senkte Freundin, über ihre rührende Stimme, wenn sie blos mit Agathen sprach -- gleichwohl war er nicht im Stande, nur ein ernsthaftes Wort zu sagen: gegen Fremde zwang ihn seine Natur allemal im Anfange zu satyrisiren und zu haseliren. Aber abends, da man im feierlichen Garten war, da sein gewöhnlicher Schauer vor der Leerheit des Lebens durch die Lustigkeit heftiger wurde -- das wurde je¬ ner dadurch allezeit; hingegen durch ernsthafte, trau¬ rige, leidenschaftliche Gespräche nahm er ab -- und da Klotilde ihm bloß eine sehr kalte, gleichsam von seinem Vater auf ihm assignirte Höflichkeit gewährte und den Unterschied zwischen ihm und dem Matthieu, der keine zweite Welt und keinen dafür organisirten innern Menschen annahm, nicht in seiner ganzen Größe errieth: so wurd' ihm beklommen ums seh¬ nende Herz, zu viele Thränen schienen seine ganze Brust anzufüllen und durchzudrücken, und so oft er in den grossen tiefen Himmel aufblickte, sagte etwas in seiner Seele: scheer' dich gar nichts um den fei¬ nen Cercle und rede heraus!"
Aber es gab für ihn nur Eine Seele, an der jene Erhöhungstritte wie an Pedalharpfen geschaffen wä¬ ren, die jedem Gedanken einen höhern Sphärenton ertheilen, dem Leben einen heiligen Werth und dem Herzen ein Echo aus Eden: diese Seele war nicht sein sonst so geliebter Flamin, sondern sein Lehrer
ſenkte Freundin, uͤber ihre ruͤhrende Stimme, wenn ſie blos mit Agathen ſprach — gleichwohl war er nicht im Stande, nur ein ernſthaftes Wort zu ſagen: gegen Fremde zwang ihn ſeine Natur allemal im Anfange zu ſatyriſiren und zu haſeliren. Aber abends, da man im feierlichen Garten war, da ſein gewoͤhnlicher Schauer vor der Leerheit des Lebens durch die Luſtigkeit heftiger wurde — das wurde je¬ ner dadurch allezeit; hingegen durch ernſthafte, trau¬ rige, leidenſchaftliche Geſpraͤche nahm er ab — und da Klotilde ihm bloß eine ſehr kalte, gleichſam von ſeinem Vater auf ihm aſſignirte Hoͤflichkeit gewaͤhrte und den Unterſchied zwiſchen ihm und dem Matthieu, der keine zweite Welt und keinen dafuͤr organiſirten innern Menſchen annahm, nicht in ſeiner ganzen Groͤße errieth: ſo wurd' ihm beklommen ums ſeh¬ nende Herz, zu viele Thraͤnen ſchienen ſeine ganze Bruſt anzufuͤllen und durchzudruͤcken, und ſo oft er in den groſſen tiefen Himmel aufblickte, ſagte etwas in ſeiner Seele: ſcheer' dich gar nichts um den fei¬ nen Cercle und rede heraus!»
Aber es gab fuͤr ihn nur Eine Seele, an der jene Erhoͤhungstritte wie an Pedalharpfen geſchaffen waͤ¬ ren, die jedem Gedanken einen hoͤhern Sphaͤrenton ertheilen, dem Leben einen heiligen Werth und dem Herzen ein Echo aus Eden: dieſe Seele war nicht ſein ſonſt ſo geliebter Flamin, ſondern ſein Lehrer
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ſenkte Freundin, uͤber ihre ruͤhrende Stimme, wenn
ſie blos mit Agathen ſprach — gleichwohl war er
nicht im Stande, nur ein ernſthaftes Wort zu ſagen:
gegen Fremde zwang ihn ſeine Natur allemal im
Anfange zu ſatyriſiren und zu haſeliren. Aber
abends, da man im feierlichen Garten war, da ſein
gewoͤhnlicher Schauer vor der Leerheit des Lebens
durch die Luſtigkeit heftiger wurde — das wurde je¬
ner dadurch allezeit; hingegen durch ernſthafte, trau¬
rige, leidenſchaftliche Geſpraͤche nahm er ab — und
da Klotilde ihm bloß eine ſehr kalte, gleichſam von
ſeinem Vater auf ihm aſſignirte Hoͤflichkeit gewaͤhrte
und den Unterſchied zwiſchen ihm und dem Matthieu,
der keine zweite Welt und keinen dafuͤr organiſirten
innern Menſchen annahm, nicht in ſeiner ganzen
Groͤße errieth: ſo wurd' ihm beklommen ums ſeh¬
nende Herz, zu viele Thraͤnen ſchienen ſeine ganze
Bruſt anzufuͤllen und durchzudruͤcken, und ſo oft er
in den groſſen tiefen Himmel aufblickte, ſagte etwas
in ſeiner Seele: ſcheer' dich gar nichts um den fei¬
nen Cercle und rede heraus!»
Aber es gab fuͤr ihn nur Eine Seele, an der jene
Erhoͤhungstritte wie an Pedalharpfen geſchaffen waͤ¬
ren, die jedem Gedanken einen hoͤhern Sphaͤrenton
ertheilen, dem Leben einen heiligen Werth und dem
Herzen ein Echo aus Eden: dieſe Seele war nicht
ſein ſonſt ſo geliebter Flamin, ſondern ſein Lehrer
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/105>, abgerufen am 05.12.2024.
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