;cher &#x017F;einer Antichambre gezognen, Ordensba&#x0364;nder<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[133/0144] Rettich ausgeſaͤet, das A ſeiner Appollonia mit Ka¬ puzinerſallat, Flamins F mit Kohlrabi, Klotildens K mit Tulpen. Wer nicht zu ſaͤen war, hatte alle¬ mal noch einen Platz und almanac royal auf den Kuͤrbiſſen und Stettineraͤpfeln leer, die der Pfarrer mit einem durchbrochnen Papier umflocht, in das der Name geſchnitten war, der nach Abſchaͤlung des Einbands allein roth oder gruͤn auf der bleichen Frucht erſchien. Schmetterlings-Glaskaͤſten wendeten die Nachtkaͤlte von fruͤhzeitigen Roſen aus Seide ab und von Fruͤhgurken aus Wachs. Gurken, die aus wahren Gurken beſtanden, legte er unter allen Paſto¬ ren am fruͤheſten ein, um in die Angſt zu gerathen, ſie koͤnnten erfrieren: denn dieſe Angſt muſt' er ha¬ ben, um ſich zu freuen, wenn eine Glasbouteille in ſeinem Hauſe zerbrochen wurde: er konnte dann den komiſchen Eis- oder Glasberg, der in den Weinen leider jaͤhrlich mit unſerem Durſte ſteigt, in den Garten tragen und mit dieſer Miſtglocke die Herz¬ blaͤtter uͤberbauen. — Um wichtigere Beete fuͤhrte er einen bunten muſiviſchen Scherbenrand: ſeine Fa¬ milie war ſeine Raͤndelmaſchine, ich meine, ſie mußte ihm die wenigen Porzellaintaſſen zerbrechen, die er brauchte, um mit dieſem bunten Streuzucker und kouleurten Gebraͤm anſehnlichere Partien zu heben, wie ein Fuͤrſt ſich mit den bunten, durch die Knopf¬ loͤcher ſeiner Antichambre gezognen, Ordensbaͤnder

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/144
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/144>, abgerufen am 19.05.2024.